Kommunalhaushalt reicht nur für Beamten-Löhne

Trotzdem – Triebswetter als Gemeinde besser aufgestellt

Bürgermeister Vasiu Stoian (im Bild) denkt an die Einführung eines Ganztagskindergartens – die Voraussetzungen dazu sind geschaffen.

Die katholische Kirche in Triebswetter ist extrem sanierungsbedüftig. Selbst das Glockengeläut ist seit Kurzem verstummt.

Als sich Stefan Matefi im Jahr 1985 entschieden hatte, in Triebswetter zu spielen, hatte er nicht einmal genau gewusst, wo das Dorf liegt. Längst ist er mit seiner Familie im Ort ansässig geworden.
Fotos: Zoltán Pázmány

Die breiten Straßen von einst sind geblieben, gepflegt wie damals sind sie keineswegs. Häuser mit massiven Schäden an den Giebeln, eine Dorfkirche in schmutzigem Grau und Rentner, die zur Mittagsstunde bei einem Bier im Dorfwirtshaus über Gott und die Welt, aber auch mit Nostalgie über Fußballgeschichte sprechen, die vor vier Jahrzehnten Grenzen gesprengt hat. Das ist Triebswetter/ Tomnatic, das Einwanderer vor nahezu 250 Jahren an der heutigen Westgrenze Rumäniens gegründet haben. Die Furnierfabrik, die Hoffnung, das Dorfzentrum zu sanieren, der neue Kindergarten, viel Nachwuchs im Alter bis zu 14 Jahren, und ein Bürgermeister, der weiß, dass man in Rumänien „zur richtigen Partei gehören muss“, um etwas zu bewirken, das ist die optimistischere Variante von Triebswetter im Spätsommer 2014.

 

Unirea, ein Jahrzehnte altes Markenzeichen

 

„Unser einziges Markenzeichen heißt ´Unirea´“, sagt Bürgermeister Vasiu Stoian und nicht unverhofft heißt die Fußballmannschaft der Gemeinde „Unirea 1975“ in Anlehnung an das Jahr 1975. „Das war absolute Premiere, etwas nie Dagewesenes“, schwärmt heute noch, 40 Jahre später, Nikolaus Schneider in seinem Hof in der Hauptstraße von Triebswetter. „Um 11 Uhr begannen die Spiele. Bereits eine Stunde zuvor gingen wir von zu Hause weg, um einen Platz auf der Tribüne zu sichern“, so Schneider. Euphorie pur war es damals, als Mannschaften aus Kreishauptstädten nach Triebswetter kamen. Zu verdanken hatten sie es dem ehemaligen Vorsitzenden der Landwirtschaftlichen Genossenschaft, Peter Fene{i, dem Buchhalter Pavel Iatan und natürlich Trainer Willi Schreiber. Zwar sollte Unirea nur ein einziges Jahr in der Zweitklassigkeit verbleiben, zwei Jahrzehnte prägte jedoch das meist oben mitmischende Unirea-Team die C-Liga. Große Namen des Banater Fußballs liefen in Triebswetter auf. Spätere Erstliga-Kicker von Poli Temeswar, wie Titi Varga, Adrian Manea, Ilie Rotariu. Viele kamen und blieben so lange die Landwirtschaftliche Genossenschaft für sie sorgte. Einer kam jedoch, um zu bleiben, Stefan Matefi. Erst- und Zweitliga-Erfahrung von ASA Neumarkt, Steaua Bukarest, Chimica Târn²veni und FCM Reschitza brachte er mit. Heute trainiert er zweimal die Woche die Senioren aus der Kreismeisterschaft, sowie fünf Juniorengruppen, darunter auch ein Mädchenteam. „Als ich 1985 nach Triebswetter kam, war die Begeisterung für den Fußball überall zu spüren“, erzählt Matefi, der mittlerweile so etwas wie zum Dorf gehört. Der letzte aktive, aus dem Heer großer Namen. Im kommenden Jahr, wenn 40 Jahre seit dem legendären Aufstieg gefeiert werden, will Bürgermeister Vasiu Stoian ein Demonstrativspiel und eine Feier veranstalten. Vielleicht lockt es dann Nikolaus Schneider wieder aus dem Haus und zum Fußball, auch wenn sein Sohn Günther dem Ganzen einen Dämpfer versetzt: „Die Begeisterung von einst, die gibt es heute nicht mehr.“

