„Es wäre ungerecht, noch einmal das Gleiche zu machen“

Konsulin Regina Lochner beim BZ-Interview in den Räumen ihrer Dienststelle. Foto: privat

Ihre diplomatische Laufbahn brachte Regina Lochner auch auf den Balkan, nach Osteuropa, in Regionen, in denen die Problemfelder komplex waren. Nach einer intensiven Zeit an der Verwaltungsgemeinschaft in Brüssel hat sie nun sozusagen ihren Wunschposten bekleidet und ist Deutschlands Konsulin in Temeswar. Kurz nach Übernahme ihrer neuen Aufgaben im Amtsbezirk, der sich vom Südwesten Rumäniens über den gesamten Westen des Landes bis in den Nordwesten erstreckt, sprach BZ-Redaktionsleiter Siegfried Thiel mit Konsulin Lochner.

Frau Konsulin, mit welchen Erwartungen haben Sie Ihr Amt hier angetreten? 

Ich bin mit großer Freude hierher gekommen, weil Temeswar ein Wunschposten von mir war. Ich hatte so viel von meinen Kollegen, die vor mir hier waren, über Temeswar gehört, dass ich dachte, das ist genau das, was ich jetzt machen möchte. Bevor ich hierher kam, war ich an einer ganz anderen Struktur: An der Verwaltungsgemeinschaft Brüssel. Das ist die Verwaltungsgemeinschaft der drei deutschen Vertretungen in der Europäischen Hauptstadt. Diese Gemeinschaft wird gebildet aus den Verwaltungen der bilateralen Botschaft Brüssel, der ständigen Vertretung bei der EU und der ständigen Vertretung bei der NATO. Diese Verwaltungsgemeinschaft ist ein Organismus, der sehr groß und diffus ist, mit sehr vielen Mitarbeitern. Danach kann man nicht noch einmal das Gleiche machen. Das wäre ungerecht?

Haben Sie „diffus“ gesagt“?

Ja, weil diese drei Auslandsvertretungen, die diese Verwaltungsgemeinschaft bilden, in ihren Aufgaben sehr unterschiedlich sind. Man hat zwar eine Verwaltungsklammer, aber trotzdem drei sehr verschiedene Vertretungen mit unterschiedlichen Anforderungen.

Kann die Stelle in Temeswar also als ein Dankeschön für Ihre bisherige Arbeit gewertet werden?

(Lacht). Ja, man ist geneigt, das zu glauben. Selbst wenn es nicht stimmen würde, wäre es doch eine Annahme, die einem ein gewisses Wohlbehagen bereitet. Also sagen wir mal so: Ja, es war ein Dankeschön!

Sie waren wiederholt in dieser Region Europas (Anm.d.Red: Ankara, Moskau, Kischinow, Sarajewo) tätig. Wie haben Sie sich in den zirka 35 Jahren diplomatischer Tätigkeit verändert. Was haben Sie dazugelernt?

Das kann man selber am Allerschlechtesten sagen. Aber ich denke, dass ich mit den Jahren noch einmal an Respekt für die Menschen, mit denen ich in meinen Dienststellen und in den Gastländern zusammenarbeite, dazugewonnen habe. Dazu käme noch der Respekt für das, was überall geleistet wird, selbst in Ländern, die an vielem zu tragen haben: an ihrer Geschichte, ihrer derzeitigen Situation, ihrer wirtschaftlichen Lage.

Konsuln haben grundsätzlich zweierlei Aufgaben, Zum einen das Repräsentative, also das Image Deutschlands zu vermitteln und andererseits sind Konsuln oft Leiter einer Visastelle. Wie würden Sie ihren Job definieren? Wo können Sie sich hier und im Moment als Konsulin in Temeswar – ohne die Aufgaben einer Visastelle - einbringen?

