„Meine Lieder, meine Poesie, mein Leben“

Laura S: Vom Porträt bis zum Akt

Wann sie sich nicht mehr vor die Kamera stellen wird, wird Laura S selbst entscheiden. Foto 1: Valentina Saroşi

Fotoshootings können an nichtkonventionellen Orten stattfinden.

Beim Aktshooting ist das Anfassen des Models unprofessionell, störend und kann bis zum Vertrauensbruch führen. Aufgabe des Fotografs ist es, dem Model Anweisungen zu geben.
/ Fotos 2 und 3: die Verfasserin

Halb neun am Morgen. Fotoshooting mit der deutschen Fotografin und Model Laura S, Leiterin des Workshops „Die nichtkonventionelle Fotografie vom Porträt bis zum Akt“, der unlängst in der Galerie „Mansarda“ in der Kunsthochschule in Temeswar/Timişoara über die Bühne ging. Die Werkstatt sowie das Shooting sind Teil der Interfoto-Biennale 2015, die im Zeitraum Juli-September d.J. in Temeswar stattfindet.

Zwei Aktshootings sind an diesem Tag geplant: eines am Morgen und eines am späten Nachmittag. Entscheidungsfaktor bei dieser Einteilung: das Licht. Dies, da am Morgen ein strahlendes, am Nachmittag hingegen ein wärmeres Licht herrscht. Fotografiert wird im letzten Geschoss der Pasmatex-Textilienfabrik in Temeswar. „Hier wird nur noch in der ersten Etage gearbeitet“, berichtet Sergio Morariu, ausgebildeter Ingenieur und leidenschaftlicher Fotograf. Morariu ist der Initiator von Interfoto und beteiligt sich am Workshop und dem Shooting mit Laura S, die er aber nicht zum ersten Mal fotografiert.

„Es gibt fünf Stockwerke und jedes ist 5,5 Meter hoch“, sagt der Ingenieur und weist auf die Stufen im Treppenhaus, während die Teilnehmer hinaufklettern. Im fünften Stock angelangt, öffnet er eine Metaltür und lässt die Leute hinein. Zwei größere Hallen und mehrere kleinere Räumlichkeiten sind im Obergeschoss zu finden. Weiß-gelbliches Licht filtern die einst weißen, nun mit gelben Wasserspuren verzierten Vorhänge an den großen Fenstern, die sich wie Bänder um das grüne Pasmatex-Gebäude schlängeln. Auf den ersten Blick wirken die Hallen leer, nach ein paar Schritten bemerkt man die abseits aneinandergereihten industriellen metallischen Kleiderablagen mit silbergrauen Hacken. Ein anderes Dekorelement: die dicke Staubdecke auf dem Hallenboden.

Stickige Luft gemischt mit Zigarettenrauch. Die zwei Models und ein paar der anwesenden Fotografen qualmen. Dalia ist das andere Model, das allerdings nicht über die jahrelange Erfahrung von Laura S verfügt. Als Aktmodel zu arbeiten ist das Natürlichste auf der Welt für Laura S. Die nackte Haut ist gleich einer Kleidung. Sei es während des Fotoshootings oder eines einfachen Gesprächs, sie zeigt stets ein freundliches Lächeln. Zehn Fotografen finden sich beim Aktshooting am Morgen ein und am Nachmittag steigt ihre Zahl auf 18.

Aktfotografieren mit Leidenschaft

Nach etwa einer halben Stunde schwirren die Fotografen um die Models. Mit ihrer natürlichen Art und Weise erleichtert Laura S die Arbeit der Fotografen. „Wenn ich eine bestimmte Pose einnehmen soll, bitte, sagt es mir,“ fordert sie die Fotografen lächend auf, ihr Anweisungen zu geben. Wenn diese verspäten, hilft sie –  selbst Fotografin − gerne aus. Sie scheut weder den Staub, noch unbequeme körperanstrengende Positionen. Wenn aufgefordert, setzt sie sich auf den Boden. Dass ihre Haut Staubabdrücke davon trägt, stört sie keineswegs, heiter folgt sie den ihr zugeteilten Angaben.

