FWF-Forschungsprojekt an der Karl-Franzens Universität Graz:

„Personalmanagement in einer neuen Provinz. Das österreichische Banat (1716-1753)“ (I)

Das Gebäude des Fachbereichs für Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz, wo der Haupsitz der Forschungsstelle ist, die sich jüngst mit der Beamtengeschichte des Banats auseinandergesetzt hat, die Thema unseres Gesprächs mit Vasile Ionuț Roma ist. (Foto: I.V.Roma)

In Karansebesch 1983 geboren, in Slatina Timiș aufgewachsen, besuchte Vasile Ionuț Roma das Temeswarer „Gerhardinum“ und anschließend die West-Universität (Geschichte-Deutsch) und ein Doktoratstudium an der Grazer Karl-Franzens-Universität, wo er gegenwärtig seinen Doktor bei Pof. Dr. Harald Heppner macht. Dieser Tage schloss er, im Team mit Prof. Heppner und Dr. Sabine Jesner, eine fürs Banat aufschlussreiche Forschungsarbeit ab, über welche Werner Kremm mit ihm ein Gespräch führte, das wir in der BZ in drei Folgen veröffentlichen.


Wie sind Sie auf dieses Forschungsthema gekommen?

Die Initiative des Forschungsprojekts zum habsburgischen Personalmanagement in Banat in der Zeit 1716-1753 gehörte nicht mir, sondern Univ. Prof. Dr. Harald Heppner. Er bildete das Forschungsteam und gab die Impulse zur Aufstellung eines Forschungskonzepts. Dieses Konzept entstand nicht von heute auf morgen. Es reifte erst nach langer Vorbereitung, in der die existierende Fachliteratur zur Banater Landesadministration ausgewertet wurde.  Die Erkenntnisse der Literaturrecherche wurden in regelmäßigen Treffen in einem Arbeitsraum des Fachbereichs für Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie der Karl-Franzens-Universität Graz besprochen, und das Forschungsteam stellte bald fest, dass es Nachholbedarf im Bereich des „Personalmanagements“ gibt oder, anders formuliert, aus den Studien ging vieles über die Etablierung der habsburgischen  Administration in Banat, über die Strukturen, die Leitfiguren hervor, aber zu wenig über die Menschen, die hinter diesen Prozessen standen und die Arbeitsvorgänge ausführten. Das sollte sich durch dieses Projekt ändern.

Aus wem bestand das Forschungsteam, welche Rolle spielte dabei Prof.  Heppner?

Das Forschungsteam bestand aus dem Projektleiter, Professor Heppner, und zwei Mitarbeitern: Das waren Frau Dr. Sabine Jesner und ich. Wir sind Absolventen der Karl-Franzens-Universität. Zu unseren Besprechungen kam zunächst auch der Medienhistoriker Dr. Andreas Gollob, der unser Vorhaben mit wertvollen Ideen unterstützte. Aus den Vorbereitungen wurde ein Antrag an den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), die zentrale Forschungsförderungseinrichtung in Österreich. Für die formalen Angelegenheiten stand uns das Forschungsmanagement und -service der Universität Graz (Dr. Karin Kusterle) zur Seite. Unser Antrag wurde am 24. November 2014 genehmigt und das Projekt nahm am 12. Januar 2015 seinen Lauf. Danach führten meine Projektkollegin und ich Recherchen in den Staatsarchiven in Wien, Budapest und Temeswar durch, werteten Quellen aus, nahmen an Tagungen teil und publizierten Studien. Professor Heppner übernahm die Koordination, gab uns Ratschläge und stand uns in vielen Angelegenheiten bei. Er hat sich um die Kooperationen gekümmert, Tagungen organisiert und die Umsetzung unserer Forschungsergebnisse im universitären Unterricht vorbereitet. Professor Heppner wird die Ausarbeitung eines Buchkapitels für die Publikation zum Personalmanagement übernehmen.

Inwieweit könnte das Thema für heutige Verwaltungen in den Nachfolgestaaten des Habsburgerreichs Relevanz haben?

