Schwaben schrieben Sportgeschichte

Die Sportgeschichte der Banater- und Donauschwaben passt getrost auch in die Heimatgeschichte dieses Sprachraums, hat sie doch viele Spitzenerfolge aufzuweisen. Und weil der Journalist Helmut Heimann (u.a. Neue Banater Zeitung und „Bild“) unserer Zeitung und dem Banat verbunden geblieben ist, hat er uns die Erlaubnis erteilt, die Texte seines Buches über donauschwäbische Ausnahmesportler „Tarzan, Puskás, Hansi Müller“ zu veröffentlichen. Nach einer Einführung in das Buch mit einer kleinen donauschwäbischen Sportgeschichte des ehemaligen Hatzfelder Handballers Josef Koch und einem Geleitwort des deutschen Auswahlfußballers Hansi Müller bringen wir in Zukunft in loser Folge die Porträts von Spitzensportlern mit Wurzeln aus dem Banat und aus dem Donauraum.

Die Redaktion

 

Joseph Koch (stehend) zusammen mit dem ehemaligen bzw. derzeitigen Hatzfelder Forumsvorsitzenden Hans Jirkowsky und Erwin Zappe. Koch ist Ehrenvorsitzender der HOG Hatzfeld. Archivfoto: Zoltán Pázmány

Vom Kinderspiel zum Leistungssport (I. Teil)

Kleine donauschwäbische Sportgeschichte

Von Josef Koch

 

Seit ewigen Zeiten sind Spiel und Sport aus dem Alltagsleben der Menschen nicht wegzudenken. Sie sind nicht nur eine Freizeiterfüllung, sondern dienen gleichermaßen der Stärkung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, wecken Freude bei der Überwindung von Schwierigkeiten und haben so stets die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit entscheidend mitgeprägt. Dabei haben Kinderspiele, bei denen die Freude und die Lust an einfachen Bewegungen im Vordergrund stehen, wie auch Sport und Sportspiele, die stets einen mehr oder minder ausgeprägten Wettkampfcharakter haben, eine gleich große Bedeutung erlangt.

Die Donauschwaben: Kurzer geschichtlicher Einblick

Die Sportbewegung hat sich seit ihren Anfängen nicht immer und überall gleichmäßig entwickelt. Einen entscheidenden Einfluss hatte stets die jeweils herrschende Gesellschaftsordnung. Doch auch Klima, Mentalität, Wohlstand, Gewohnheit, wie auch vom außen kommende Einflüsse haben die Entwicklung von Spiel und Sport bei allen Völkern oder Volksgruppen mit beeinflusst. Die Geschichte des donauschwäbischen Sportes umfasst eine Zeitspanne von nicht einmal 150 Jahren und ist nur zu verstehen, wenn wir auch die Geschichte der Donauschwaben kennen.

Der Name Donauschabe wird erst ab dem Jahre 1920 als Oberbegriff für alle deutschen Siedler, die sich während der drei großen Schwabenzüge(zwischen 1722-1786) am mittleren Lauf der Donau ansiedelten, verwendet. Zur Urbarmachung und Grenzsicherung warb das Österreichische Kaiserreich, innerhalb seiner eigenen Grenzen viele neue Siedler an, die etwa 1000 neue Siedlungen errichten.

So zogen während einer etwa 80-jährigen Ansiedlungsperiode annähernd 150.000 deutsche Siedler Richtung Südosten und gründeten sich dort neue Existenzen. Aus den Nachfahren dieser Erstsiedlung ist im Laufe der Jahre durch Vermischung und Vereinheitlichung der einzelnen Dialekte der jüngste deutsche Neustamm, die Donauschwaben, entstanden.

Bis zum Beginn der 2. Weltkrieges lebten im gesamten Siedlungsgebiet annähernd 1.500.000 Donauschwaben, etwa eine halbe Million in jedem der drei Länder (Jugoslawien, Ungarn, Rumänien).

  1. Von der Ansiedlung bis 1875

Die  ersten 100 Jahre nach der Ansiedlung waren für die gesamte donauschwäbische Bevölkerung Jahre schwerster Arbeit und oftmals großer Not. Galt es doch, den Boden urbar zu machen, die Sümpfe trocken zu legen und die Wildnis zu roden. Dazu wurden alle arbeitsfähigen Hände von früh morgens bis spät abends benötigt. Ausnahmen gab es nur am Sonn- und Feiertagen.

