Ende des bisherigen Naschismus

Von der Basis der Gesellschaft bis zur Spitze, von den Ärmsten zu den Reichsten: in der rumänischen Gesellschaft sind die Seilschaften durch das System der Trauzeugen – rum. „nas“, gelesen „Nasch“, daher obige zwischensprachliche Zangengeburt – ersetzt. Ein „Nas“ ist praktisch voll für das Schicksal jener verantwortlich, mit denen er vor den Popen tritt und ihnen die dicken Kerzen hält (ein Monopol der Patriarchie), für ihre Karriere, ihren Wohlstand, ihr Zusammenleben, auch für alles, was ihre Kinder betrifft – bis diese selber, mit eigenem „Nas“, vor den Altar treten.

Ich kenne Politiker der höheren mitteleren Ebene, die bis zu 30 „fini“ haben, also von ihnen vor den Traualtar Geführte. Stellen Sie sich nun vor, was das an „Verantwortlichkeit“ bedeutet für den „Nas“, wie viele Dinge er drehen muss, um seinen „fini“ zu Karriere(n) und Wohlstand zu verhelfen und dass er auch deren 60 Elternpaaren mit ihrerseits näheren oder weiteren Verwandten gegenüber gewisse Verantwortungen trägt, denn „Nas“ werden ist zwar eine Ehre, aber mit praktisch lebenslangen Verpflichtungen verbunden.

Die rumänischen Medien sehen auch die Hierarchie in der größten Partei dieses Landes, der Regierungspartei PSD, als „Naschismus“: Ion Iliescu war der „Nas“ von Adrian Nastase, Adrian Nastase der „Nas“ von Victor Viorel Ponta. Dass es die korrupteste Partei dieses Landes ist, das sei nicht nur eine Sache der Qualität ihrer Mitglieder, sondern auch eine Folge des Naschismus, weil für das weitverzweigte Netz von „fini“ gesorgt werden muss: mit Posten und Pfründen, mit Aufträgen, mit Karriereleitern, mit Wegeebnen und Interventionen zum Stoppen der diversen strafrechtlichen Untersuchungen gegen die Knotenpunkte des Naschismus-Netzwerks.

Wen wundert`s, dass da diverse Segmente des Naschismus-Netzwerks ins Visier der Antikorruptionsbehörden, der Staatsanwaltschaften oder der Geheimdienste geraten – die ihrerseits Teile von Netzwerken des Naschismus sind, die, in Vertretung ihrer Interessen und bei der Förderung ihrer Mitglieder, miteinander in Kollision geraten? Man denke an das Beispiel des Kreisratsvorsitzenden von Dolj.

So gesehen ist die jüngste Andeutung von Regierungschef Victor Ponta zu seinem möglichen Rückzug aus der Politik in diesem Spätherbst auch die Gefahr der Andeutung eines Risses im Netzwerk des PSD-Naschismus. Denn wen fördert wohl Ponta, wessen „Nas“ ist er und seine Frau, die Europaparlamentarierin Daciana? Ist er wohl „Nas“ von Liviu Dragnea, dem wegen Wahlmanipulation strafrechtlich verfolgten Vizeregierungschef? Das wäre ein Bruch mit dem Bukarester Naschismus-Netz. Und wenn der Naschismus der südrumänischen Provinz sich in Bukarest festsetzt, dann werden nicht nur die wohlgemästeten Bukarester Ministerialhierarchien zerrüttet. Neue Bedürfnisse werden freigesetzt.

Nichts bleibt nach jetzigen Regeln kalkulierbar.

Die Drohwarnung der PSD-Barone in Kronstadt, endlich das Amnestiegesetz durchzubringen, kann auch aus dem Naschismus verstanden werden. Dragnea soll Verständnis gezeigt haben.