Unsere Ergebnisse haben in erster Linie einen wissenschaftlichen Mehrwert, denn sie erfüllen das wissenschaftliche Desiderat, neue Erkenntnisse hervorzubringen und bestehende Lücken zu füllen. Inwiefern das Thema für die Verwaltungen in den Nachfolgestaaten von Relevanz sein kann, kann ich nicht beurteilen, denn wir sprechen hier über verschiedene Gesellschaften und verschiedene politische Systeme. Ich bin mir bewusst, dass viele Ideen der Zeit, die unter den damaligen Voraussetzungen die Wohlfahrt des Staates zu versprechen vermochten und auch die damaligen Methoden, all das in die Wege zu leiten, in der heutigen Gesellschaft nicht anwendbar wären, da sich die Umstände, die Visionen und die sozialen Bedürfnisse grundlegend geändert haben. Es gibt auch einen anderen Zugang zur Politik. Aber es gab damals Praktiken, die heute noch in der Verwaltung angewendet werden und es ist wichtig, nach den Wurzeln dieser Praktiken zu fragen. Das Thema könnte eine rein historische Relevanz haben und vermag einige Facetten der späteren Entwicklungen zu erklären. Es ist erstaunlich, wie viel von dem, was wir heute mit den Begriffen Verwaltung und Bürokratie verbinden, im 18. Jahrhundert selbstverständlich war. Ursprünglich, während der Literaturrecherche, sah es so aus, in Ermangelung gedruckter Rechtstexte, die erst später, in der Zeit Josefs II. ansetzen und mit der Epoche Franz II. an Volumen gewinnen, dass es in früheren Zeiten an regulierten Prozessabläufen mangelte. Wir wollten wissen, ob das stimmt oder ob sich gewisse Grundzüge einer Bürokratie, wie wir sie aus späteren Zeiten kennen und wie sie uns heute geläufig sind, sich zumindest ansatzweise in den früheren Akten zeigen. Sind amtliche Prozesse, vertragliche Verhältnisse zwischen dem Staat als Arbeitgeber und den Beamten als Arbeitnehmern, Einsatz von Fachpersonal, Entlohnung nach Arbeitspensum, Arbeitstrennung, Arbeitsvorschriften, Arbeitszeiten und Freizeiten, Urlaubsmöglichkeiten, Aufstiegsaussichten und Pensionen nur neuere Erscheinungen, haben wir uns gefragt? Natürlich gab es das auch im 18. Jahrhundert und das ist im Falle des Banats besonders sichtbar, wo die Habsburger freie Hand hatten, eine Verwaltung nach eigenen Vorstellungen einzurichten. Im Banat gab es nach dem Abzug der osmanischen Funktionäre keine Stände, die dazwischen- oder dagegenreden hätten können, und das machte die Durchsetzung von Ideen leichter. Während der Archivrecherchen stellte sich heraus, dass es im Banat Budgetplanungen, Organigramme, Arbeitsvorschriften etc. und standardisierte Prozessabläufe gab. Viele Praktiken beruhten auf älteren Traditionen, die auch in Wien angewandt wurden. Die Beamten wurden im Rahmen von Bewerbungsverfahren aufgenommen, die in gewissen Branchen heute noch sichtbar sind. Es gab Arbeitszeiten, Freizeiten nach Dienst und Ferien. Es gab Urlaube, wo man Privatangelegenheiten erledigen, die Eltern daheim besuchen oder wo man im Krankheitsfall auf Kur gehen konnte. Es gab fixe Löhne, die nach Arbeitspensum erhöht werden konnten, Gehaltszulagen und Pensionen, auch Begräbnis- und Nachfolgebeihilfen. Die Beamten zahlten Taxen. Die Finanzbeamten hafteten für die Richtigkeit ihrer Rechnungen. Bei Versetzung oder Dienstende konnten Dienstzeitbestätigungen „über die gute Verwendung“ ausgeteilt werden. Es war außerdem spannend, herauszufinden, wer die habsburgischen Beamten waren, woher sie kamen und wie sie rekrutiert wurden, was für eine Ausbildung sie hatten, welche Erwartungen an sie gestellt wurden, was für eine Motivation sie hatten, ins „fremde“ Banat zu gehen, welchen sozialen und familiären Hintergrund sie hatten und wie sich der Dienst auf ihr Leben auswirkte, welche Kompetenzen sie hatten, wie sie miteinander und den Einheimischen kommunizierten und arbeiteten. Es gibt natürlich noch viele Aspekte, die angesprochen werden könnten, wie z.B. ihr Aufgabenspektrum oder die territoriale Streuung ihrer Stationen, von denen es heutzutage fast keine sichtbaren Spuren mehr gibt. 

Wie kann man Ihre Erkenntnisse den überall existierenden Ausbildungsinstituten der (höheren) Beamten der Nachfolgestaaten übermitteln?

Unser Projekt hat auch eine bildungsrelevante Bedeutung. So war es uns beispielsweise ein Anliegen, einen Teil unserer Erkenntnisse im Rahmen einer Lehrveranstaltung an Studierende der Karl-Franzens-Universität weiterzugeben, und in der kommenden Zeit ist ein Workshop an der Westuniversität Temeswar angedacht. Das Ganze soll auch den Studenten im Banat zugutekommen. Das wird aber erst nach dem Projektabschluss durchsetzbar sein. Eine Dissemination der Erkenntnisse an Verwaltungsschulen in den Nachfolgestaaten war in unserem Projektantrag nicht vorgesehen, obwohl das sicher nicht schaden könnte.

Wie musste ein guter Beamter des Habsburgerreichs im 18. Jahrhundert sein?

Diese Frage muss ich kurz einleiten. Die habsburgische Landesadministration im Banat unterstand seit 1718 der Neoaquistischen Kommission, die Personal der Hofkammer (die wirtschaftlichen Leitstelle der Monarchie), der Universalbankalität (eine Art Staatsbank), des Hofkriegsrats (die militärische Oberstelle) und des Generalkriegskommissariats (das logistische Befugnisse hatte) vereinte. Nachdem der Auflösung dieser Kommission (1745), übernahm die Hofkommission in Banaticis, Transsylvanicis und Illyricis ihre Kompetenzen. Schauen wir uns die Referate dieser Kommissionen an, so kann man die Erwartungshaltung der Hofstellen und des Staatsoberhauptes an die Beamten sehen.

(Bearbeitung: W. Kremm; Fortsetzung in unserer nächsten „Banater Zeitung“)