Im Schlepptau der Europäischen Union

Fünf Jahre nach dem Beitritt – Nutzen und Notizen

Die Wallfahrtskirche Maria Radna wird einer umfangreichen Sanierung unterzogen. Das 10-Millionen-Euro-Projekt wird zum Großteil über EU-Mittel finanziert. In den kommenden vier Jahren soll die Basilica Minor von Grund auf saniert und zum wichtigsten Ort für Pilgerreisen nach Westrumänien werden.

Kurz vor Jahresschluss, nach vierjährigen Bauarbeiten, wurde das erste Teilstück der West-Autobahn bzw. die Trasse Temeswar-Arad persönlich von Premierminister Emil Boc und Verkehrsministerin Anca Boagiu eröffnet. Die letzten Arbeiten an diesem Autobahnabschnitt von 32,3 Kilometern wie auch 12,3 Kilometer der Arader Ringstraße, beide Teile des paneuropäischen Korridors Nr. IV, sollen jedoch erst im Frühjahr 2012 komplett fertiggestellt werden. Die Baukosten beider Projekte- Bauausführer ist das Baukonsortium FCC Construction/Astaldi- belaufen sich auf 240 Millionen Euro.

Die Sanierung der Theresien-Bastei in der Temeswarer Innenstadt kam durch EU-Fonds zustande: Rund 10 Millionen Euro haben die Renovierungsarbeiten gekostet und zweieinhalb Jahre gedauert. Knapp die Hälfte des Geldes, das für die Sanierung benötigt wurde, stammt aus EU-Fonds. 2,5 Millionen Euro steuerte das Kreisrat bei, 1,6 Millionen Euro wurde von der Regierung zur Verfügung gestellt. 754.000 Euro sind vom Stadtrat Temeswar beigesteuert worden. Seit Ende 2010 ist nun die Bastei dem Publikum wieder geöffnet. Fotos: Zoltán Pázmány

Fünf Jahre ist es her, dass rumänische Grenzschützer mit einer Geburtstagstorte an den rumänisch-ungarischen Grenzübergang bei Tschanad/Cenad gereist waren. In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar 2007 wurde Rumänien nämlich Mitglied der Europäischen Union. „Endlich am Tisch der Erlesenen Platz nehmen können“, hieß es da in allen Bereichen der rumänischen Bevölkerung. Reisefreiheit war wohl das oberste Gebot der Stunde, ein bereits Jahre zuvor einsetzender Wirtschaftsboom ging weiter.

In Rumänien ist in den Jahren danach die positive Stimmung allgemein erhalten geblieben, doch die Euphorie ist mittlerweile ein wenig verblasst. Wirtschaftskrise und interne politische Mängel haben daran bestimmt einen wichtigen Anteil. Die ganz großen - damals erwarteten - Investitionen aus dem Ausland hielten sich im Vergleich zu den Jahren der Beitrittsvorbereitung in bescheidenem Rahmen, allein die großen Handelsketten hielten massiven Einzug.

Dabei gingen die kleinen Tante-Emma-Läden reihenweise ein, auf Bauern und Produzenten kamen neue Auflagen und die Verordnung zur modernen Art der Schweineschlachtung oder der Schafzüchtung (um nur einige zu nennen) sind Gesetze mit vielen Facetten. Die Verantwortung mit der EU-Außengrenze lastete weniger aus organisatorischen und finanziellen, aber vor allem aus moralischen Gründen auf den Behörden. Und mit dem verfügbaren Geld aus EU-Haushaltsmitteln wissen viele ebenfalls nichts anzufangen. Von den verfügbaren fast 20 Milliarden für die Zeitspanne 2007 – 2013 wurde bisher nur ein Bruchteil aufgebraucht.

 

Ich bin ein Enthusiast der Europäischen Union. Meine ganze Bildung als Rumäne, Absolvent der Lenau-Schule, geht in diese Richtung. Ich habe immer in der Hoffnung gelebt, wir könnten einmal die EU erreichen und ein vereinigtes Europa schaffen.