Die Begeisterung der Fotografen ist leicht zu erkennen, sie knipsen eifrig immerfort – für sie ein nützliches Unterfangen. „Es gibt zwei Models, ein Profi- und ein Anfänger-Model, wobei das letztere von dem erfahrenen Model, das auch Fotografin ist, gut geführt wird, und dies ist selbstverständlich eine gute Sache, da viele Teilnehmer am Shooting ebenfalls Anfänger sind“, äußert sich die Berufsfotografin Valentina Saroși aus Temeswar dazu. Sie ist auch in der Ausstellung von Interfoto 2015 mit ein paar Porträtfotos von rumänischen Trachtenträgern präsent.

Mirela Haţegan ist von Beruf Juristin und nebenbei leidenschaftliche Fotografin. Wenn sie seit Jahren fotografiert, ist dieses Aktshooting jedoch eine Premiere für sie. Zu Beginn der Fotosession ist sie reservierter, nach zwei Stunden zeigt sie sich aufgeschlossen und selbstsicher. „Solange du von dem, was vor der Kamera steht, fasziniert bist, vergisst du alles um dich herum, nichts anderes zählt“, sagt sie sichtbar zufrieden mit der geleisteten Arbeit.

Der Fotograf Iulian Panescu hat ursprünglich Malerei an der Kunsthochschule in Temeswar studiert und widmet sich nun der Fotografie. Ebenso wie Valentina Saroşi ist auch er an der Ausstellung und dem Workshop von Interfoto 2015 beteiligt. In der Pause gelassen rauchend, mit der Zigarette in einer Hand und der Kamera in der anderen, meint Panescu zum Aktshooting in der Pasmatex-Fabrik, es sei ein „freies und nichkonventionelles Shooting. Die Arbeit mit einem erfahrenen Model ist viel leichter im Vergleich zu den Models, mit denen ich gewöhnlich zusammenarbeite“.

Auch seine Frau, eine Absolventin der selben Kunstfakultät, nimmt an dem Workshop und dem Shooting teil. Die junge Mutter fotografiert mit der zweiten Kamera ihres Mannes, da diese andere technische Möglichkeiten bietet und sie somit ihren Partner unterstützen kann. Auch sie zeigt keine Hemmungen beim Aktfotografieren.

Durch Zufall Model geworden

Laura S oder Laura von S sind die Künstlernamen von Laura Sbîrcea, der gebürtigen Kronstädterin, die seit zwanzig Jahren in Deutschland lebt. „Ein Fotograf hat ein Super-Auge gehabt“, erzählt das 43-jährige Fotomodel. „Am Anfang habe ich gar nicht geglaubt, dass ich Model werden kann, weil ich nicht die entspechenden Maße habe. Ich wusste nicht, dass man als Akt- und Erotikmodel das nicht braucht“, sagt Laura S. Sie arbeitete trotzdem mit dem Fotografen weiter, da sie schöne Bilder haben wollte. Dieser überzeugte sie dann, sich als Fotomodel anzumelden. Sie bekam Anfragen und verschiedene Jobangebote und trat 2002 ihre Laufbahn als Model an.

Vor ein paar Jahren begann sie selbst zu fotografieren, ebenfalls zufällig. „Ich hatte einmal mich, die Fotokamera und ich wusste, was ich machen wollte“, so Laura S über die Entstehung ihrer Selfies während des von ihr geleiteten Workshops in der Galerie „Mansarda“ an der Temeswarer Kunstfakultät. Alle Workshopteilnehmer sitzen um einen runden Tisch herum, wobei auf dem Bildschirm hinter Laura S eine Multimedia-Präsentation mit Fotos von ihr, darunter auch ihre Selfies, läuft. Für die Aufnahme der Selfies muss sie ihre Kamera mit Hilfe einer Fernbedienung steuern. Kein leichtes Unterfangen, trotzdem lässt sie sich davon nicht hindern. Einige Selfies sind auch in der Ausstellung in der „Mansarda“-Galerie zu sehen. 

