Schuldenlast erdrückt ehemalige Vorzeigeinvestition

Agro Line leidet unter Misswirtschaft zu ATON-Zeiten

Anca Ioan: „Wollen zeigen, dass man auch in Rumänien ehrlich und gewinnbringend arbeiten kann“.

Überdimensional scheint alles bei ATON Transilvania. Die Getreidespeicher, die Hallen und gar die Büros. Großzügig viel Raum nehmen sie ein. Dabei ist die Rentabilität des Unternehmens in Mercydorf/Carani - nur gute25 Kilometervon Temeswar/Timişoara entfernt - im krassen Gegensatz zu den Ausmaßen und weit unter den Erwartungen des ehemaligen Hauptaktionärs, ATON GmbH, aus Deutschland. Seit zwei Wochen heißt das Unternehmen zwar Exclusiv Agro Line und die Geschäftsführung hatte noch gar keine Zeit, ihre Visitenkarten umdrucken zu lassen. Der Name wurde also geändert, doch die Probleme, Schulden und Insolvenz sind geblieben. Neuer Hauptaktionär ist die Firma Theta die sich durch Kapitalteilung von der ATON GmbH gelöst hat. Rechtsstreit, Unterschlagungen und Misswirtschaft ziehen sich über die Jahre hin. Dem derzeit suspendierten Bürgermeister von Sanktandres/Sânandrei, Dorel Demea, hatte es immer auch an Kommunikation zwischen Firma und Kommunalverwaltung gemangelt. Ausgegangen war diese seiner Ansicht nach von den ATON-Verantwortlichen in Rumänien.

 

Kurskorrektor und dann Profit

 

Es ist eineinhalb Jahre her, seitdem ATON in der Nähe von Mercydorf (Gemeinde Sanktandres) die landesweit größte Getreidemühle in Betrieb gesetzt hatte – 500 Tonnen sollte sie pro Tag mahlen, mit dem Wortspiel „făină făină“ („exzellentes Mehl“) wirbt die heutige Agro Line noch immer. Es ist der alte Werbeslogan der ATON Transilvania. Dabei war die Mühle noch nie voll ausgelastet, doch gerade in diese Richtung geht die neue Betriebsleitung. Vor allem auf Landwirtschaft setzt sie in Zukunft. Ob in sechs Monaten eine Kurskorrektur in Richtung Profit vollzogen ist, gibt es in der Chefetage eine positive Antwort, die jedoch ganz leise über die Lippen kommt: „Zumindest die eingeschlagene Richtung soll in einem halben Jahr stimmen“, sagt Anca Ioan. Die Bereiche Metallkonstruktionen bzw. erneuerbare Energien wollen die neuen Chefs des Unternehmens fördern. Auch im Segment Metallkonstruktionen sieht die Geschäftsführung großes Potenzial – die neue Betriebsleitung versucht nun über größere Aufträge diesen Bereich rentabel zu machen. All diese Sparten sind bei ATON nicht neu, doch Geld wurde damit auch bisher kaum verdient. Scheinbar hatte die alte Betriebsleitung darauf gehofft, dass Investoren in den Raum Sanktandres kommen werden und dabei die Notwendigkeit nach Metallkonstruktionen akut wird. Vor allem auf eine Mercedes-Niederlassung hatte man gebaut – und was wäre naheliegender gewesen, als seine Geschäfte mit einem Unternehmen vom Schlag einer ATON abzuwickeln, die innerhalb weniger Jahre 260 Millionen Euro in Rumänien investiert hat. Mercedes kam jedoch nicht, und bei ATON schusterten sich angeblich die Firmen innerhalb der Gruppe gegenseitig Aufträge zu. Tragbar war so etwas auf die Dauer nicht. Doch auch sonst scheint nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein. So soll Ackerboden spekulativ, zu horrenden Preisen und auf Kosten und zum Nachteil des deutschen Investors gehandelt worden sein. Von einem Durchschnittspreis von 22.000 Euro pro Hektar Ackerland spricht Direktorin Anca Ioan. Also ein Vielfaches von dem, was landwirtschaftliche Nutzflächen wirklich kosten.

Etwa auf gleichem Level sind heute die Ämter von Exekutivdirektorin Anca Ioan und Geschäftsführer Dorel Andraş. „Jeder versieht nun seinen Ressort, sagt Anca Ioan“. Sie gibt zu, dass die Präsenz im Leitungsteam von Polizeiquästor i.R. Dorel Andraş nicht von ungefähr ist. Erprobt in juristischen Schlachten, nennt Anca Ioan ihren Kollegen Andraş, der an der staatlichen Hochschule in Temeswar, Fakultät für Rechtswissenschaften, als Dozent tätig ist.

 

Zumindest ein Hauptschuldiger in aller Munde

 

Die ATON-Problematik ist alt und komplex. Die Deutschen kauften ein Konglomerat an Firmen, deren Hauptaktionär meist Nikolaus Mann war, der mit Landwirtschaft und Mühle bereits Anfang der 1990er Jahre zu wirtschaftlichem Erfolg gekommen war. 2006 verkaufte Mann an ATON und mutierte unter die 300 reichsten Bürger Rumäniens. Er blieb jedoch auch danach Geschäftsführer mehrerer Firmen aus der ATON-Gruppe. Heute schiebt man ihm die Schuld in die Schuhe, dass vieles falsch gelaufen ist. Es sei nicht nur Wissenstransfer gewesen, den die deutsche Seite nach Rumänien brachte, sondern vor allem hohe Geldsummen, die falsch angelegt oder veruntreut worden sind – so die Aussagen derzeitiger Führungsetage. Nicht die Insolvenz an und für sich, sondern die wirtschaftliche Lage im rumänischen Betrieb habe zu der Anteilsteilung geführt, sagt die Direktorin von Exclusiv Agro Line. Die Kehrtwende konnte auch der von deutscher Seite im Jahr 2009 eingesetzte Generalmanager Dr.Paul Milata nicht herbeiführen. Er musste im Sommer d.J. gehen. Er habe sich mehr mit der Vergangenheit und dem Rechtlichen der Firma herumgeschlagen/herumschlagen müssen, statt ökonomische Werte zu schaffen, heißt es heute im Betrieb. Die Banater Zeitung konnte Nikolaus Mann zu diesem Thema bis zum Redaktionsschluss nicht befragen, da die beschafften Telefonnummern als „nicht zugewiesen“ angegeben wurden.

„Ich liebe Herausforderungen“, argumentiert Anca Ioan, warum sie den Job bei einem insolventen Unternehmen angenommen hat, das monatelang unter Dauerkontrolle der Finanzbehörde stand. „Wir wollen zeigen, dass auch in Rumänien eine ehrlichen und rentable Wirtschaftstätigkeit möglich ist“, setzt die Betriebsdirektorin fort. Die deutsche Seite sei von Anfang an mit viel Elan und Vertrauen ihr Rumänienunterfangen angegangen, sei jedoch eines Besseren belehrt worden: Es führte zu einem totalen Misstrauen“. Fehlende Aufträge für die gegebenen Kapazitäten und eine Last von 360 Millionen Lei, die angeblich in unrechtmäßige Konten gerieten, hängen zehntnerschwer am Hals des Betriebs. Dass „Theta“ eine Briefkastenfirma sei, auf die man die Schulden abwälzt, kann Anca Ioan nicht bestätigen: „Theta hat zur ATON-Gruppe gehört“. Im Betrieb selbst gibt sich manch einer überzogen vorsichtig. Die konkrete Aussage kommt dann – wohl der Presse wegen - recht diplomatisch: „Es wäre schade, wenn wir unsere Jobs verlieren würden“.