Filmerlebnis heute

Freilichtkino, Drive-in-Kino und Streamingdienste

Digitale Werbeplakate, Cola-Pappbecher im XXL-Format und ebenso große Popcorn- oder Tacos-Portionen, die das Salz und den Pfeffer ausmachen sollten, sodass dem 3D- oder 4D-Erlebnis auch der Geschmack hinzukam: So war „Cinema“ bis vor Kurzem. Das Filmerlebnis teilte man meistens zu zweit oder auch in der Gruppe, wobei damit auch eine ganze Klasse Schüler oder eine Gruppe Geburtstagsgäste gemeint war. Filmerlebnis zu Hause war und bleibt anders. Was hat sich verändert und was hat sich verstärkt beim Filmerlebnis in der Pandemie?

Zum einen haben nach dem Wiederöffnen die Kinos keine Chance gehabt, denn das Drinnen der kleinen, unbelüfteten Räume ist keine gute Prämisse für die Wiedereröffnung. Dafür haben Freilichtkinos – auch wegen des Sommers – Konjunktur. Eine Mall in Temeswar bot Mitte Juni in seinen Gärten (dort „gardens“ genannt) Filme an, sozusagen „Outdoor Cinema“. Ebenfalls im Garten, diesmal des Französischen Instituts (also: „jardin“), auch am vorvergangenen Wochenende einige der Filme gezeigt worden, die im Rahmen des Festivals „Humor-à-la-française-Tage bei Ceau, Cinema!“ ausgestrahlt wurden. Ebenfalls diesem Zweck diente das klassische Freilichtkino („Grădina de vara“, der „Sommergarten“), das bereits viele Generationen erfreut hat, in der Stadtmitte, hinter dem Capitol-Gebäude der Temeswarer Philharmonie „Banatul“. Vielleicht wird es jetzt noch klarer, dass das Freilichtkino (und die –bühne) nicht genug verwendet werden und besser und mehr benutzt werden sollten.

Denn es gibt wohl kaum einen Temeswarer, der die Atmosphäre nicht mindestens einmal empfunden hat: laue Sommerabende, Großleinwand und eine kuschelige Atmosphäre des Films unter dem Sternenhimmelszelt, eines Films, der so ganz anders als im Saal erst gegen 22 Uhr anfing, also dann, wann der Saal geschlossen hatte, um die Dunkelheit mit ins Boot zu nehmen.

Auch die Drive-in-Kinos, die man aus amerikanischen Oldies kennt, James-Dean-Generation etwa, haben ein Comeback erfahren, das man den Enkeln der Hollywood-Größe nicht zugetraut hätte. (Das erste Drive-in-Kino soll es bereits 1933 in den USA gegeben haben, die Blütezeit liegt jedoch in den 1950ern und 1960ern). Leider gibt es keine Initiative dieser Art in der Region, dafür haben Nachrichten aus Jassy über solche Initiativen uns erreicht. Und aus anderen Ländern. Was so „old“ und „out“ schien, ist wieder einmal „in“. Auch die Banater würden sich auf ein Autokino freuen.

Und mehr denn je ist das Filmerlebnis von zu Hause „in“ und zwar nicht mehr nur vor dem TV oder immer weniger vor dem TV und immer mehr in Streaming-Services. Diese sind der beste Freund während der Pandemie geworden. Was ist anders? Zum einen die Auswahl, damit können TV und Kino nicht herhalten und damit der Preis, wenn man sie intensiv nutzt, dann ist es erst recht günstig. Zum anderen gibt es keine Werbung, anders als im TV, wo man ständig der Handlung entrissen wird, oder auch im Kino, wo die Werbung zwar nur am Anfang stört, aber immerhin. Zum dritten kann man sich die Uhrzeit auswählen (morgens nach dem Aufstehen, abends, nachts, sagt eine Freundin, die Schlaflosigkeitbeschwerden hat und mit zwei-drei Episoden einer Action-Serie darüber hinwegkommen will – ob das wirklich klappt?). Zum vierten ist es, dass man aufhören kann und wiederaufnehmen, wann man will, das ist sogar besser als bei den DVDs oder BlueRays, da weiß der Streamigndienst auf die Sekunde genau, wo man aufgehört hat, auch Tage später.

Außerdem: Meine Kinder haben sehr gut Englisch gelernt, meint eine Bekannte, deren zwei Kinder – 10 beziehungsweise 3 Jahre alt – Zeichentrickfilme über den Streamingdienst schauen. Denn: man kann Sprachen auswählen (mehr als auf der DVD oder auf Blue Ray). Und außerdem: man kann Audio und Untertitel in verschiedenen Sprachen mixen. Sicher, das machen wohl nicht viele, vor allem nicht diejenigen, die entspannen wollen.

Wer schon eine persönliche Erfahrung mit dem Streaming-Service vor der Pandemie hatte, wird zugeben müssen, dass diese intensiver während der Pandemie geworden ist. In noch einem Fall punkte der Streaming-Service im Vergleich zu anderen Filmerfahrungen; es ist jedoch ein Punkten für den Anbieter, nicht unbedingt auch für den Zuschauer: Man kann auch süchtig werden. Denn nicht nur Filme werden angeschaut, sondern vor allem Serien werden verschlungen.

Man erinnere sich hier im Banat an die damals als „Marathon“-Abende bezeichnete Nächte, die man vor der Wende, auf den serbischen Kanälen verbrachte, die man empfangen konnte, und für die man auf Schreibmaschinen getippte Programme bekam. Es gab viele amerikanische Filme darunter und man brauchte nur Englisch zu verstehen (lediglich die Untertitel waren auf Serbisch) und Zeit haben samstags auf Sonntag, nachts, um Filme zu verkosten, die man in einer der dunkelsten Etappen des rumänischen Kommunismus nicht sehen konnte. Jetzt sind es meistens auch die Wochenenden, vor allem die regnerischen, die dafür herhalten: Episode nach Episode werden verschlungen, die Staffeln enden immer mit einem Trick, so dass der Viewer die nächste unbedingt sehen muss. Trickreich sind sie, denn sie werden so geplant, Drehbücher so geschrieben, geändert und Filme so gedreht, damit sie dem von der Streaming-Plattform genau analysierten Geschmack der Zuschauer entsprechen. Sie sind sozusagen auf diesen Geschmack geschneidert.

Was man noch einwenden kann: Dass viele Serien, die noch weitere Folgen haben sollten, eben wegen der Pandemie nicht gedreht werden konnten und deshalb den Zuschauer hungernd vor dem Monitor lassen. Und noch eines stört ein bisschen ab und zu: Dass der Konsum so stark analysiert wird, dass es beim nächsten Film, der einem vorgeschlagen wird steht: eine 96-prozentige Übereinstimmung (gemeint ist der eigene Geschmack mit den Kennzeichen des Films). Da fühlt man sich irgendwie… ertappt.