KOMMENTAR: Brexit

Dan Bucşa, Ökonom für Entwicklungsländer der Unicredit-Bank, schätzt, dass ein Opfer eines Austritts Großbritanniens aus der EU unsere Landeswährung wäre. Der Leu ist bereits geschwächt durch die populistischen Maßnahmen der Ponta-Regierung (Steuererleichterungen, Lohnerhöhungen), deren Durchsetzung und Auswirkungen jetzt von der PSD den „Technokraten“ von Regierungschef Cioloş in die Schuhe geschoben werden. Das wird ein Schock Rumäniens sein, wenn Großbritannien austreten sollte. Der Druck käme teils von der Abwanderung von harten Währungen, meint Bucşa. Zwar sind die Briten in ihrer splendidisolation keine großen Investoren in Rumänien, der Druck läge eher auf den Bürgern Rumäniens, die auf der Insel arbeiten und die jährlich rund 500 Millionen Euro nach Hause schicken. Und auf den rumänischen Exporten, denn England ist eines der wenigen westeuropäischen Länder, denen gegenüber Rumänien eine positive Außenshandelsbilanz hat.

Dumitru Dulgheru, Ökonom der BCR/Erste, spricht von 170.000 rumänischen Staatsbürgern mit Arbeitsrecht in Großbritannien – die bei einem Brexit entweder die Staatsbürgerschaft wechseln (schwierig!), oder in ein anderes Gastland migrieren müssten. Nach Hause zu kommen gilt für sie als unwahrscheinlich. Rumänien müsste durch das Wegbleiben der Überweisungen von der Insel 0,3 Prozent seines BIP vermissen. Das ist Zusatzdruck auf dem Leu durch das Wegfallen dieser Abfederung.

Großbritannien importiert aus Rumänien etwa 29 Prozent des Maschinen- und Anlagenbaus, wissen die Banken (Dan Bucşa, Unicredit-Bank) weiter zu berichten. Und 16 Prozent des „Dacia“- und „Ford“-Volumens. Andrerseits sollte man nicht zu viel Aufhebens machen mit dem Exportüberschuss Rumäniens: der Handelsüberschuss ist unerheblich, aber positiv.  Und mit englischen Investitionen in Rumänien kann man auch nicht weit springen: etwa 2,5 Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen machen sie aus (aber: 1,5 Milliarden Euro).

Nicht zuletzt steht fest, dass auch die EU-Mittel der laufenden Haushaltsperiode verringert werden, wenn die Insel die EU verlässt. Rumänien wird verzichten müssen. Klar, dass auch ein Haushaltsdefizit von höchstens drei Prozent bei den Zusatzproblemen mit dem Brexit unhaltbar wird.

Aber über alldem sollte nicht vergessen werden, dass ein Brexit als Ur-Problem von der EU und deren Bereitschaftslosigkeit zur Reform, ja zur Diskussion über Reformen, ausgeht. Mit Populismus kann das Problem genauso wenig gelöst werden wie mit der konsekrierten Formel der Margaret Thatcher: „I want my money back!“

Bleibt zu hoffen, dass der Tod der Labour-Abgeordneten Joe Cox, der anscheinend im letzten Augenblick eine Meinungswende herbeiführen könnte, letztendlich den Brexit abwendet. Die EU wird aber in keinem Fall umhin können, Reformen einzuleiten.