Stimmen aus der grenzüberschreitenden Heimat

Zu Heidrun Hamersky, Ilse Hehn, Wolfgang Schlott (Hrsg.) „Die Sehnsucht, die ist mir so leicht. Schreiben im Exil“, POP Verlag Ludwigsburg 2016

Gibt es das wohl- eine grenzüberschreitende Heimat? Die neue Anthologie des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder, kürzlich im POP-Verlag Ludwigsburg erschienen, nährt vielstimmig und doch  auf die stille Art und Weise die Hoffnung und den Glauben daran. Trotz weiterer Fragenstellung über so belastete Begriffe wie Heimat und Exil, 70 Jahre nach dem II. Weltkrieg, ein Vierteljahrhundert nach dem Fall von Mauer und Grenzen in Europa, zeigt der repräsentative Sammelband (228 Seiten)  der seit 1956 bestehenden deutschen Literaturvereinigung,  auch einen sicheren, idealen Ort für literarische Grenzgänger aus allen Herren Länder  an. Es ist die alte und die neue Heimat in einem, die nie verlorene und gastfreundliche Heimat der deutschen Sprache und Literatur.

Eine Verortung der 49 Autoren (das Exil-P.E.N. zählt derzeit 90 Mitglieder aus Europa und der Welt) führt weit über die Grenzen Europas hinaus bis Vietnam (Ngo Nguyen Dung), Togo  (Ali Akondoh) oder nach dem Iran und Syrien (Shahla Aghapour bzw. Helim Yusif). Als Kerngruppe kann man jedoch leicht die zahlenmäßig größte Autorengruppe aus den ehemaligen kommunistischen Staaten Ost- und Südosteuropas ausmachen (Näheres zu erfahren im ausführlich gestalteten bibliographischen Anhang), wobei neben den zahlreichen Autoren aus der ehemaligen Sowjetunion vor allem die starke Präsenz der rumäniendeutschen Gegenwartsliteratur (mit dabei auch einige Vertreter der rumänischen Literatur) hervorzustreichen ist. Schon der Titel „Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“ (nach einem Vers des in Temeswar lebenden Autors Balthasar Waitz) verweist darauf, daß es hier außer verschiedener Schriftstellergenerationen der fünften deutschen Literatur Europas, außer den vor und nach der Wende ausgesiedelten Autoren auch Schriftsteller zum Wort kommen, die in der angestammten Heimat leben und wirken: Mit Texten vertreten sind so die dem Temeswarer deutschen Literaturkreis „Stafette“ angehörenden Autoren Henrike Brădiceanu-Persem, Petra Curescu, Annemarie Podlipny-Hehn und Balthasar Waitz. Lyrik und Prosa zu lesen sind zudem von Hans Bergel, Dagmar Dusil, Uwe Erwin Engelmann, Ilse Hehn, Horst Samson, Dieter Schlesak, Frieder Schuller, Katharina Kilzer und Hellmut Seiler, sowie von den der rumänischen Literatur zuzuordnenden Autoren Steliana Huhulescu, Kira Iorgoveanu-Mantsu, Ruxandra Niculescu,Traian Pop und Eugen Popin. Künstlerisch untermalt ist der Band mit Abbildungen von Arbeiten zum Thema „Fremdheit“ der aus dem Banat stammenden Autorin und bildenden Künstlerin  Ilse Hehn und Shala Aghapour.

Abschließend sei gesagt: Eine derartige Anthologie - erinnert sei auch an  die Anthologie  „Heimat-gerettete Zunge“ (Herausgeber Horst Samson) , 2013- ist aus der Sicht der rumäniendeutschen Literatur ein wichtiges Unternehmen der Identitätsbewahrung. Zwischen den Zeilen zu lesen auch das starke Engagement für eine neue, europäische Identität: Mit der deutschen Sprache und Literatur haben die Autoren und grenzüberschreitenden Literaturen in Europa eine neue, großzügige Heimstätte gefunden.