Kein Aber!

Rückblick zum Frauentag, Ausblick zum Feminismus

Frauen sind heute nicht nur bei Demos für ihre Rechte dabei, sondern auch bei öffentlichen Ereignissen.

Zum Frauentag haben sie gleich doppelte Rolle: Als Verkäufer von Blumen und nicht zuletzt als Bescherte. Symbolfotos: Zoltán Pázmány

Was feiert man am 8. März? Den Weltfrauentag. Was feiert man aber in Rumänien am 8. März? Hier werden die Antworten wahrscheinlich je nach Alter der befragten Person und Landesregion auseinandergehen. Bis ich etwa 12 oder 13 Jahre alt war, wusste ich, am 8. März feiert man den Muttertag. Der wird unterschiedlich von Land zu Land, im Monat Mai gefeiert. Ich weiß nicht genau, wann und wieso es bei mir im Kopf plötzlich „Klick“ gemacht hat, ich weiß nicht, durch wen für mich die Erleuchtung kam, dass der 8. März ein Feiertag für alle Frauen ist – nicht nur für Mütter.

Eine witzige Vorstellung ist das eigentlich, die Idee, dass man nicht unbedingt Mutter sein muss, um sich am 8. März als Frau feiern zu lassen.

Mit dieser revolutionären, weltbewegenden und weltzerstörenden Idee haben sich auch die Produzenten des Videos „Be a lady they said“ unter anderem beschäftigt. Im Video spricht die Schauspielerin Cynthia Nixon für die Zeitschrift „Girls. Girls. Girls“ über die oft widersprüchlichen Erwartungen der Gesellschaft an die Frauen. Wenn ihr übrigens ohne direkten Link auf YouTube nach dem etwa einige Wochen alten Video sucht, müsst ihr ein bisschen nachforschen, da euch vor allem Reaktionen darauf angezeigt werden – das Video an sich hat eine Altersbeschränkung. Es erscheint die Vorwarnung: „Dieses Video ist eventuell für einige Nutzer unangemessen.“

Gleichberechtigung soll also für einige Nutzer unangemessen sein. Schön! Es muss allerdings gesagt werden, dass das Video bewusst provokative, sexuell anmutende Sequenzen zeigt – aber YouTube ist rein theoretisch erst ab 13 Jahren zugänglich und die Szenen entsprechen ungefähr denen in jedem dritten Fernseh-Actionfilm.

Warum ich überhaupt dieses Video erwähne? Nun ja, es kursiert gerade im Netz und es wird kontrovers diskutiert. Ich empfehle an dieser Stelle, nicht meinen Worten zu vertrauen und es euch selbst anzuschauen. Denn es regt zum Nachdenken an, und das können wir gerade gut gebrauchen. Aber bis dahin – schon der Titel provoziert: „Be a lady“, was heißt das? Nicht nur für Frauen, sondern für alle. Für die Videomacher ist es eindeutig ein Gegenmotto zur eigenen Position. „Be a lady“ heißt für sie so etwas wie „füge dich den Erwartungen anderer“. Und wer sind „they“? Die Gesellschaft? Die Männer? Es geht im Video viel darum, dass Frauen eingeredet wird, sie seien Lustobjekte der Männer. Aber „they“, „sie“ – das sind auch weitere Frauen. Das sind sehr viele von uns.

Cynthia Nixon löst mit ihren Worten ein Alarmsignal aus und sie ist nicht die erste. Sie verdankt vielen Feministinnen die Position, aus der sie sagen kann, was sie sagt. Olympe de Gouges forderte schon im Rahmen der Französischen Revolution die Gleichberechtigung von Frauen und Männern – und büßte einige Jahre später mit ihrem Leben für das versuchte Mitmischen in der männlichen Welt der Politik. Deutsche Frauen erhielten 1918 erstmals durch die berühmt-berüchtigte Weimarer Verfassung das aktive und passive Wahlrecht, Rumänien hinkte 1946 mit einem Artikel aus der Verfassung der „Sozialistischen Republik Rumänien“ nach. Frei wählten die Frauen hierzulande erst 1990.

