Hochleistung von der Wohnzimmercouch

Nicht jeder darf jedoch ins Home-Office

Stube statt Stau: Immer häufiger dürfen Software-Entwickler ihren Job auch von zu Hause versehen.

Wenn die Technik stimmt, ist auch in Rumänien gehobener Mehrwert möglich.
Symbolfotos: Zoltán Pázmány

Die Arbeitnehmer in Rumänien sind EU-weit am häufigsten gezwungen, sich im Büro aufzuhalten, um ihren Job zu versehen. 81 Prozent der Mitarbeiter von KMU sind in dieser Situation, im Vergleich zu den Norwegern, die mit 51 Prozent am wenigsten an den Arbeitsplatz gebunden sind. Dies geht aus einer Studie von Ipsos Mori, für Microsoft erstellt, hervor. Die Arbeitnehmer in rumänischen KMU legen der Studie nach den größten Wert auf einen sinnvollen Ausgleich zwischen Job und Privatleben. Trotz dieser deutlich längeren Zeit am Arbeitsplatz ist die Produktivität der rumänischen Arbeitnehmer gesunken und liegt am unteren Level in der Europäischen Union. Mit 5,6 Euro pro Stunde sei die Produktionsleistung in Rumänien im Jahr 2013 sechsmal niedriger gewesen als im EU-Durchschnitt, so Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat.

 

Altes Sprichwort ist hochaktuell

Deutschsprachige Unternehmer, die in Temeswar Firmen leiten bzw. inne haben, passen ihre Jobstrategie den Gegebenheiten an und nutzen gleichzeitig auch das Potenzial der neuen Medien. Vor allem in der IT-Branche sind flexible Arbeitszeiten und sogenannte Home-Office-Arbeit immer verbreiteter. Ein guter Ausgleich zwischen Arbeits- und Freizeit, Produktivitätssteigerung, aber auch die Vermeidung des Berufsverkehrs standen im Fokus der Planungen bei vielen Firmen. Nicht überall ist jedoch eine Arbeit mit dem Lap-Top von zu Hause aus möglich. Sarah Vaas, Geschäftsführerin der Alu-Metall-Guss in der Temescher Kleinstadt Detta, wies auf Nachfrage der BZ hin, dass in ihrem Betrieb ein Job fern des Arbeitsplatzes nicht möglich sei. Die Arbeitsleistung sei jedoch – zumindest in ihrem Betrieb – nicht im Einklang mit der Eurostat-Statistik: „Die rumänische Arbeitsleistung ist mit der westeuropäischen absolut vergleichbar.“

Michael Bullert, Geschäftsführer der Firma Syonic sagt, „für mich ist Anwesenheitszeit nicht gleich Arbeitszeit.“ Trotzdem gesteht er, dass flexible Arbeitszeiten und Arbeit außerhalb des Büros nicht für jeden gut sind. „Es bedarf einer hohen Eigendisziplin, in einem Home-Office die gleiche Produktivität wie im Büro zu erzielen.“ In dem von ihm geleiteten Unternehmen, das sich mit medizinischer IT beschäftigt, lege man großen Wert auf einen gesundes Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Familie & Freizeit.

Die Praxis habe auch gezeigt, dass durch kürzere und flexible Arbeitszeiten eine höhere Produktivität erzielt wurde, da die Leistungsfähigkeit und Konzentration höher ist und weniger Fehler gemacht werden. „Manchmal ist weniger mehr“, resümiert Bullert und er bestätigt, dass bei Mitarbeitern die „das lieben was sie tun, eine höhere Produktivität erzielt wird.“

 

Arbeitsplatz punktuell verlagert

„Unsere Mitarbeiter arbeiten normalerweise im Büro – aber es gibt immer wieder Situationen, in denen sie von zu Hause aus arbeiten können (oder von einem beliebigen Standort aus) – wir nennen es „Home-Office“, sagt Harald Singer, Geschäftsführer des Temeswarer Software-Entwicklers Infin. Eine solche Arbeitsweise sei allerdings im IT-Bereich „bei weitem einfacher als in anderen Branchen“, denn allein schon über einen Internet-Zugang, durch den man Zugriff auf alle relevanten Daten, Informationen und Kommunikationsmittel (Skype, VoIP, E-Mail usw.) hat, ist die Arbeit möglich. Grundsätzlich liegen im Unternehmen des Banater Schwaben die Arbeitszeiten zwischen 9 – 17 Uhr.

Über diesen Kern der Crew hinaus gibt es auch Mitarbeiter, die gar nicht im Büro präsent sind und von zu Hause aus die normalen Arbeitszeiten einhalten. So die Situation mit einem Mitarbeiter der in Odorheiu Secuiesc lebt und für die Temeswarer Firma arbeitet. „Dies funktioniert und ist ein immer häufiger eingesetztes Modell“, so Harald Singer.

Das erst vor zwei Jahren gegründete StartUp-Unternehmen ProfiOPS arbeitet in kleinen Teams und vorwiegend mit Partnern und nicht mit eigenen Mitarbeitern. Zu Beginn ihrer Tätigkeit hat die Firma mit „eigenen und unerfahrenen Angestellten gearbeitet“, sagt Marian Broştean, Geschäftsführer der Firma. „Die Planung war das Hauptproblem. Alle haben darunter gelitten: das Business, die Mitarbeiter, die Kunden“. Mit dem Partner-Modell können sich die Mitarbeiter nun die Zeit besser planen, „aber es wird nur die effektive Arbeitsstunde bezahlt. Deshalb ist es ganz wichtig, dass der Partner seine Zeit gut plant“, sagt der ehemalige Lenau-Schüler. 

 

Berufsverkehr umgehen

Um dem Druck und der Konkurrenz aus dem Ausland zu trotzen, muss die Firma die Qualität steigern, ohne dabei die Preise auch proportional anzuheben. „Deshalb haben wir auch in Development-Tools investiert, die Prozesse geändert und die Fahrt zum Arbeitsplatz drastisch reduziert. So fahren wir nicht zwischen 8- 9,30 und zwischen 17 – 18,30 Uhr durch die Stadt“. Die Arbeitszeit in der Firma, die Mobile-Software, aber auch Software für die Automotive-Industrie entwickelt, ist flexibel, „es gibt nur eine bestimmte Kernzeit, sogenannte core-hours, in der man zusammen arbeitet. Ansonsten arbeitet jeder allein, entweder zu Hause, oder im Büro“, so Broştean.

Was die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt betrifft, sieht der junge Unternehmer einen Zwiespalt: Die Frage stellt sich, ob es sinnvoller ist, für einen größeren Markt tätig zu sein, oder sich auf den lokalen Markt zu beschränken. „Wenn man für einen größeren Markt arbeitet, dann muss man sich auf ein gewisses Gebiet fokussieren.“ Nachteil ist hier, dass die Konkurrenz größer ist. Für den bedeutend kleineren rumänischen Markt sei eine solche Spezialisierung oft ein Risiko.