Ich habe mich auch bemüht, diese Bildung weiterzugeben und in diesem Sinne entstand 1991 die Abteilung mit deutscher Unterrichtssprache an der Fakultät für Bauwesen der Universität „Politehnica“. Jean Monnet, einer der Gründer der EU, sagte einmal: „Wenn ich wieder mit der Integration beginnen würde, dann hätte nicht die Politik, sondern die Schule Priorität“. Nach vielen „ups and downs“ und 20 Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Abteilung als ein lebensfähiges Konzept erwiesen, wobei die endgültige Konsolidierung erst nach der Aufnahme Rumäniens in die EU erfolgte.
 

Reisefreiheit, Demokratie und der Euro sind unbezahlbar. Die großen Investitionen in der Infrastruktur Rumäniens wären ohne die EU unmöglich. Europäische Institutionen - die nicht immer gut funktionieren - sind für Rumänien außerordentlich wichtig; auch Korruption bleibt ein Problem. In diesen beiden Richtungen müsste die EU mehr Druck ausüben. Es gibt den Eindruck, dass oft unsere Politiker den Aufgaben der EU nicht gewachsen sind.


Natürlich gibt es auch eine Euroskepsis: Die EU ist in zwei geteilt. Doch bin ich lieber in einem Schnellzug in der zweiten Klasse als in einem Personenzug in der ersten Klasse !

Nur wer sich ändert, bleibt sich treu; die Europäische Gemeinschaft, einmal ein Traum von Wenigen, dann eine Hoffnung für Viele, ist heute eine Notwendigkeit für die Zukunft Europas.

Prof. Dr. Ing. Radu Băncilă, Leiter der Abteilung mit deutscher Unterrichtssprache der Fakultät für Bauwesen (ehemaliger Dekan 2004 – 2008), Ehrenprofessor der Universität Pecs (HU) 

 

 

In meinem Leitartikel zum EU-Beitritt Rumäniens, in der Monatsschrift „Echo der Vortragsreihe“ Nr. 1 / 2007 veröffentlicht, schrieb ich u.a. Folgendes: „Wir stehen kurz nach dem Jahresausklang 2006, vor allem aber im Auftakt eines neuen Jahrs, das für unser Heimatland viel bedeutet: am 1. Januar 2007 wurde Rumänien EU-Mitglied. Das heißt, dass die 22 Millionen Bürger des Landes an der Grenze zwischen Okzident und Orient, zwischen dem christlichen Abendland und dem christlichen Morgenland, ab dem 1. Januar 2007 Mitglieder der großen europäischen Nation wurden. 

Das heißt aber auch für uns Banater Berglanddeutschen ein Näherkommen an das Mitteleuropa, von wo aus, beginnend mit dem XVIII. Jahrhundert, zahlreiche Missionäre im wahrsten Sinne des Wortes hierher, in den Süd-Westen Rumäniens kamen, sich niederließen, eine Kultur und Zivilisation aufbauten, die sich heute, zu Beginn des XXI. Jahrhunderts, sehen lässt...

Dass es nicht gleich nach dieser Integration so kommen wird, wie es sich ein jeder einzelne rumänische Staatsbürger wünscht oder erhofft, das wurde auch bei den ehemaligen kommunistisch geprägten Ländern und deren Einwohnern, die am 1. Mai 2004 EU-Mitglieder wurden, bestätigt.

Dass auch Zeiten kommen werden, wo man es nicht leicht haben wird, das mag wohl sein. Dass es aber die einzige Chance für Rumänien zu Beginn des XXI. Jahrhunderts war und ist, EU-Mitglied zu sein, das muss groß geschrieben werden!