Einzig die Kinder waren von diesen schweren Arbeiten befreit. Ihre Hilfe wurde nur zu kleineren Arbeiten im Haus und Hof in Anspruch genommen. Man ließ ihnen viel Zeit zum Spielen, ganz gleich ob die Tage lang und warm oder kurz, kalt und schneereich waren. Die breiten Gassen, die großen Höfe und Gärten waren die beliebtesten Spielplätze und ihr Einfallsreichtum ließ sie immer neue Spiele erfinden und ausprobieren: Laufspiele, Lauf- und Aufmerksamkeitsspiele, Lauf- und Fangspiele, Wurfspiele, Sprungspiele, Sprung- und Geschicklichkeitsspiele, Schießen mit selbst gebasteltem Pfeil und Bogen, Klettern und Hangeln als Mutprobe.

Abwechslung brachte im Hochsommer das Schwimmen und Tauchen in den für die donauschwäbischen Siedlungsgebiete typischen Kaulen am Dorfrand. Da das Wasser nur eine geringe Tiefe hatte, war es für die Kinder immer angenehm warm und sicher. Sogar im Winter blieben die Kaulen belebt, da man sich auf der zugefrorenen Eisfläche mit den Schlitten und den ersten selbst gefertigten, primitiven Holzschlittschuhen nach Herzenslust austoben konnte. In den hügeligen Gegenden war selbstverständlich das Rodeln sehr beliebt und in den Ruhepausen baute man die schönsten Schneemänner.

II. Die Jahre zwischen 1875-1920

Es sind die Jahre der ersten wirtschaftlichen Erfolge und spürbaren Aufschwungs. Die Bauern können in normalen Jahren ausreichend Ernte einfahren und was nicht für den Eigenbedarf benötigt wurde, konnte entweder getauscht oder verkauft werden. Es entwickelte sich ein ständiges Geben und Nehmen zwischen den Bauern und Handwerkern sowie zwischen Dorf und Stadt, wo die ersten Industriebetriebe ihre Produktion aufnahmen.

Die ersten Bauernsöhne – nur selten Töchter – konnten zum Studium in die Stadt geschickt werden. Hier machten sie auch Bekanntschaft mit dem hier schon organisierten Sportgeschehen. Und je nach Studienort (Wien, Berlin, Budapest, Temeswar u.a.) lernten sie jeweils andere Sportarten kennen. Es waren die Studenten, die in den Ferien den Sport in ihre Heimatdörfer brachten und so für die Dorfjugend zu Vorbildern wurden. So entstanden, mit einigen Jahren Verspätung, auch auf den Dörfern die ersten Sportvereine.

Erste Vereine auch im Banat

Für die Verbreitung des Sportes im donauschwäbischen Siedlungsraumspielten alle größeren aber auch einige kleineren Städte eine wichtige Rolle. Wien, Berlin, Budapest, Temeswar, Groß-Betschkerek, Hatzfeld, Werbass, Neusatz, Reschitz, Fünfkirchen u.a waren die großen Vorbilder. Für die heutige Zeit fast unglaublich die Vielzahl der damaligen Vereine und der schon ausgeübten Sportarten. Wahrscheinlich zu den ersten Vereinen überhaupt kann man die Schützen-Vereine zählen. Doch schon recht bald folgten viele weitere. So zählt bestimmt der 1870 in Temeswar gegründete “Ruderverein“, oder etwas später der Kahnfahrerverein “Regatta“ dazu, die sich nur wenige Jahre später am Bega-Ufer ein dazugehöriges Vereinsheim hinstellten. Wahrscheinlich das erste dieser Art überhaupt.

Lief man bis etwa 1880 ausschließlich mit den Holzschlittschuhen über das Eis, kamen ab jenem Jahr die ersten Stahlschlittschuhe in den Handel. Eine logische Folge war die Gründung des ersten “Schlittschuh-Vereins“ (um 1881) in Temeswar, gefolgt von vielen anderen. An schönen Wintersonntagen wurden richtige “Eisfeste“ in Temeswar, Budapest, Hatzfeld, Weißkirchen oder in Apatin gefeiert.

In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts erobert eine Erfindung zuerst die Städte und wenig später die Dörfer. Da noch recht teuer und selten erschwinglich, bleibt vorerst das Radfahren nur wenigen vergönnt. Trotzdem wurden schon recht früh im Temeswar der “Velocitas“ (1886) und in Apatin (1898) der “Bicycl“-Verein  gegründet. Nur wenige Jahre später wurden die ersten Fahrradrennen ausgetragen und in Temeswar die erste Radrennbahn (1897) eingeweiht. Der Stolz der Bauern waren seit jeher seine Pferde, eine Eigenschaft die auf den banatschwäbischen Bauern ganz besonders zutrifft. Sie dienten ihm in ersten Linie als Arbeitstiere, doch ebenso gerne nahm er seine schönsten zum Reiten. Spannende Reitwettbewerbe zwischen den Dörfern wurden immer öfter ausgetragen. Schriftlich festgehalten ist sogar die Existenz einer “Reitschule“ im Banater Dorf Glogowatz.