 

Gemüsebau bleibt Haupteinnahmequelle

 

Es seien meist keine politischen Ambitionen, die einen Bürgermeister zum Überläufer machen, sagt Vasui Stoian, der glaubt, dass viele seiner Amtskollegen diesen Weg gehen, weil ihnen sonst die Hände gebunden sind. Um etwas bewegen zu können, müsse man politisch einen geebneten Weg haben, sagt Vasiu Stoian. Dass so etwas nicht unbedingt die elegante Art ist, kann er gut verstehen. „In Deutschland muss man ja auch nicht auf diese mühsame Art das Geld für die Kommune beschaffen“, sagt der Liberale Bürgermeister aus Triebswetter zum Vergleich mit gestandenen Demokratien.

Zur Zeit des Fußballwunders von Triebswetter gab es trotz Kommunismus im Ort einen relativen Wohlstand. Daran will der Bürgermeister der Gemeinde, 50 Kilometer von Temeswar entfernt, schon bald anknüpfen. Zwar fehlen heute die Treibhäuser in den Gärten der Triebswetterer, der Gemüseanbau ist jedoch auch bei vielen neu zugewanderten Einwohnern zur Einnahmequelle geworden. Die Furnierfabrik, die landwirtschaftlichen Flächen der ehemaligen Staatsfarm – heute von deutschen Inhabern betrieben – und einige kleinere Unternehmen sichern Arbeitsplätze und den  Hauptanteil der Eigenleistung zum Haushalt der Kommune. Der Rest der Eigeneinnahmen stammt aus der Haus- und Grundsteuer der Bürger. Schlechte Steuerzahler seien seine Mitbürger nicht, sagt der Bürgermeister. Mahnschreiben haben viele an ihre pflichtigen Steuerabgaben erinnert und so Säumnisse auf ein Minimum reduziert.

 

Selbständigkeit – ein guter Schachzug

 

Bis 2004 gehörte Triebswetter zum Gemeindezentrum Lowrin, mit den damaligen Ortschaften Lowrin, Triebswetter, Gottlob und Wiseschdia. Der Weg in die Selbständigkeit war „die beste Lösung für die Gemeinde“, so Bürgermeister Vasiu Stoian, „denn zuvor waren die gewählten Bürgermeister immer aus Lowrin oder aus Gottlob, weshalb das meiste Geld in deren Ortschaften investiert wurde und für Triebswetter nicht viel übrig blieb“. Inzwischen hat sich die Situation geändert: Auf dem Grundstück, auf dem sich einst das Dorfkino befand, stehen heute die Grundmauern des künftigen Kulturheims, die Schule wurde neu renoviert und eine Erweiterung des Gebäudes ist geplant, denn Triebswetter hat für seine 3.300-Einwohner eine hohe Anzahl an Kindern. Etwa 600 unter 14 Jahren. Privathäuser wurden gekauft und diese in öffentliche Einrichtungen umgebaut. Dabei ging es meist um per Restitutionsgesetz rückerstattete Häuser, die deutschen Familien gehörten. Ratenzahlung und faire Preise machten dem Lokalrat diese erschwinglich. Für den Kindergarten – ehemals das Haus einer deutschen Familie und danach Dorfambulatorium - hat der Bürgermeister gar die ehemaligen Stallungen umbauen lassen. Fliesen überall, Tischchen und gepolsterte Stühlchen, in die Wand eingelassene und aufklappbare Betten säumen die Klassen des neuen Kindergartens. Gekostet haben sie über eine  Million Lei. Von einem Mangel an Lehrkräften will der Ortsvorsteher nichts wissen: „Es sind meist Bürger aus dem Dorf, die nach Ausbildung und Studium in den Ort zurückkehren.“

