Heimatgeschichten in Mundart verfasst

Nikolaus Tullius: Gschichte vun drhem. Mit einem Geleitwort von Herwig Stefan und einer Einleitung von Hans Gehl. Nachwort von Helen Alba. Cosmopolitan Art Verlag, Temeswar 2017.

Das kostenlos vertriebene Buch wurde mit der finanziellen Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung Rumäniens vom Demokratischen Forum der Deutschen in Temeswar herausgegeben, für die Helen Alba und Dagmar Şiclovan besonderer Dank gebührt.

Der aus dem Banater Alexanderhausen stammende und seit 56 Jahren in Kanada lebende Verfasser, Nikolaus Tullius, hat in diesem Buch Erzählungen, Erinnerungen und Geschichten in seiner Heimatmundart festgehalten: Es sind meistens von Nostalgie durchdrungene Texte, die eine untergegangene Welt (s)eines Banater Dorfes gefühlvoll, aber auch heiter aus seiner, wie auch aus den Erinnerungen vieler Leser vergegenwärtigt.

Die Textsammlung ist von autobiografischen Ereignissen geprägt: Nach der Gefangenschaft seines Vaters und der Deportation seiner Mutter in die Sowjetunion wächst der junge Schwabe bei der Großmutter auf, pendelt in der Lyzeumszeit täglich nach Temeswar, wo er nachher auch das Studium für Elektrotechnik erfolgreich abschließen konnte. Doch ein weiterer Schicksalsschlag – der Tod der Großmutter – hat Nikolaus Tullius veranlasst, die Ausreise zu seinem Vater nach Kanada anzustreben, was ihm 1961 auch tatsächlich gelungen ist. Die anfänglichen Eingliederungsprobleme in der transatlantischen neuen Heimat, die Weiterbildung und schließlich die beruflichen Erfolge in einem kanadischen Telekommunikationskonzern, sowie die Sicherheit im Schoße seiner gegründeten Familie ermöglichten es, den Verfasser auch literarisch tätig werden zu lassen. Der Roman seines Lebens „Vom Banat nach Kanada“ (2011) ist inzwischen auch in englischer und rumänischer Sprache erschienen.

Die hier vorliegenden Mundarttexte sind zum Teil in der Münchner Banater Post und in der Temeswarer Banater Zeitung/Wochenbeilage der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien erschienen.

In seiner Einführung unterstreicht Hans Gehl unter anderen: „Es war eine gute Entscheidung des Autors, eine Auswahl seiner Mundarttexte in einem Sammelband zu vereinigen und seinen Lesern vorzulegen. Es ist der Höhepunkt in seiner schriftstellerischen Arbeit. Zudem ist es ein literarischer Gedenkstein für sein Heimatdorf.”

Über dieses und seine Entstehung geht der Verfasser in verschiedenen Texten ein: Die Wiener Stroß (Straße), Pakatz. Als ehemaliger Messdiener beschreibt Tullius in mehreren Texten die Kirche (Die Kerch im Rondell), treffsicher den Komplex Kirche und Umgebung und geht auf manche damit im Zusammenhang überlieferten Geschichten ein: Wie der Hutt uf die Kerch kumm ist.

Dörflichkeiten und damit verbundene Geschichten historischer Natur sind für den Leser ebenfalls von Bedeutung, wie z.B. Die Schandrhaaser Dorfbrunne, Die Miehl, Elektrifizierung, Soldategräwer an der Hanfkaul. Als einer, der selbst das Geigenspiel erlernt hatte, behandelt der Verfasser in einigen Texten das Thema Musik im Dorf. Und wie sich in jedem Dorf auch lustige Begebenheiten zugetragen haben, spart Tullius auch diese nicht aus, wenn er in Texten wie Gummiflinte un Schandare, Ufm Maulbierebaam, Ufm Mischthaufe auf solche näher eingeht oder wenn er die Bubenstreiche aus seiner Kindheit mit viel Humor behandelt. Auch traurige Begebenheiten haben in das Mundartbuch Eingang gefunden: Sich erre (irren) is leicht, vrzeihe is schwer oder So jung wie heit…Trinke mer noch eene!

Wehmut klingt aus dem Text: Wie‘s war und net hätt kenne bleiwe, einer untergegangenen Welt nachtrauern und diesbezüglich stellt der Autor fest: „Wann mer jung is, is mer reich, sogar in arme Zeite. Mer muss awwr alt (werre), for des so richtich zu begreife".

In mehreren Texten tritt an deren Schluss die nostalgische Feststellung auf, wie etwa: Mir Alde denke awwr gere an die alte Zeite, wu alles eenfacher war und die Mensche villeicht doch mehr zufriede ware wie heit – eine fast philosophische Aussage.

So erscheint es fast logisch, dass vor den Bildern aus Schandrhaas, am Schluss des Bandes, der Autor nach Ferdinand Raimunds „Hobellied“, eine Mundartversion desselben veröffentlicht, die folgender Maßen ausklingt: Un kummt am End der Sensemann/ Un saat: „Dei Zeit ist rum!“,/Dann stell ich mich am Anfang dumm,/ Weil ich nix heere kann./ Doch saat er: „Lieber Nikolaus,/mach doch ke Umständ, geh!/ Dann schmeiß ich gleich mei Howwel hin/ Un saa dere Welt:Adje!

Obwohl die gebrauchte Sprache einfach und allgemein verständlich ist, sollte man auch einiges zwischen den Zeilen nicht übersehen: Viele Weisheiten, gutgemeinte Ratschläge aber auch philosophisch anmutende Äußerungen werden behutsam an den Leser heran getragen.

Es ergibt sich eine scheinbar leichte Lektüre, die jedoch tiefsinnige, anregende Gedanken vermittelt sowie eine historische Führung durch ein Banater Dorf gestaltet und dessen Menschen ein bescheidenes Denkmal setzt, das Jahrzehnte überdauern wird.

(Redaktionell gekürzt von Laura Fărcaș-Nedelcu)