Wir sind nun hier, in einer Zeit des Umbruchs, aus vielen Gründen. Da ist die Pandemie, die irgendwie alles bestimmt, was wir tun. Zum Beispiel die Überlegungen, die wir zur Feier des 3. Oktobers haben, das ist ganz klar von der Pandemie beeinflusst. Auch wie sich die Beziehungen zu staatlichen Institutionen, zu Vertretern der Wirtschaft gestalten – auch das hängt von der Pandemie ab. Ich hoffe, dass ich mit dazu beitragen kann, gute Dinge zwischen den beiden Ländern zum Laufen zu bringen. Und einfach ein Bild abzugeben, eines Deutschlands, das weltoffen zu Geschichte, zu Traditionen ist und mit großem Respekt für alles, was in seiner unmittelbaren und weiteren Nachbarschaft passiert.

Welche Aufgaben, die auf sie zukommen, werden Sie unter dem Prädikat „liebend gern“ angehen und welche sind eher ein Muss?

Ich will gerne zugeben, dass ich kein großer Kenner von Schulwesen bin. Das ist ja in jedem Land nochmal was ganz Besonderes. Da muss man einfach fragen und lernen, aber interessieren tut es mich schon, denn in den Schulen wird auch dieses Band geknüpft, was zum Beispiel alle Deutschsprechenden auf der ganzen Welt miteinander verbindet. Wenn ich nun von meinen Stärken spreche, dann sind es die, Menschen in allen Bereichen miteinander ins Gespräch zu bringen. Da ist es eigentlich nicht so wichtig, aus welchem Bereich das ist. Ob Wirtschaft, Kultur, Bildung oder Verwaltung. Es geht hier eher darum, zu beurteilen, ob es eine Sache ist, die sich gut entwickeln lässt, damit nicht immer nur dann etwas passiert, wenn das Konsulat es betreibt, sondern, dass wir einen Anstoß geben und die Menschen es selber betreiben. Man muss sich da auch nicht bis ins letzte Detail sachkundig machen, sondern nur ein gutes Verständnis dafür haben, was die Essenz des Problems und der Aufgabe ist.

Weil wir gerade die Schulen angesprochen haben: Wie wichtig sehen Sie deutsche Schulen und Studiengänge für den Austausch, für die Wirtschaft, für die bilateralen Beziehungen?

Die Sprache ist eminent wichtig für den allgemeinen Austausch. Sprache ist aber auch ein Zeugnis von Kultur, sie ermöglicht auch wirtschaftliches Handeln. Wir sind heutzutage – das muss man neidlos zugeben – alle in irgendeiner Form englisch gebildet. Unser Ehrgeiz ist natürlich, dass viele Leute den gleichen Impuls in Deutsch haben. Die deutsche Sprache ist ja in diesen Breiten sehr traditionsreich und wir bemühen uns natürlich mit all dem was Deutschland fördert und macht, dass wir diese Basis weiter intensivieren und unterstützen, wo es nur geht.

Ihre Aussage wird von einer Statistik widerlegt, die in der vergangenen Woche in der Banater Zeitung erschienen ist. Eine deutsche Nachrichtenagentur hat politische Parteien in Deutschland mit Chancen auf den Einzug in den Bundestag befragt. Es ging dabei um das Interesse für Auslandsdeutsche und um Interesse an der Förderung der deutschen Sprache und deutscher Bildung im Ausland. Die Umfragewerte sind für jeden Auslandsdeutschen ernüchternd. Wie bewerten Sie das?

