Poieni - das Dorf mit den zwei Ferienlagern

Zukunft auch von Kabel und Signal bedingt

Neuer Sportplatz in Poieni Strâmbu. Dahinter der Gebäudekomplex.

Besprechung im Freien: Aurel Cotarca (Mitte) bespricht Einzelheiten mit dem Personal.

Einst war im imposanten Gebäude in Poieni die Gendarmerie untergebracht, dann war es Ferienlager. Heute verirren sich nur noch Kühe hierher.
Fotos: Zoltán Pázmány

„Der Krumme”/ “Strâmbu´”, so nannten die Bewohner von Poieni ihren buckligen Mitbewohner, den sie vor langer Zeit, wegen seiner Gestalt aus ihrer Gemeinschaft ausschlossen. Er floh in den Wald und baute sich nicht weit vom Dorf entfernt eine Hütte am „Valea Mare“-Fluss, in einer Waldlichtung, die seitdem als „Poiana lu’ Strâmbu”/ “Die Lichtung des Krummen” bekannt ist, so die Legende. Die Gebäude vor Ort wurden zeitweilig als Unterkunft für die Arbeiter aus dem Steinkohlebergbau und danach als Jagdhaus benutzt. Seit Mitte der Sechziger Jahre steht hier das Ferienlager „Poieni Strâmbu”, eine von zwei Freizeitstätten im Kreis Temesch, die von der Kreisdirektion für Jugend und Sport verwaltet werden und noch funktionstüchtig sind.

 

Mit dem Motorroller in den Dienst

Irina Paveloni rührt in den Töpfen auf dem Herd. Seit Stunden ist sie bereits im Ferienlager. Täglich fährt sie mit dem Motorroller aus dem benachbarten Dorf Poieni zur Arbeit. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es keine und ein Auto hat sie nicht. Als einzige Köchin im Ferienlager hat sie morgens schon um 7 Uhr Dienst, um das Frühstück vorzubereiten und arbeitet dann auch am Abend noch zwei Stunden. Wenn besonders große Gruppen da sind, wird es jedoch kompliziert - manchmal muss auch die Putzfrau beim Kochen mithelfen. „Ich möchte hier nicht weg. Die Stadt gefällt mir nicht. Es ist zu viel Lärm, Luftverschmutzung, und ich hätte sowieso keine Chance einen Job zu finden, denn ich habe keine Hochschulbildung“, vermutet sie. Pendeln kommt nicht in Frage, weil es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt, die Poieni an andere Ortschaften anbinden. Es ist auch lange her, seitdem eine Schmalspurbahn  durch die Gegend ratterte. Selbst von den Gleisen ist jetzt nichts mehr zu sehen. Nicht etwa wuchernde Pflanzen haben sie bedeckt, sondern sie wurden vor ungefähr zehn Jahren gestohlen.

Kleine Bäche mit leichten Wasserfällen, in denen Forellen Zuhause sind, schlängeln durch die Gegend. Die malerische Berglandschaft, die etwas Märchenhaftes hat, zieht vor allem im Sommer neue Siedler, aber auch Wanderer und Ausflügler an. In der Nähe formt sich auch die Bega, nachdem der Fluss „Valea Mare“ sich mit der „Șasa“ verbindet. Die Voraussetzungen für eine Siedlung mit Ferienhäusern sind eigentlich gegeben. Telefon-Empfang und Internet gibt es im Raum Poieni Strâmbu nicht. Dies soll sich jedoch schon bald ändern, hofft Aurel Cotarca, Mitarbeiter in der Kreisdirektion für Jugend und Sport, denn Eigentümer von Sommerhäusern in der Gegend werden wohl bald Internetanschluss beantragen.

 

Hürde EU-Normen

Die umständliche Kommunikation mit der Außenwelt und besonders mit der Verwaltung in Temeswar sieht Cornel Marinescu, neuer Verwalter im „Poieni Strâmbu“-Ferienlager, als größtes Problem: „Wir haben hier nicht alles, was wir brauchen. Viele Sachen gehen kaputt und es dauert lange, bis wir mit Temeswar kommunizieren können.“ Als der ehemalige Verwalter, der 30 Jahre lang hier gearbeitet hat, vor einem Monat gestorben ist, hat Cornel Marinescu, ehemaliger Säger beim Forstamt, die Stelle seines Schwagers übernommen. So wurde das in der Familie und mit dem Bürgermeister besprochen, erzählt er. Ähnlich wie Irina Paveloni, beschäftigt er sich neben dem Job im Ferienlager mit Tierzucht und Feldarbeit, denn nur so können beide finanziell zurechtkommen.

