Europäische Freunde des Banater Berglands

Veronika Haring: Bewegte Tatsachen

Veronika Haring in Reschitza Foto: DFBB

Viele und sehr unterschiedliche Menschen sind mir im Laufe meiner europäischen Tätigkeiten begegnet. Darunter hebt sich eine Person hervor: Veronika Haring. Wann die erste Begegnung mit ihr war, kann ich nicht mehr genau nachvollziehen. Ein Absatz ihres Referates beim Minderheitentreffen zu Pfingsten 2009 im Karl Brunner Europahaus Neumarkt prägt die Begegnung bis heute: „Die slowenische Verfassung ist hinsichtlich der nationalen Minderheiten sehr restriktiv und beschränkt den Begriff auf die beiden verfassungsmäßig anerkannten Minderheiten - die italienische und die ungarische, die in einem genau festgelegten geographischen Raum leben, und auf die spezifische Gemeinschaft der Roma. Die Angehörigen anderer Völker genießen nur Individualrechte und können sich nicht auf den verfassungsmäßig anerkannten Status einer nationalen Minderheit berufen…“. So die „Angehörige anderer Völker“ Veronika Haring - sie gehört der deutschsprachigen Volksgruppe an.

Oftmals gehört und immer wieder bewegt mich ihre Geschichte, wie sie im Alter von 14 Jahren erfuhr, dass ihr Vater Deutsch-Untersteirer war. Ich zitiere: „...am ersten Schultag in der Berufsschule in Marburg verlas der Lehrer die Liste der anwesenden Schüler und meinte: Haring! Was machst du denn hier? Wer sind deine Eltern? Du bist ja eine Deutsche!“ Zu Hause wurde ihr erklärt, dass ihr Großvater in Graz geboren war und dass er mit der Großmutter, ebenfalls deutscher Abstammung, noch während der Österreichisch-Ungarischen Monarchie in die Windischen Büheln übersiedelte. Sie erfuhr, dass der Großvater am Isonzo für die Monarchie gekämpft hat. „Aber sei still und sag niemandem etwas!“

„Und da ich nun einmal eigensinnig bin“, erzählt sie, „wie es sich für einen Steinbock gehört, sagte ich mir, wenn ich schon an irgendetwas schuld bin, dann werde ich zumindest die Sprache erlernen“. Über das Arbeitsamt erfuhr sie, dass in Graz eine Stelle als Verkäuferin frei ist, bewarb sich bei der Firma Koch am Hauptplatz in Graz. Dort blieb sie zweieinhalb Jahre und lernte die deutsche Sprache. „Meine Cousinen und mein Bruder können bis heute kein Deutsch, ich habe die Sprache durch meine Arbeit erlernt“. 

Sie kehrte nach Marburg zurück und bekam eine Stelle bei Mladinska knjiga (Buch- und Papierwarenkette in Slowenien) in der Auslandsabteilung, beendete nebenbei die Mittelschule in Abendkursen. Ihre Zweisprachigkeit machte sie im Geschäft sehr begehrt…

„Es stört mich sehr, dass Menschen deutscher Herkunft mit den Ereignissen der Jahre 1941-1945 gleichgesetzt werden, ganz, als ob Slowenien nur auf diese eine Zeitspanne zurückblicken kann. Die Deutschen waren schon im VIII. Jahrhundert hier und schufen mit den Slowenen einen gemeinsamen Kulturraum! Immer wenn heute von der Geschichte der Stadt Maribor/Marburg die Rede ist, werden die Deutschen einfach ausgelassen. Noch 1919 sprachen 80 % der Marburger deutsch. So ist die Behauptung verwunderlich, dass wir in Slowenien nicht als Minderheit anerkannt werden können. Ich schätze, dass wir so viele sind wie die italienische Minderheit, zwischen 3.600 und 3.800...“.

Brücken

2000 hat sie eine Idee durchgesetzt und den Kulturverein deutschsprachiger Frauen „Brücken“ in Marburg gegründet. Es ist ihr gelungen, Vereinsräume in der Barvarska ulica zu erwerben und iat als Vorsitzende sehr stolz, dass es bald dem Verein gelungen ist, sich in das kulturelle Leben Marburgs einzubringen. Die Veranstaltungen des Vereines erwarben Anerkennung in der Stadt an der Drau, auch unter der slowenischen Bevölkerung.

Zu einer der wichtigsten Aufgaben zählt die Förderung der Koexistenz der slowenischen mit der deutschen Kultur, die in Marburg jahrhundertelang kreativ miteinander verflochten waren. So gelingt Pflege des deutschen-untersteirischen Anteils an der kulturellen Überlieferung Marburgs in Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen der Stadt. Der Verein „Brücken“ arbeitet vielfältig: Deutschkurse für Erwachsene und Kinder, eine Literaturgruppe und ein Malerkreis, der seine Werke jährlich bei der Veranstaltung „Lebendige Höfe – Živa dvorišča“ in historischen Höfen der Marburger Altstadt präsentiert.

Aktive Teilnahme von Schülern und Kindergartenkindern am von der „Deutschen Vortragsreihe Reschitza“ initiierten Wettbewerb „Kinder malen ihre Heimat“, wie auch die Zusammenarbeit mit anderen Volksgruppen steirischer Herkunft, den Berglanddeutschen im rumänischen Banat - ein kultureller Austausch. Die Literaturgruppe der „Brücken“ stellt jährlich ihre Werke bei den „Deutschen Literaturtagen in Reschitza“ im Banater Bergland vor.

2010 wurde der Hugo-Wolf-Kammerchor gegründet, der nicht nur das musikalische Erbe des aus Windischgraz (Slovenj Gradec) stammenden Komponisten Hugo Wolf pflegt, sondern auf dem Gebiet der geistlichen Chormusik bereits einen international bedeutsamen Preis errungen hat - das Goldene Diplom beim 9° Concorso Corale Internazionale 2011 in Riva del Garda, Italien, auch eine CD von beachtlicher Qualität produzierte. Die untersteirische Volkstanzgruppe aus den Windischen Büheln bereicherte die Europatag-Veranstaltungen der Europäischen Föderalistischen Bewegung Steiermark.

Veronika Haring ist es als Obfrau des Kulturvereines deutschsprachiger Frauen „Brücken“ gelungen, in Marburg, einer Schwesterstadt von Graz, untersteirisches Erbe zu bewahren und Brücken über nationale Grenzen hinweg zu schlagen. Die Auszeichnungen, wie die von der Gemeinschaft der Marburger Kulturvereine, das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark, das Goldene Ehrenzeichen für die Verdienste um die Republik Österreich und der hohe europäische Orden „Mérite Européen“ sind wohlverdient.

Christa Hofmeister, Feldbach