Bei einer theoretischen Frage im Vorfeld einer Wahl ist das eine Sache, und wie es sich darstellt, wenn die Partei im Amt ist und dann auch tatsächlich Entscheidungen fällen muss, nach Konsultationen mit denjenigen, die mit der Sache zu tun haben, das ist noch mal eine andere Sache. Man muss schon sagen, dass im Moment vieles bestimmt wird durch die finanziellen Lasten, ganz besonderer Art, die wir zu schultern haben. Und dass man auch darüber nachdenkt, wo man dieses Los ein bisschen erleichtern könnte. Bildung und Kultur sind die allerersten Punkte, wo immer gleich gesagt wird ´das brauchen wir doch gar nicht´, oder ´das können wir ein bisschen geringer ausfallen lassen´. Aber ich denke, dass auch da nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Politiker aller Couleur entscheiden nicht nur vom Planungstisch her. Also aus dem hohlen Bauch heraus, sondern nach Konsultationen mit denen, die damit zu tun haben. Da wird es auch darauf ankommen, was man von der Seite derjenigen tut, die daran interessiert sind, dass hier Förderung von deutscher Sprache und Kultur im Ausland nicht in irgendeiner Form beschnitten wird. Heutzutage muss man viel mehr vertreten als früher, als Dinge selbstverständlicher waren. Man muss mehr für seine eigenen Interessen eintreten. Es ist eigentlich eine gute Möglichkeit, die Lage, wie sie derzeit hier ist, das Interesse an der deutschen Sprache, an deutscher Bildung ganz allgemein, tatsächlich so darzustellen, dass es trotz der möglicherweise bestehenden Streichungstendenzen in einem erträglichen Rahmen bleibt. Wobei wir jetzt beide spekulieren, denn wie die Wahl ausgehen wird, ist zum Glück noch nicht entschieden.

Sie leiten das einzige Berufskonsulat eines EU-Landes in Temeswar und Berufskonsuln haben eben einen Sonderstatus. Sie werden oft eingeladen, müssen überall Reden halten, stehen auch lange Zeit dem hiesigen Konsularkorps vor. Wie gerne stehen Sie im Rampenlicht?

Das ist mir nichts Fremdes, denn ich bin ja schon an vielen Orten im Rampenlicht gewesen. Von daher ist das für mich etwas Normales. Ich bin jetzt sicherlich nicht jemand, der, wenn er in einen großen Raum kommt, die Kamera sucht, aber sie macht mir auch keine Angst.

Temeswar hat einen deutschen Bürgermeister und 2023 trägt Temeswar den Titel einer Europäischen Kulturhauptstadt. Wollen Sie sich da sofort und ohne Umschweife implizieren oder nur dann, wenn sie um Rat oder Unterstützung gefragt werden?

Die Vergabe dieser Titel der Kulturhauptstädte sind Angelegenheiten der Stadt selber und des jeweiligen Landes. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn man den Titel vergibt und dann zuallererst daran denkt, wie Unterstützung von anderen kommen kann. Es geht ja um ein Konzept, das die Städte selber entwickeln und in dem sie einfach zeigen möchten, was für kulturelle Reichtümer und Möglichkeiten sie haben. Ehemalige Kulturhauptstädte konnten sich viel stärker in das europäische Bewusstsein verankern, als wenn sie diesen Titel nicht gehabt hätten. Wenn jetzt aber diejenigen, die in dieser Stadt etwas veranstalten, meinen, man könnte von Außen einen Input geben oder behilflich sein, dann ist das für uns eine große Chance, die Zusammenarbeit ein bisschen zu konkretisieren.

Glauben Sie, dieser Input sei hier durch die Tatsache erleichtert, dass Temeswar einen deutschen Bürgermeister hat?

Das kann ich im Moment nicht wirklich beurteilen, weil mir die Kenntnis fehlt, wieviel an Vorarbeit hier in der Stadt schon gelaufen ist und was auch die Stadt sich selber überlegt, wie sie das ganze fahren möchte. Natürlich ist es eine Besonderheit mit dem deutschen Bürgermeister. Das ist Europa! Unglaublich eigentlich! Wir möchten das ganze von unserer Seite so sachlich und so korrekt begleiten, wie es erforderlich ist. Wir möchten erst einmal sehen, was geplant ist und wo wir uns einbringen können. Der Umstand, dass der Bürgermeister aus einer deutschen Umgebung kommt, hat damit erst einmal wenig zu tun.