MEINUNG: Nach der Wahl ist vor der Wahl

285.512 Temeswarer sollten am Sonntag ihren Bürgermeister für die Jahre 2016 bis 2020 wählen. Lediglich 80.925 fanden den Weg in die Wahllokale, somit weist Temeswar die geringste Wahlbeteiligung (28,34 Prozent) unter allen rumänischen Großstädten auf. Selbst in Bukarest gingen, prozentuell gesehen, mehr Bürger wählen, die Beteiligung lag in der Hauptstadt bei 33,31 Prozent. Knapp 600.00 Bukarester gaben ihre Stimme ab, 1,2 Millionen hatten am vergangenen Sonntag etwas Besseres zu tun.

In Temeswar stand von vornherein fest: Der alte Bürgermeister ist auch der Neue. Und so war es auch: 41.531 Temeswarer stimmten für Nicolae Robu (PNL), sein wichtigster Gegenkandidat, der Sozial-Demokrat Florin Bârsăşteanu kam auf 17.819 Stimmen. Beeindruckend das Ergebnis des unabhängigen Adrian Orza, jahrelang Vizebürgermeister unter Gheorghe Ciuhandu. Für ihn stimmten 5.677 Wähler, er brachte es auf mehr Stimmen als die Kandidaten der PMP, des Ungarnverbands UDMR oder der UNPR.

Doch bei den Liberalen Nicolae Robus, die sowohl im Kreis- als auch im Stadtrat den ersten Platz belegten, herrschte am Sonntagabend nur ein verhaltener Optimismus. Siegesfreude schaut eindeutig anders aus. Warum? Robu hatte sich wohl ein anderes Ergebnis vorgestellt, die niedrige Wahlbeteiligung ließ wohl seine Träume teilweise platzen. 55.000 Stimmen bekam der damalige Kandidat der Sozial-Liberalen Union vor vier Jahren, jetzt waren es nur noch 41.000. Die Begeisterung der Temeswarer für den Stil des Nicolae Robu, für sein kurioses Amtsverständnis, für seine mitunter peinliche Oberlehrer-Art und sein ausgeprägtes Ego hielt sich in Grenzen. Sollte es irgendeiner Partei, vielleicht sogar der in Temeswar von der Mehrheit verpönten PSD, gelingen, von heute in vier Jahren einen richtigen Kandidaten aufzustellen, könnte ein dann 65-jähriger Robu relativ leicht abgelöst werden. Es sei denn, der Mann versteht, dass spätestens ab der Hälfte seiner neuen Amtszeit ein Nachfolger aufgebaut werden muss; sein Vize Dan Diaconu hat dafür beste Voraussetzungen, sollte ihm der Wunderwuzzi Robu die Chance lassen, in den Vordergrund zu treten.

Bis dahin aber ist in der Banater Metropole viel zu tun; Robu selbst hat Vieles versprochen, diesmal genauso wie vor vier Jahren. Einiges wird er bestimmt in die Wege leiten, doch es wird auf dieselbe Art geschehen: Umfragen auf Facebook, selbst inszenierte Interviews, peinliche Antworten auf schmerzliche Fragen. Der Politikverdrossenheit der meisten Temeswarer kann der Bürgermeister nichts entgegensetzen; machen er, seine Gefolgsleute und die Opposition weiter so wie bisher, werden 2020 noch weniger Bürger wählen gehen. Obwohl die Kommunalpolitik für die meisten Menschen mehr bewirken kann als das weit entfernte Bukarester Parlament. Dass die Bürger das nicht begreifen, ist wahrscheinlich. Die Parteien haben das auch nicht begriffen. Sonst hätten sie andere Kandidaten ins Rennen geschickt anstatt sich über die Wähler lustig zu machen. Denn das haben sie, fast überall. Auch in Temeswar. Und vor allem in Bukarest, wo das Vor-Wahlen-Spektakel der Liberalen unvergesslich ist. Doch das Zuhause-Bleiben ist keine Strafe, sondern für die Amtsinhaber eine Chance, wiedergewählt zu werden. Und der Ausgangspunkt eines Teufelskreises, an dem allein die Bürger zu leiden haben.