Die EU-Mitgliedschaft bedeutet in erster Reihe Stabilität, Zuversicht auf ein besseres Morgen, in Sicherheit und Frieden! Das ist die Tatsache, für die wir uns im ganzen Sein freuen und die wir auch unseren Mitmenschen in Europa kundgeben sollen! Endlich, nach so viele Jahren seit der Wende in Rumänien im Dezember 1989, sind wir wieder in die europäische Familie zurückgekehrt, zu der wir uns schon immer zugehörig gefühlt haben!“


Was ich heute, fünf Jahre nach Rumäniens EU-Beitritt sagen würde? Dass es heutzutage ohne diesen Beitritt, für Rumänien und unsere Landsleute viel schwerer sein würde. Ich bin mir sicher, dass Rumänien viel unstabiler wäre, die Menschen mehr dem Ungewissen verfallen wären.

Dass nicht alles in der EU glänzt, dass bin ich mir genauso sicher auch heute, wie damals, denn wir, als Bürger dieser Union, bekommen es auch oft zu spüren, besonders jetzt in den Jahren der Krise. Was aber würden wir machen, wenn es dieses Europa der Menschen und ihrer Werte nicht gebe? Orientierungslos herumlaufen?


Nein, ich bin mir sicher, dass Rumänien den besten Weg für sich am 1. Januar 2007 begonnen hat und dieser weiter verfolgt werden soll, muss. Rumänien gehört zu Europa und was noch zu verbessern ist, sei unserer aller Aufgabe!

Erwin Josef Ţigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen

 

Im Zusammenhang mit dem Umzug des Deutschen Kulturzentrums von der Straße X in die Straße Y, muss die neue Anschrift in die Satzung der Kulturgesellschaft aufgenommen werden. Absolut normal und verständlich! Aber für diese Änderung  wird von den fünf Vorstandsmitgliedern die Vorlage eines

-         polizeilichen Führungszeugnis verlangt! Hinzu kommt, dass ein Führungszeugnis aus dem Westen  hier  n i c h t  anerkannt wird.

Eine Vereinfachung der ohnehin undurchsichtigen Bürokratie innerhalb der Verwaltungsorgane, wäre nach dem EU-Beitritt  Rumäniens angemessen und wünschenswert gewesen!
 

Oder nehmen wir den Bankverkehr: um als kulturelle Institution Geld abheben zu können, musste der Bank bis vor wenigen Wochen,  stets eine entsprechende Rechnung vorgelegt werden. EU-Norm? Wohl kaum!

. . . und warum muss ich beim Kauf eines größeren Haushaltsgegenstands die bar bezahlte Rechnung unterschreiben und meinen Ausweis vorzeigen? Nein, keine EU-Norm!

Elke Sabiel, Vorsitzende der Rumänisch-Deutschen Kulturgesellschaft


Das Beste an der ganzen Sache ist die Reisefreiheit. Man wird nicht nach dem Wann und Wohin gefragt, wenn man über die Grenze will. Es gibt seit dem EU-Beitritt auch die Möglichkeit zu einer besseren Warenversorgung, auch wenn sich manchmal die  Qualität der Ware in rumänischen Hyper- und Supermärkten bei gleicher Marke von jener in westeuropäischen Ländern unterscheidet.

Es gibt auch die Perspektive des Beitritts zur Währungsunion, was zu einem gewissen Wohlstand des Mittelstandes führen wird.

Andererseits hat die Empfindlichkeit auf politischer, aber auch wirtschaftlicher Ebene zugenommen. Das Land ist Gefahren ausgesetzt, von denen wir früher verschont geblieben sind, z.B.: Transitmigration oder Terrordrohungen.

Michael Szellner, Physiker, stellvertretender Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat

 

Obwohl ich der Meinung bin, dass Rumänien zu früh in die EU aufgenommen wurde, hat mir dieser EU-Beitritt viele positive Erfahrungen ermöglicht. Darunter ist ein einjähriger Deutschlandaufenthalt mit einem Erasmus-Stipendium wohl die wichtigste, und hier hatte ich es als EU-Bürgerin in bürokratischen Angelegenheiten leichter.

