Fußballclub UTA Arad vor 75 Jahren gegründet

Geburtstagsbrief an eine alte Dame (I)

Liebe UTA,

obwohl Du älter bist als ich und eine „alte“ Dame, erlaube ich mir Dich zu duzen. Schließlich kennen wir uns nun schon so lange Zeit.

Einen Teil Deines Weges sind wir zusammen gegangen – durch dick und dünn! Zuerst habe ich Dich als Fan begleitet und später als Journalist. Jedes Mal nahm ich weite Strecken und viele Strapazen in Kauf. Um mit Dir zu jubeln, zu feiern, zu trauern, zu genießen. Mit anderen Worten: Um einfach glücklich zu sein.

Dabei haben wir uns immer bestens verstanden. Böse war ich nie auf Dich. Wozu auch? Schließlich hast Du mir unzählige schöne Stunden bereitet. Momente der Glückseligkeit und der Euphorie. Vergangen, vorüber – aber unvergessen!

Wie damals vor bald einem halben Jahrhundert. Als Du im zarten Alter von 25 Jahren für eine der bis dahin größten Sensationen nicht nur im europäischen, sondern im Weltfußball gesorgt hast – mit dem Rauswurf des amtierenden Europapokalsiegers der Landesmeister und frisch gebackenen Weltpokalsiegers Feyenoord Rotterdam! Ja, Du hast tatsächlich Feyenoord ausgebootet. Fast 50 Jahre später kann ich es immer noch nicht fassen. Nicht nur Rotterdams berühmte österreichische Trainerlegende Ernst Happel rieb sich damals verwundert die Augen. Er wollte es einfach nicht wahrhaben. Gott hab' ihn selig....

Arad, das Banat, ach was – ganz Rumänien lagen Dir zu Füßen. Ein Mythos war geboren. Ein Stern am rumänischen Fußballfirmament aufgegangen.

Wir schwebten mit Dir im siebten Himmel. Du gabst unseren kühnsten Träumen freien Lauf. Wir träumten und träumten und träumten. Und wollten gar nicht mehr aufhören zu träumen. Weil es einfach zu schön war.

Mit meinen elf Jahren verliebte ich mich damals auf Anhieb in Dich. Daraus sollte eine Liebe fürs ganze Leben werden. Natürlich hattest Du es nicht nur mir angetan. Sondern auch vielen anderen Landsleuten – Banater Schwaben so wie ich. Das lag wohl daran, dass in Deinen Reihen so manche von ihnen kickten, viel, viel mehr als bei Deinem Erzrivalen und Nachbarn Poli Temeswar. Stellvertretend möchte ich nur einige erwähnen. Wie den Wunderfußballer Josef Petschovszky. Den eleganten Hans Reinhardt. Den genialen Denker und Lenker Ladislaus Brosovszky. Das Laufwunder Erhard Schepp. Den Rekordtorhüter Helmuth Duckadam. Den Alleskönner Josef Leretter, der ausgerechnet von Poli zu Dir gewechselt war. Oder neuerdings den technisch versierten Albert Stahl. Sie waren und sind welche von uns. Und deshalb konnten wir uns mit ihnen auch so stark identifizieren. Ihre Freude war unsere, genauso wie ihre Trauer die unsere war.

Wie es im Leben so kommt: Die Jahre zogen ins Land. Die Zeit raste mit Siebenmeilenstiefeln davon. Und viele von uns zogen in andere Gefilde. Weit weg von Arad, weit weg vom Banat, weit weg von unserer alten Heimat. Wir kamen in eine neue und fremde Welt, aber Du bliebst immer in unseren Herzen erhalten. Unsere Herzen schweben mit Dir. Denn alte Liebe rostet nicht.

Deshalb weckst Du unser Interesse nach wie vor. Aus der Ferne gibt es nicht wenige, die sich für Deine Ergebnisse interessieren. Denn „unsere“ UTA war, ist und bleibt viel mehr als nur eine Fußballmannschaft: Du bist eine wunderbare Mischung aus beispielhaftem Fairplay, unnachahmlicher Eleganz und lebendiger Kunst. UTA – das sind drei Worte mit magischem Klang. Nicht nur in Rumänien weiß jeder, wer damit gemeint ist. Und das will in unserer schnelllebigen Zeit etwas heißen.