In diesem Kontext muss man sich fragen, warum und inwiefern der Feminismus eine kontroverse Bewegung ist. Warum sind nicht alle Menschen für Gleichberechtigung? Wenn ihr euch diese Frage stellt, lebt ihr womöglich, genau wie ich, in einer social bubble. Wenn Gleichberechtigung für euch zur Selbstverständlichkeit geworden ist – Glückwunsch! Die jahrhundertelangen Bemühungen haben sich gelohnt. Aber schaut nicht weiter in die Vergangenheit zurück als auf die jährlichen Proteste gegen die Abtreibung in den meisten rumänischen Städten.

Warum wird Feministen Radikalität und Unvernunft vorgeworfen? Stimmen diese Vorwürfe überhaupt? Und bin ich radikal, wenn ich die eben erwähnten Proteste verachte? Ich denke, nicht. Ich wäre eher unvernünftig, wenn ich sie verbieten wollen würde. Ich bin zwar ausdrücklich für die Rechte der Frau, aber man kann in einer Demokratie – und Rumänien lobt sich als solche - keinem dem Mund verbieten. Man kann allerdings Hassrede konsequent unter Strafe stellen. Denn Sprache ist vielleicht das Manipulationsmittel, die wirkungsvollste Waffe überhaupt. Im Übrigen tut sich glücklicherweise in der rumänischen Politik wenig für das Verbot der Abtreibung. Lasst die Leute reden, könnte man dann sagen.

Dieses Motto hat auch eine Kehrseite. Vor allem in den letzten Jahren scheinen Feministen überaus viel zu schreien und verhältnismäßig wenig zu tun. Vielleicht mag es nicht nachvollziehbar sein, dass ich an einer stellenweise relativ schwächlichen Bewegung, die sich gegen Verbote und Verfolgungen behaupten musste, Kritik ausübe. Aber wir dürfen uns nicht auf leere Worte beschränken, wenn wir relevante, manchmal überlebenswichtige Ziele erfolgreich durchsetzen wollen. Ist das Video „Be a lady they said“ denn schlecht? Keinesfalls. Ist es einseitig? Das wird beim Anschauen vielleicht auffallen. Das Video ist nicht viel mehr Werbung für den Feminismus. Werbung für eine gerechte sozialpolitische Bewegung ist nicht schlecht, wirkt aber alleinstehend substanzlos. Kennt ihr die Werbekampagnen „Like a girl“ von Always und „The best a man can be“ von Gillette? Beide Firmen gehören übrigens zum Konzern Procter & Gamble. Solche Kampagnen legen den Wert nicht auf korrekte, direkte Produktwerbung – sie werben stattdessen mit Idealen, Zielen, mit politischen und philosophischen Strömungen, um nicht über Qualität oder Angebote, sondern durch scheinheilige emotionale Bindung der Kunden an die Marke wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.

Es stellt sich die Frage, ob einerseits für den Feminismus, andererseits mit ihm geworben werden müsste. Inwiefern sollte man die Frauenbewegung und den Kampf um Gleichberechtigung mit heuchlerischen Wirtschaftsgiganten assoziieren? Ich habe keine klare Antwort darauf, geschweige denn eine richtige. Repräsentation ist einerseits wichtig, Manipulation ist andererseits verwerflich und schadet der Weiterentwicklung durch Verhinderung von wahrhaftiger Aufklärung. Sogar Feministen werfen Feministen Irrationalität, Übertreibung oder Oberflächlichkeit vor – ich habe hier nichts Anderes gemacht. Darüber, dass Gillette einerseits aufklärerisch und feministisch wirken möchte, gleichzeitig aber auch Werbespots produziert, in denen sich Frauen über glatte Haut und nicht existente Haare mit einem Rasierer fahren, kann ich nur lachen, aber lustig ist es eigentlich nicht. Dass der Weltfrauentag „kindergerecht“ in „Muttertag“ umbenannt wird, ist zwar nicht lustiger, dafür aber lächerlich. Die Frauenbewegung ist heute vielleicht stärker denn je, es stehen uns außerdem nicht nur Organisationen wie die UNO an der Seite, sondern auch neue technische und digitale Mittel zur Verfügung.

Konkrete Vorschläge zur Abhilfe sind wohl Mangelware. Ich glaube bloß eine Ahnung davon zu haben, was unterlassen werden sollte. Der Feminismus ist gut, aber nicht gut genug, und irgendwann möchte ich sagen können: „Kein Aber!“