„Das Einkommen der Kommune reicht gerade Mal für die Entlohnung des Personals in der Kommunalverwaltung“, so Bürgermeister Stoian und erklärt, die einzige Lösung, um zurechtzukommen sei, Geld durch politische Mittel zu beschaffen. Die etwa 600.000 Lei aus Steuern und Gebühren werden zu 70 Prozent von Unternehmen und zu 30 Prozent von Privatpersonen gedeckt. Es wäre deutlich mehr, wenn es größere Unternehmen und mehr Investoren gebe, weiß der Ortsvorsteher. Der Landwirtschaftsbetrieb Tomtim, mit seinen deutschen Teilhabern, und ein Holzverarbeitungsunternehmen mit 80 Mitarbeitern sind die größeren Arbeitgeber im Ort. Alles andere sind kleine Familienunternehmen. Einen solchen unterhält auch die Familie von Nikolaus Schneider. Es sei nicht einfach, erklärt er, denn die Preise, die die Abnehmer der Produkte bezahlen, sind niedrig: 50 Bani pro Kilogramm Weizen. Die Subvention für die Agrarwirtschaft hilft kaum. „Wir bekommen eine Subvention, aber wir kennen nie die Summe im Voraus und wir bekommen sie zu spät, nachdem wir alles geplant und angebaut haben“, so Schneider. „Diesel gibt’s nur für die, die mehrere tausend Hektar Land bewirtschaften“, ergänzt er. Doch der fruchtbare Boden in und um Triebswetter sichert ihm und 80 Prozent der Einwohner den Lebensunterhalt. Die Arbeitslosigkeit sei hier kein Problem, erklärt der Bürgermeister: Wer nicht das Land bearbeitet, ist in den Fabriken in Großsanktnikolaus tätig, oder arbeitet im Ausland. Um auch nach Triebswetter selbst Investoren zu locken, arbeiten die Kommunalbehörden derzeit an Infrastrukturprojekten: Die Finanzierung von Abwasser und neuen Straßen wurde bereits aus Regierungsprogrammen genehmigt.

 

Orthodoxe läuten für Katholiken

 

Da die Sanierung der alten Gebäude nicht von der Regierung finanziert werden kann, versuchen die Behörden diese als Kulturerbe zu registrieren, um dafür im Nachhinein EU-Gelder zu beantragen. Viele alte Privathäuser haben dieses Geld dringend nötig und nicht zuletzt die katholische Kirche, gebaut 1850. Zur Enttäuschung der Katholiken läutet die Glocke nicht einmal zu Beerdigungen, da Informationen nach ein Stück davon abgebrochen ist. Man hört nur noch die Glocke der orthodoxen Kirche, eigentlich ein Haus, das zur Kirche umgebaut wurde. Eine richtige orthodoxe Kirche gibt es in Triebswetter nicht – allein das ist schon ein Beweis, wie stark das Dorf von den Katholiken bzw. Deutschen geprägt war. Doch die Gegebenheiten sind heute anders. Dort wo einst das katholische Pfarrhaus stand, wird in Zukunft eine orthodoxe Kirche stehen. Das Gebäude wurde vom Bistum verkauft und gehört nun dem Gemeinderat: „Wenn wir es nicht gekauft hätten, hätten es Privatpersonen gekauft und daraus eine Kneipe gemacht“, begründet der Bürgermeister. Ob eine solche jedoch Sinn machen würde, ist fraglich, denn im Wirtshaus im Gemeindezentrum ist die Bedienung über weite Strecken unausgelastet. Nur selten muss sie hinter die Theke. Und der Fußball bringt auch am Wochenende bestimmt nicht mehr die Fangemeinde bei einem Bier zusammen. Die Euphorie ist weg – wie Günther Schneider betonte – und die Mannschaft wird wohl nie wieder zweitklassig spielen.