„Erfindungen und Magie“ bei Victor Brauner

Erste Gesamtretrospektive des Surrealisten in Rumänien

Dieses Foto zeigt die Skulptur „Zeichen“: Der Doppelkopf erinnert ein bisschen an Janus, doch schaut er nicht nach vorne und hinten;es ist eine Art Selbstporträt des Artisten. Foto: die Verfasserin

Der vierte Raum in der Victor-Brauner-Ausstellung im Kunstmuseum Temeswar ist den dunklen Vorgefühlen gewidmet. Hier hängt Brauners Selbstporträt mit einem flüssig-fließenden Auge, ein Selbstporträt im Spiegel gemacht. Es ist das linke Auge, genau das, welches der Künstler etwas später verlieren wird. Hier hängt auch das Bild „Der seltsame Fall des Herrn K.“, das Mr. K. in skurrilen Posen zeigt (vonMedaillen bedeckt, die an ihm hängen, wie die Magnete an der Kühlschranktür oder in Sexorgien verwickelt). Das Bild ist in 40 Kästchen unterteilt, wobei das letzte Kästchen nur einen schwarzen Hintergrund hat, worauf Brauner seine Unterschrift setzt. Das Gemälde ist vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden, Mr. K. steht für den Politiker, der das Unheil in die Welt bringen wird. Und in diesemRaum hängt schließlich auch ein Bild Hitlers, mit Regenschirm, Dolch, Hammer, Nagel und anderen Instrumenten durch den Kopf, 1934vorahnungsvoll gemalt.

Das Nationale Kunstmuseum Temeswar widmet Victor Brauner zurzeit die landesweit erste Retrospektive, die das Gesamtwerk des Künstlers beleuchtet: „Erfindungen und Magie“, wobei die Exponate nicht nur aus Museen, sondern auch aus Privatbesitz stammen. Die Vernissage fand anlässlich der Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres 2023 statt. Der Zyklus der Ausstellungen von Paul Neagu, Victor Brauner und Constantin Brâncuși ist als ein Denkmal zu verstehen, das man damit den rumänischen Künstlern setzt, die den Großteil ihres Werkes im Ausland geschaffen haben.

Der Name Victor Brauners, derden Museenbesuchern in Paris bekannt ist, war jenen in Rumänien weniger geläufig;der Erfolg der Ausstellung in Temeswarwirddies jedoch ändern.Der in PiatraNeamț geborene Brauner hat Kunst in Bukarest studiert und auch dort begonnen zu schaffen, ist mit der Avantgarde in Verbindung gekommen – davon zeugen auch die Zeitschriften, die nun ausgestellt sind – und ist dann für ein paar Jahre nach Paris gezogen. Er kehrt zurück nach Rumänien, doch die Atmosphäre ist verstärkt düster. Seine damals entstandenen Werke sind in kleinen, portablen Dimensionen, so dass er sie in einen Koffer einpacken kann.

Es zieht ihn zurück nach Frankreich, doch auch in Paris ist er nicht mehr in Sicherheit: Der Zweite Weltkrieg rückt hautnah; wegen der deutschen Besetzung flüchtet Brauner zunächst nach Südfrankreich, dann in die Alpenregion. Hier entstehen seine Plastiken. Nur fünf Skulpturen hat Brauner geschaffen. Drei davon sind in Temeswar ausgestellt; auf eins macht Kuratorin Camille Morando vom Centre Georges Pompidou in einem Gespräch mit der „Banater Zeitung“ aufmerksam: „Es ist schwierig ein einziges Werk auszusuchen und es zu nennen, aber es gibt tatsächlich ein Werk, das mich stark berührt hat,nämlich‚Signe (Zeichen)‘, mit dem doppelten Gesicht; es ist ein stilisiertes Porträt des Künstlers, mit offenen und mit geschlossenen Augen. Ich glaube, es vermittelt uns den Eintritt in die Welt von Victor Brauner, ein Universum der Legenden und der Geheimnisse“.

67 Werke sind ausgestellt, außer Gemälden und Plastiken auch Zeichnungen. Wer sich beim Anblick von Victor Brauners Gemälden an Dalí erinnert, liegt richtig, denn Brauner gehört zu den Surrealisten. Seine Frühwerke jedoch – noch in Bukarest entstanden – erinnern in gewissen Maßen auch an Picasso und dessen facettenreiche Porträts. In seinen späteren Werken, die während des Zweiten Weltkriegs entstehen, lässt Brauner Kabbala, Alchemie, deutsche Romantik, primitive Künste und rumänische Folklore einspielen, so denkt man, wenn man die Motive auf den Röcken seiner Figuren sieht, unmittelbar an „Die rumänische Bluse“von Matisse.

Wie der Kreisratsvorsitzende, Alin Nica, für die BZ erklärte, sind ungefähr zwei Millionen Euro in die Infrastruktur des Museums geflossen, um Ausstellungen dieser Ausmaße beherbergen zu können; die Hoffnung ist, Temeswar als eine Hauptstadt der bildenden Künste in Rumänien zu etablieren, so wie Hermannstadt eine für das Theater darstellt oder Klausenburg für den Film.Auf die Idee der Ausstellung kam Tilla Rudel, die Leiterin des Französischen Instituts in Temeswar. Organisatoren sind das Centre George Pompidou Paris, das Nationale Kunstmuseum Temeswar, die Stiftung ArtEncountersTemeswar und das Französische Institut Rumänien; finanziert wurde die Ausstellung aus Geldern des Kreisrates Temesch. Die Ausstellung kann noch bis zum 28. Mai besichtigt werden.