Nicht nur die Dorfbewohner haben gelernt, die Naturressourcen des Berglands zu nutzen, sondern auch das Ferienlager in „Poieni Strâmbu“ - sein Wasser nimmt es sich von sieben Quellen im Gebirge und spart dadurch zusätzliche Wasserkosten. Die Natur hat aber auch so ihre Tücken – jedes siebte Jahr überfällt eine Mäuseplage die Gebäude. Die einzige Lösung dafür war ein Ultraschallgerät, das trotzdem nicht hundertprozentig die Nagetiere entfernt hat, das bestätigen die anwesenden Gäste. Im Schwimmbecken sind die Mäuse ebenfalls zugegen. Ein Schwimmbecken, das ohnehin nicht genutzt wird, da es den derzeit gängigen Normen nicht mehr entspricht. Eine Gruppe Jugendlicher hält sich gerade in Poieni Strâmbu auf. Sie sind über die „Pentru Voi“-Stiftung in den Freizeitort gereist, um da eine entspannte Woche in der Natur zu verbringen. Für Spaziergänge und Freizeitaktivitäten ist der Ort besonders geeignet, erzählen die Betreuer der behinderten Kinder, aber sie hatten sich von dem Ferienlager mehr erwartet. Letzteres lassen sie ebenfalls in ihren Aussagen erkennen. Ein stillgelegter Pavillon liegt unbewohnt am Rand der Freizeitanlage, denn die EU-Normen erlauben es nicht, ihn zu benutzen. Früher konnten die Kinder draußen duschen und die Holztoiletten verwenden, damals war das überhaupt kein Problem. Jetzt steht das Gebäude dort, wie ein Gespenst und fällt langsam zusammen, genauso wie die Bauten des ehemaligen Ferienlagers „Poieni Sat“, im Dorf Poieni.

 

Geisterhäuser im Dorf: das verlassene Ferienlager

1998 wurden im „Poieni Sat“ die letzten Kinder beherbergt. Aus Pflegeeinrichtungen anderer Ortschaften wurden sie hierher geschickt, während der jährlichen Reinigung der Zentren. Allein dafür wurde das Ferienlager in den letzten Betriebsjahren genutzt. Seitdem es gänzlich geschlossen wurde, besuchen nur noch Tiere die Gebäude, denn Türen und Fenster haben die Einrichtungen schon lange nicht mehr. Auf dem Boden liegen Ziegelsteine, die nach dem Einsturz der ehemaligen Kantine dort zurückgelassen wurden. „Niemand will diese Gebäude haben“, so Aurel Cotarca. „Auch als sie noch brauchbar waren, wollte sie niemand anmieten, denn den Vorschriften nach, muss der Betreiber die Bestimmung als Freizeitanlage beibehalten“. Der Vorschlag des Dorfbewohners, den wir auf der Straße treffen, nämlich aus EU-Fonds die Gebäude sanieren und dort ein Altersheim einrichten, wäre deshalb ebenfalls nicht umsetzbar. Solange niemand von Bukarest die Sache in die Hand nimmt, kann hier nichts geändert werden, erklärt Aurel Cotarca, und sieht keine Lösung in der nahen Zukunft.

 

Auch Poieni Strâmbu im Wandel der Zeit

Idyllische Ruhe liegt über der "Lichtung des Krummen". Allein das leise Rieseln des Valea Mare und Vogelgezwitscher durchbrechen die Stille, die im Schutz bewaldeter Berghänge die Natur sich selbst überlässt. Die Ruhe wird auch durch die Gegebenheiten schlechthin gesichert: Ohne Fernseher, ohne Internet und ohne Smartphones. Empfang gibt es in diesem Teil des Poiana-Rusc²i-Gebirge keinen. Eben deshalb bringen Eltern ihre Schützlinge für eine Woche nach Poieni Strâmbu – „Weg vom HighTech“, so in etwa die Devise. Doch lange halten es viele Kids ohne Technik nicht aus und brechen vorzeitig ihren Aufenthalt im Ferienlager ab. Noch ist Kabel verlegen nach Poiana Strâmbu eine kostspielige Angelegenheit, aber über die nahe gelegene – gerade entstehende - Wohnsiedlung Poiana Chei könnte da sich schon bald ein günstigeres Angebot finden lassen. Möglicherweise muss die Lagerverwaltung trotz „Oase der Ruhe“ von ihrer Philosophie mit kabelfreiem Aufenthalt abweichen, denn die potenziellen Kunden sind eher geneigt, dem Modernen zu frönen, als dies zu verpönen.