Neue Erkenntnisse zur Migration der Donauschwaben

Ausstellung beleuchtet alle Etappen der Ansiedlung

Besucher der Ausstellung in der Theresien-Bastei können auch eine Ulmer Schachtel in Miniatur bewundern. Foto: Zoltán Pázmány

Die Reise der Heiligen Maria aus Bussen beginnt im Jahr 1712, als die Wallfahrtskirche, die die Statue beherbergt, in Flammen aufgeht. Die Madonna wird aus dem Brand gerettet und nach Dietelhofen gebracht, wo ein Neffe der Anna Maria Hall als Kaplan tätig ist. Anna Maria Hall gehört zur Gruppe der Aussiedler, die 1726 die gefährliche Donaureise auf sich nehmen, auf der Suche nach einem neuen, besseren Leben. Im Gepäck von Anna Maria Hall befindet sich auch die fast ein Meter hohe Statue der Heiligen Maria, die die Reisenden beschützen soll. Das passiert dann tatsächlich so. Nach der 1400 Kilometer langen Donau-Fahrt in Holzschiffen endet das Abenteuer. Die Reisenden aus Oberschwaben siedeln sich bei Hajós in Ungarn an. Die Marien-Statue wird 1752 in der Kirche aus Hajós aufgestellt. Der Wallfahrtsort wird 1794 durch Papst Pius VI. zur Basilica Minor erklärt.

Dies ist nur eine der zahlreichen Geschichten, die in der Ausstellung „Migration im Donauraum. Die Ansiedlung der Deutschen im 18. Jahrhundert und ihre Folgen“ vorgestellt werden. Es sind vor allem die persönlichen Erlebnisse, die im Gedächtnis der Besucher bleiben. Die Ausstellung kam durch die Zusammenarbeit des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm mit vier Museen aus Rumänien und je einem Museum aus Ungarn und Serbien zustande. „Das zeigt, dass es eine wahrhaftig europäische Ausstellung ist. Andererseits ist auch das Thema etwas Besonderes, denn es steht mit einer ganzen Reihe neuerer Forschungsergebnisse in Verbindung“, sagte Projektkoordinator Christian Glass, der Leiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums, bei der Vernissage in Temeswar.

So kann man beispielsweise erfahren, dass im 18. Jahrhundert nicht nur 200.000 Menschen - hauptsächlich aus dem süddeutschen, elsaß-lothringischen Raum, aber auch aus anderen Gebieten des Habsburgerreichs - auswanderten, sondern nahezu doppelt so viele. Schließlich wurden sie nicht nur von den habsburgischen Kaisern im mittleren Donauraum angesiedelt, wie man es in den Archiven aus Wien nachlesen kann, sondern auch von vielen privaten Grundbesitzern, die auf ihren Gütern Menschen anwarben. Die Ausstellung präsentiert die Migranten aus einer völlig neuen Perspektive. „Lange Zeit hatte man gedacht, dass die Aussieler arme Schlucker waren, doch das stimmt nicht. Es zeigte sich, dass die Leute ein gewisses Vermögen haben mussten, um hier angesiedelt zu werden und sich eine neue Existenz aufzubauen“, erklärte Christian Glass. Ausgestellt wurden auch zahlreiche Objekte, die die Partnermuseen zur Verfügung stellten. Eines davon ist ein Kindersarg, den das Tragor-Ignác-Museum aus Waitzen/Vác in Ungarn zur Verfügung stellte. In dem grün gestrichenen, mit Blumen verzierten Sarg wurde die dreijährige Barbara begraben. Durch das etwas makabre Ausstellungsobjekt möchte man auf die hohe Sterblichkeit im Kindesalter hinweisen, die die Jahre nach der Ansiedlung der Schwaben in den Donaugebieten prägte. Nicht umsonst wird die Situation der Donauschwaben mit dem bekannten geflügelten Wort beschrieben: „Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot“. Erst über Generationen hinweg konnten sich die Migranten an das schwierige Leben in den Ansiedlungsgebieten anpassen.

„Mein persönlicher Favorit in der Ausstellung ist die Landvermessungskette aus dem Jahr 1780. Diese wurde damals für die topografische Vermessung der Grundstücke eingesetzt“, sagt BZ-Redaktionsleiter Werner Kremm, der die Ausstellungstexte ins Rumänische übersetzt hat. Die alten Banater würden immer noch den Ausdruck „zece lan]e de p²mânt“ verwenden, also „zehn Ketten Land“. Die Erklärung für diesen rumänischen Ausdruck fände man in der Ausstellung, so Werner Kremm.

Die Gemeinschaftsausstellung der Museen aus Deutschland, Rumänien, Ungarn und Serbien hat einen Gesamtwert von 200.000 Euro und wurde zu 45 Prozent von der EU unterstützt. Sie kann in der Theresien-Bastei in Temeswar/Timişoara bis zum 15. April besichtigt werden und wandert von da nach Reschitza/Reşiţa und Neusatz/Novi Sad in Serbien.