Aber ich hatte auch die Möglichkeit, rumänische EU-Beamte kennenzulernen. Ich erfuhr, dass unser EU-Kommissar Dacian Ciolo{ als einziger Kommissar bei einem Besuch im EU-Parlament Applaus bekommen habe. So habe ich gemerkt, dass Rumänien sein schlechtes Image innerhalb der EU verbessern kann. Das passiert vielleicht nur auf institutioneller Ebene und wird nicht in den Medien dargestellt, es ist aber dennoch ein Schritt in die richtige Richtung.

Bianca Barbu, Mitglied des Literaturkreises „Stafette“

 

 

Für die Banater deutsche Wirtschaftsstiftung BVIK BANATIA und seine „Schützlinge“ bzw. die geförderten Banater Unternehmer führte und führt die Aufnahme Rumäniens in die EU weiterhin zur Erleichterung des Warenverkehrs durch Wegfall der Zollschranken und weiterer bürokratischer Hürden, was letztendlich zur wirtschaftlichen Entwicklung unserer Region und des ganzen Landes führt.

Gleichzeitig mit der Aufnahme Rumäniens in die EU ist auch die jeweilige Visapflicht aufgehoben worden, wobei dies zur Reisefreiheit und implizite zu besseren Informationsmöglichkeiten über Angebote an Maschinen und Anlagen, Liefermöglichkeiten, Märkte usw. geführt hat. Die Geschäftsmöglichkeiten sind größer geworden, gute Handelsbeziehungen sind eingeleitet worden. Unsere Unternehmer konnten und können Fachmessen in den westlichen Ländern besuchen und sehr schnell neue Erkenntnisse erhalten, von denen einige „zu Hause“ in Rumänien auch umgesetzt werden konnten.


Der Zugang zu Ersatzteilen für Maschinen und Anlagen jedwelcher Art ist viel einfacher geworden und nicht zuletzt konnten die Unternehmer durch EU-Projekte mit bis zu 70 Prozent nicht rückzahlbare Darlehen neue Produktionsmaschinen, Anlagen und Bodenbearbeitungsmaschinen ankaufen. Auf diese Weise ist es auch schon mehreren Landwirten gelungen modernste Bodenbearbeitungs- und Erntemaschinen zu erwerben. All dies führte und führt unverzüglich zur Produktivitätssteigerung, zu besseren Bodenbearbeitungsmethoden, zu größeren Erträgen, besseren Einkommen und im Endeffekt zur Verbesserung des Lebensstandards und zur Stärkung der Existenzgrundlage.


Im Sog der Wirtschaftsentwicklung im Europäischen Raum, der gesetzlichen Grundlagen, wird auch unser Land mitgerissen, und entgegen passiver und selbstzufriedener Einstellung vieler, schreitet Rumänien auf dem Weg der Modernisierung und Integration in die Europäische Strukturen voran.

Die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union hat auch einen besonders wichtigen politischen Stellenwert.

Die Sicherheit, nicht mehr Opfer ideologischer und wirtschaftspolitischer Experimente zu werden und von der Entwicklung im Sinne europäischer Werte ausgeschlossen zu sein, stärkt das Selbstvertrauen der aktiven Bevölkerungsschichten und gibt auch den Jungunternehmern die nötigen Perspektiven.


Die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union hat auch vielen die Illusion geraubt, dass „es auch so gehen könnte“, andererseits auch viele davon überzeugt, dass nur über Leistung und Qualität ein europäisches Niveau erreicht werden kann.


Für uns Bürger hat die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union auch im Alltag grundlegende neue Möglichkeiten gebracht, wie die lang ersehnte Reisefreiheit, Zugang zu Informationen aller Art, zu moderner ärztlicher Betreuung, Zugang zu den neuesten Produkten aber auch die harte Erkenntnis, dass alles auch bezahlt werden muss, wer es eben kann.

Horst Martin, Geschäftsführer des BVIK BANATIA