(Real?)Politik

"So geht das nicht!" Das war, kurzgefasst, die erste öffentliche Äußerung des Kurzzeitpremiers Mihai Răzvan Ungureanu, nachdem er die Gebiete der Schneekatastrophe am Karpatenknie besuchte und hier mit ansehen musste, wie die Soldaten sich abmühten, die Dorfstraßen in Schneeschluchten zu verwandeln, während die Dorfbewohner im Warmen saßen und ihnen durchs Fenster zuschauten, darauf wartend, dass die Soldaten auch bis zu ihrem Hauseingang einen Tunnel graben.
 

Mich hat sein Auftreten beeindruckt, obzwar ich ob dem auf Rumänien angewandten Putin-Modell sauer war, nämlich ein Geheimdienstmann als Premierminister.

Andrerseits: der 43jährige Premier ist einer der wenigen Intellektuellen Rumäniens, die sich noch politisch engagieren, sich - wahrscheinlich bewusst - vor den Karren spannen für eine (vermutlich) unmögliche Mission. Er war bisher in seiner - vor allem diplomatischen - Karriere nie mit Parteien in zu nahen Kontakt getreten (=einer beigetreten), und: er hat über das politische Engagement seinen Weg als Intellektueller nicht vernachlässigt und Bücher in seinem Hauptfach Geschichte veröffentlicht, die auffielen.
 

Damit darf er, eventuell neben Horia-Roman Patapievici an der Spitze des Rumänischen Kulturinstituts, zu den wenigen Intellektuellen Rumäniens gezählt werden, die nicht nur naserümpfend und schulterzuckend das Geschehen betrachten, sondern zupacken. Ein bisschen selbstauferlegte Don-Quijoterie dürfte dabei sein, in einem Ozean simpler Sacho Panzas der rumänischen Politszene.

Intellektuelle haben es in der Politik dieses Landes doppelt schwer. Einerseits herrscht unterschwellig immer noch die Atmosphäre des postrevolutionären "Wir arbeiten, wir denken nicht!" (schauen Sie sich die Spruchbänder der an den Dauerdemos Teilnehmenden an, die nach dem Rücktrittsschubser des Präsidenten gegen Emil Boc konsequent und berechtigt auch den Rücktritt des "Lügners" Băsescus fordern).

Andrerseits findet sich kaum noch ein Denkernder dieses Landes, der eine Berührung mit der praktischen Politik nicht als Selbstbekleckerung ansieht. Daher auch das Peiorative, das den "intelectuali băsişti" (=Intellektuellen Băsescus) (vielen zu Recht!) anhaftet, die verallgemeinerte Geringschätzung, mit der Intellektuelle angesehen werden, die sich politisch anwerben lassen. Sie mutieren zu Sprücheklopfern in den unendlichen TV-Talkshows  und warten auf Beförderung, oder sie ergattern schnell Posten im Ausland, in den EU-Zentralen in Brüssel oder Straßburg, in einer diplomatischen Vertretung oder einer der UNO-Organisationen.
 

Und sie setzen sich vom Inlandsgeschehen ab. Nicht anders Teodor Baconschi, der dann bei seiner Rückkehr geschockt von einem Fettnäpfchen ins nächste tappte, indem er seiner Partei diente, um sie echt christdemokratisch zu machen.

Ungureanu dürfte das, nach seinem ersten Auftritt geurteilt, so nicht passieren. Vielleicht beweist er, dass (Real?)Politik in Rumänien auch anders gemacht werden kann.