„Jacob beschließt zu lieben“

Schweizer Buchpreis für Cătălin Dorian Florescu

Temeswar - Nachdem sich die Gemüter der Banater Schwaben um Nobelpreisträgerin Herta Müller beruhigt haben, sorgt nun ein anderer Autor für Aufruhr: Der in Temeswar/Timişoara geborene und in Zürich lebende Autor Cătălin Dorian Florescu (44) löst mit seinem neuen Roman „Jacob beschließt zu lieben“ ein zwiespältiges Echo aus. Einerseits erntete der Schriftsteller lobende Medienkritik und wurde auch mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Andererseits hat der Roman zahlreiche Proteste und Empörung bei ehemaligen Bewohnern von Triebswetter/Tomnatic ausgelöst – dem Temescher Dorf, wo sich der größte Teil der Handlung abspielt. Negative, falsche Eigenschaften seien den Banater Schwaben angedichtet worden, so die vehementen Vorwürfe. Manche werfen Florescu vor, er habe, zu Unrecht, der schwäbischen Gemeinschaft Kaltblütigkeit und „Dreck“ zugeschrieben.

Doch liest man den Roman, so merkt man, dass nicht so etwas in den Vordergrund der Handlung rückt. Andrerseits war eine Schilderung der banatschwäbischen Tradition und Geschichte auch nicht das Ziel. Zwar wird die politische Szene der Zwischenkriegs-, Kriegszeit und Nachkriegszeit beschrieben – Annäherung zum Nationalsozialismus, Diskriminierung der Zigeuner und Juden, Beteiligung der Banater Schwaben am Krieg auf deutscher Seite – jedoch hat Florescu keine Dorfchronik, sondern ein fiktives Familienepos dargelegt. Daher setzt er die dörfliche banaterschwäbische Gemeinschaft eher in den Hintergrund.

Der Roman erzählt vom Los lothringischer Einwanderer ins Banat. Die Handlung basiert aber hauptsächlich auf dem Schicksal dieser einzigen Familie – ein Schicksal, das von der Geschichte geprägt und beeinflußt wird. Florescu selbst gibt aber zu, die Gestalten seien in seiner eigenen Vorstellung gewachsen („Berner Zeitung“ vom 21. April 2011).

Der Neuankömmling Jakob, der 1924 nach Triebswetter kommt, hat keinen Nachnamen und weiß, was er sich vom Leben wünscht: Eine Frau, einen Hof und einen Sohn. Er heiratet die reiche Elsa Obertin, deren Familiennamen er annimmt. Mit der Geburt des kränklichen Sohnes Jacob – mit „c“ geschrieben (eine Rache des Großvaters an seinem unbeliebten Schwiegersohn) -  wird der Vater-Sohn-Konflikt ausgelöst. Jakob wünscht sich von seinem Sohn Kraft und Bereitschaft, die Felder zu bearbeiten, um später in seine Fußstapfen treten zu können. Daher regt er sich auch gegen dessen vom Lehrer eingeprägten Wunsch auf, Soldat zu werden. Als er einsieht, dass der schwache Jacob dies nie erreichen wird, nimmt er den Zigeunerjungen Sarelo an seine Seite, der auch seinen Hof erben soll und liefert Jacob 1945 den Sowjets aus, die junge Deutsche nach Sibirien verschleppen wollen.

In Rückblenden schildert Florescu die Lebensgeschichte der Familie Obertin, die sich über knapp 300 Jahre spannt. Die Kaltblütigkeit des Stammvaters Caspar, der sich Haus und Hof aneignete, indem er eine ganze Familie ermorderte, gleicht Florescu mit Jacobs Kraft zu Lieben aus – eine Fähigkeit, die man ihm für einen Augenblick nicht mehr zumutet, nachdem er vom eigenen Vater verraten wird und seine erste Liebe verliert. Eben dieser Ausgleich von Liebe und Verrat, von Vertreibung und Wiederkehr und wie die bewundernswerte Fähigkeit eines Menschen zu lieben ihn über alles hinweg retten kann, lässt einen die Schlussfolgerung ziehen: Florescu hat, trotz allem, einen Roman vorgelegt, der den Leser in seinen Bann ziehen kann – in hervorragendem Erzählstil und mit einer spannenden Handlung. „Eigentlich sollte der Sohn den Vater erschlagen nach allem, was dieser ihm angetan hat“, meint Florescu. „Aber dann hätte meine Geschichte keinen Sinn gehabt. Wir werden doch alle unfreiwillig in diese gefährliche Welt geworfen und müssen versuchen, allen Widrigkeiten zum Trotz menschlich und liebesfähig zu bleiben“, so der Autor in der Berner Zeitung. Der Roman „Jacob beschließt zu lieben“ ist in der deutschen Buchhandlung am Dom in Temeswar erhältlich.