Natürlich sind die vielen Jahre auch an Dir nicht spurlos vorbeigegangen. Und an uns ebenfalls nicht. Aber im Herzen sind wir alle jung und die gleichen UTA-Bewunderer geblieben.

Als Journalist erinnere ich mich gerne an die vielen Interviews mit Deinen Spielern, Funktionären und Trainern. Wie jenes mit dem legendären Fußballlehrer Coco Dumitrescu. Er war als einziger an all Deinen acht Titelgewinnen beteiligt: sechsmal als Spieler und zweimal als Trainer. Einzigartig! Eine Legende bereits zu Lebzeiten. Damals saßen wir in Deinem altehrwürdigen Trophäenzimmer an einem großen Tisch, auf dem Dein erster Meisterpokal stand. Direkt neben mir saß der große Dumitrescu. Was für eine Ehre! Auch ihn hab' Gott selig...

Manchmal sitze ich in Gedanken auf der kleinen, aber feinen Pressetribüne in Deinem früheren schmucken Stadion, das bei Deinen Spielen meistens aus allen Nähten platzte und das lange Zeit als das schönste in ganz Rumänien galt. Ich spüre auch jetzt noch das Prickeln auf der Haut, wenn es auf Biegen und Brechen ging. Den wohligen Schauer, wenn Deine Tore fielen. Den Glückstaumel bei Deinen vielen Siegen. Das süße Gefühl des Triumphes. Und die tiefe Niedergeschlagenheit, wenn Du mal verloren hast.

Leider gibt es Dein früheres Zuhause schon seit sechs Jahren nicht mehr. Aber Dein neues ist im Entstehen begriffen. Es wird größer und schöner als das ehemalige und eine moderne Pressetribüne haben. Aber ob es auf ihr genauso urig und heimelig sein wird wie damals? Ich wage es zu bezweifeln...

Vielleicht wird sich beim Lesen dieser Zeilen so mancher fragen: Darf ein Journalist gleichzeitig auch Anhänger einer Mannschaft sein? Meine Antwort: Journalisten sind auch nur Menschen. Das ist in Rumänien so und in Deutschland nicht anders. Hier schreibt ein bekannter altgedienter Journalist in der größten europäischen Sportzeitschrift „Sportbild“ eine wöchentliche Kolumne unter dem Titel „Meine Bayern“. Was für ihn seine Bayern sind, bist Du für mich „Meine UTA“. Ich schreibe keine Kolumne. Mir genügt dieser sentimentale, nostalgische und emotionale Geburtstagsbrief, in dem ich all das ausdrücke, was ich für Dich empfinde: Sympathie, Zuneigung, Respekt, Bewunderung, Wertschätzung und Hochachtung. Die Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen. Aber dafür ist der Platz viel zu klein.

Du hast meine Lobesworte redlich verdient. Sechs Meistertitel und zwei Pokalsiege sprechen eine deutliche Sprache. Verständlich, dass Du immer noch die erfolgreichste rumänische Provinzmannschaft aller Zeiten bist. Eine Erfolgsbilanz, die ihresgleichen sucht!

Wahre Freunde kennt man in der Not. Auch in Deinem Falle hat dieser Spruch seine Gültigkeit bewahrt. Ganz besonders möchte ich mich bei Dir für Deine Hilfe bedanken. Als ich nach dem Tode meiner Mutter in ein tiefes Loch fiel. Da warst auch Du es, die mich wieder ins Leben zurückgeholt hat. Indem ich mich langsam wieder für Deine Ergebnisse, Tore und Punkte zu interessieren begann. So konnte ich diese schwere Zeit überwinden. Das werde ich Dir niemals vergessen. Und immer ganz hoch anrechnen. Ob Trauer oder Freude – wir waren immer gute Freunde. Wie sang einst Fußballkaiser Franz Beckenbauer? „Gute Freunde kann niemand trennen.“ In unserem Fall wird es auch in Zukunft so bleiben. Versprochen!

(Fortsetzung folgt)