Um das Jahr 1900 verbreitet sich das Fußballspiel aus den Städten in die Dörfer. Je mehr Studenten ein Dorf hatte, ganz besonders im Budapest oder Wien, umso schneller war das Spiel mit dem runden Leder bekannt und beliebt. In ihren Ferien brachten sie die ersten Bällein ihre Heimatdörfer und an den Sonntagnachmittagen fanden auf den Hutweiden, unter Hinzunahme der dörflichen Jugend, die ersten Spiele statt.

Die Donauschwaben und ihre Fachausdrücke

Wie die Pilze schossen die ersten Fußball-Vereine in den Städten und Dörfern aus dem Boden. Die ersten Berichte über Fußballspiele stammen aus Budapest (1897) und Temeswar. Hier fand im Jahre 1898, im Rahmen eines großen Turnfestes das erste Fußballspiel zwischen zwei Klassen des Piaristen-Gymnasiums statt. Vier Jahre später (1902) wurde der erste Temeswarer Fußball-Club gegründet, der sich schon 1906 sein erstes Spielfeld anlegte, das 1910 eine erste Zuschauertribüne erhält. 1913 fand in Temeswar ein erstes internationales Spiel gegen die englische Studentenmannschaft “Oxford-City“ statt. Die bekannteste Temeswarer Mannschaft jener Zeit war der 1910 gegründete “Eisenbahner-Sportclub“, der in den Nachkriegsjahren seine größten Erfolge feierte und mehrmals rumänischer Fußballmeister wurde.

Noch vor Ausbruch des 1. Weltkrieges wurden in vielen anderen donauschwäbischen Orten die ersten Sport-und Fußballereine gegründet. So in Hatzfeld (1909), Modosch (1910), Apatin (1910), Brestowatz (1913), Filipowa (1914) oder Ruma. Hier wurde schon 1905 der “Deutsche-Turn-Verein“ gegründet, der nur wenige Jahre später auch eine Fußballabteilung erhielt.

Interessant und aufschlussreich, woher das Fußballspiel ursprünglich kam, sind die “Fachausdrücke“ die bei den Donauschwaben bis in unsere Tage verwendet werden. Einige Beispiele: Fotball (Fußball), Gol (Tor), Hends (Handspiel), Obseid (Abseits), Tatsch (Aus) oder auch die Spielpositionen wie Beck, Half, Zenterhalf, Zenter. Während sich die Dorf- und Stadtjugend dem Fußballspiel mit großer Begeisterung widmete, fand eine andere Sportart ihre ersten Anhänger. Beamte, Studenten und die wohlhabende Bauernjugend spielte Tennis. So hatte der in Hatzfeld schon 1890 gegründete “Athletik-Club“ eine Tennisabteilung und einen eigenen Tennisplatz im Stadtpark. Erwähnenswert auch die Tennis-Vereine in Lowrin (1900) Groß-Betschkerek (1905) und Apatin (1910).

Nicht wie erwünscht und erhofft konnte sich in diesen Anfangsjahren das Geräteturnen durchsetzen. Vorerst wurden nur in den Städten die ersten Vereine ins Leben gerufen. So in Temeswar, wo schon 1879 der erste Turnclub erwähnt wurde. Weitere Vereine gab es in Hatzfeld (1919), Ruma, mit seiner im Jahre 1918 gegründeten Mädchen-Turnriege oder Lugosch. Es sollten noch einige Jahre vergehen bis das Geräteturnen den Durchbruch schaffen konnte.

Im Jahre 1914, mit Beginn des 1. Weltkrieges, hörte fast schlagartig die gesamte Sportbewegung auf und durchweg alle Vereine stellten ihre Tätigkeit ein. Danach wurde das in fast 200 Jahren gewachsene donauschwäbische Siedlungsgebiet auf drei Nachfolgestaaten des Habsburger-Reiches (Ungarn, Jugoslawien und Rumänien) aufgeteilt und so wirtschaftlich, kulturell und sportlich auseinandergerissen.

(Fortsetzung folgt)

Redaktionelle Kürzung: Siegfried Thiel