Während ihrer Präsentation dreht sich Laura S ab und zu um, zeigt auf das eine oder andere Bild und erläutert es. Auch kommen Fragen von den Teilnehmern, wie beispielweise zu den Street nudes, den auf den Straßen oder in einem Restaurant in ihrer Geburtsstadt aufgenommen Aktfotos. Der geöffnete Trenchcoat enthüllt den Akt, wobei die anderen Menschen auf der Straße ungestört weitergehen. Trotzdem wurde die Crew einmal aus einem Restaurant, einer potentiellen Fotolocation, herausgebeten.

Einen durchtrainierten Körper ist das, was man auf Anhieb bei Laura S erkennt und man könnte denken, sie würde regelmäßig das Fitnessstudio besuchen. Nichts falscher als das. Das Holzfällen soll der Grund sein, da das Model längere Zeit auf einem Bauernhof gelebt hat. Außer zu modeln und fotografieren, schreibt sie auch Gedichte, die in Sammelbänden, aber auch in zwei eigenen Lyrikbänden veröffentlicht wurden: „Lass mich ein Lächeln weinen“ (2009) und „Im Land des Meeres“ im Band „Bretagne. Aktbilder und Lyrik“, den Laura S zusammen mit dem deutschen Fotografen Harald Kröher, ebenfalls an Interfoto 2015 beteiligt, 2010 herausgab.

Professionalität beim Aktfotografieren

„Das, was ich mache, liebe ich über alles. Das bin ich, meine Leidenschaft, meine Art zu kommunizieren. Meine Arbeiten sind wie meine Lieder, meine Poesie, mein Leben“, äußert sich Laura S zu ihrer Arbeit. Die Einstellung und die Meinung der anderen ihrer Tätigkeit gegenüber ist für sie ohne Bedeutung: „Mich interessiert nicht, wie die anderen damit klar kommen. Ich werde für nichts und niemanden aufhören, Model zu stehen oder Akt zu fotografieren“, betont Laura S.

Während ihres Fotoworkshops führt Laura S noch die Voraussetzungen und Schwierigkeiten des Berufs des Aktfotografen und -models an. Dass manche Personen diese Beschäftigung missbilligen oder verabscheuen, schreibt sie der Erziehung und Mentalität der Menschen zu: „Es ist eine kranke Gesellschaft“. Dazu Sergio Morariu, der auch in der Runde sitzt: „Die Kirche ist Schuld!“ und so mancher Workshopteilnehmer nickt zustimmend zu.

Von Anfang an sollen den Interessenten alle Risiken bekannt sein, da Freundschaften, Partnerschaften und sogar Ehen wegen diesen Berufen zerbrechen können. Beim Aktfotografieren müssen klare Grenzen gesetzt werden, die keiner - weder Fotograf, noch Model - überschreiten sollte. Professionalität, Berufsethik, Transparenz und Vertrauen sind hier angesagt. Alle mitzuteilenden Informationen hat Laura S aufgeschrieben und überprüft ab und zu ihre Notizen, um keinen wichtigen Punkt zu übersehen.

Den Models rät sie, diesen Beruf mit Leidenschaft auszuüben. Sie warnt auch entschieden gegen Alkohol- und Drogenkonsum. Nicht zuletzt ist die Berüchsichtigung der Gesetzgebung in diesem Bereich ein Muss. In Deutschland herrschen klare Gesetze. So empfiehlt sie den Beteiligten, die in Rumänien entsprechenden gesetzlichen Vorschriften genau zu kennen und einzuhalten. Wie in Deutschland sollten auch hierzulande Verträge mit allen notwendigen Arbeitsbedingungen zwischen den beteiligten Parteien geschlossen werden.