Ministerium überlegt Zeitraffer für Unterricht

Spitzenschüler - schneller auf den Arbeitsmarkt

Das „2 in 1“, es klingt eher nach milchdurchtränktem Löskaffee, als nach Bildung und trotzdem ist eine solche Formulierung auch im Schulsystem seit Kurzem nicht mehr fremd. Wird die derzeitige Erwägung des Bildungsministeriums umgesetzt, könnten für Spitzenschüler schon bald zwei Schuljahre innerhalb von weniger als zwölf Monaten absolvierbar sein. In jedem Vierjahreszyklus bis zur zwölften Klasse erhalten Schüler mit besonderen Leistungen die Möglichkeit, in einem Jahr deren zwei abzuschließen. Ein einziges Mal in jedem Zyklus machbar. Auf den ersten Blick kein so ganz abwegiger Vorschlag. Aber nur auf den ersten Blick. Beim längeren Überlegen kommen dann doch gewaltige Zweifel.

„Die rumänische Bildung hat ganz andere Probleme“, sagt Ovidiu Ganţ, auf gleicher Wellenlänge mit vielen Lehrern und Eltern. Ganţ ist Parlamentarier, aber auch ausgebildeter Mathematiklehrer und Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Erwachsene halten nicht viel von dem neuen Vorschlag. In Schülerkreisen kann sich der ein oder andere aber schon vorstellen, früher den Unterricht zu quittieren. Für einen Schüler könnte theoretisch ab der Grundstufe die Möglichkeit bestehen, bis zum Abschluss der 12. Klasse das Abitur um drei Jahre früher ablegen zu können. „Früher zum Studium, früher auf den Arbeitsmarkt, früher von den Eltern unabhängig und ... früher in Rente“, Carol B. findet es recht lustig, was sich da für ihn bieten könnte. „Schade, dass ich schon in der 9. Klasse bin“, blickt er mit leichtem Wehmut auf den letzten Clou des Ministeriums. Mit etwas Phantasie könnte es dann so aussehen, dass ein Schüler am Vormittag in die dritte Klasse geht und kurze Texte nacherzählen muss, und am Nachmittag in der zweiten Klasse erst richtig lesen lernt. Oder er lernt noch in der 7. Klasse, hat aber unterdessen drei Wochen zuvor seinen Abschluss der 8. Klasse geschafft. Auch bei Top-Leistungen eines Schülers könnte alles einen Haken haben. Nämlich dann, wenn der Schüler wegen Fehlstunden die Klasse(n) nicht schafft. Bleibt er dann ein- oder gar zweimal sitzen?

Ein Jahr früher könnte einer wie Carol B. das Abitur trotzdem machen: Wenn es nämlich schnell geht mit den Anwendungsnormen der neuen Regel, wenn Eltern, Schulpsychologe und Hausarzt der Doppelbelastung zusagen und wenn die schulischen Leistungen entsprechen. Die 1., 5., und 9. Klasse ausgenommen, kann die Regel bei zwei aufeinanderfolgenden Klassen angewandt werden – nur einmal in jedem Vierjahreszyklus.

Vor allem Lehrer haben jedoch Bedenken, denn sie sehen die Gefahr darin, dass auch gute Schüler nach einem Jahr der Doppelbelastung plötzlich nicht mehr nachkommen. „Bis sich keiner mehr für ein solches Konzept einspannen lässt, können die ´Versuchskaninchen´ die wirklich Leitragenden sein“, sagt der BZ eine Temeswarer Lehrkraft. Der Abgeordnete des DFDR, Ovidiu Ganţ, belegt seine Zurückhaltung plastisch: „Man stelle sich vor: Da kommt einer mit 15 oder 16 zusammen mit 20-Jährigen an die Uni“...