Tabubrüche

Unlängst wurde in Bukarest die rumänische Ausgabe von Anne Applebaums „Gulag Voices: An Anthology“ (ersterschienen bei Yale University Press) vorgestellt. Das Buch (Pulitzer-Preis) der Ehefrau des polnischen Außenministers Radoslav Sikorski gehört zu den vier Büchern, die in den Vereinigten Staaten in der jüngsten Zeit mit einem Tabu der Siegermächte des zweiten Weltkriegs brachen: Voices of the Gulag, herausgegeben von Alexander Solschenizyn, The Victims Return: Survivers of the Gulag von Stephen F.Cohen und Gulag Boss: a Soviet Memoir von Fyodor V. Mochulsky. Das gebrochene Tabu: In den KZs der Nazis sind Menschen getötet worden, in den Gulags des Mitsiegers des zweiten Weltkriegs, Stalin, geschah das selbe.

Wir Osteuropäer können nicht genug die Verdienste der sowjetischen Dissidenz, eines Solschenizyn, Sacharow, der Samisdat-Literatur usw. loben – und auch der Westen, der erst 1974 durch den „Archipel Gulag“ von A. Solschenizyn schockartig auf die osteuropäische Variante der Konzentrationslager aufmerksam wurde und eine Menschenrechtbewegung aufzubauen begann, als (endlich!) auch die französischen Marx-Engels-Leninhörigen um einen Jean-Paul Sartre Unterdrückungswahrheiten des von ihnen idealisierten Kommunismus überhaupt zu glauben begannen.

Anne Appelbaum spricht bezüglich der sowjetischen Gulags von einer „Logik des Tagtäglichen“ – was wir als „Normalität des Lebens“ ja auch aus Rumänien kennen, obwohl es hier nur in der stalinistischen Zeit Gulags als Vernichtungslager der zu politischen Gegnern Deklarierten gab. In diesem Sinn meint auch Anne Appelbaum: „Wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet, dann stellt man fest, dass die Verfolgungs- und Massenvernichtungsinstitutionen nichts Einzigartiges sind und irgendwann fast überall existiert haben, auch wenn wir in den USA fast nur von KZs oder Gulags reden.(...) In den kulturellen Gegebenheiten der Menschheit gibt es jederzeit die Möglichkeit, ein vergleichbares Phänomen zu schaffen.“

Um dem entgegenzuwirken, ist die Erhaltung demokratischer Institutionen, des Rechtsstaats und die Respektierung demokratischer Gesetze unumgehbar.

Auch Museen sind demokratische Institutionen. In Osteuropa sind inzwischen zahlreiche „Museen des Kommunismus“ entstanden.

Eines der ersten war der „Memento Park“ in Budapest, 1990 durch Architekt Ákos Eleöd („Das ist ein Park über Demokratie. Nur die Demokratie erlaubt, frei über Diktaturen nachzudenken.“) eingerichtet. Moskau hat das „Museon – Park der Künste“, wo die Statuen der „Ehemaligen“ im „Park der gefallenen Helden“ stehen. Prag hat ein "Museum des Kommunismus (- Traum, Realität, Alptraum)“, Vilius den „Gruto Parkas“ als Zeichen, „dass die Litauer keine Angst mehr haben vor dem Kommunismus“ (Parkinitiator Malinauskas) und Sofia ein „Museum der sozialistischen Kunst“.

In Bukarest zerlegten die Schrottdiebe in Mogoşoaia die Lenin- und die Petru-Groza-Statue, immerhin: Werke von Boris Caragea und Romul Ladea.

Wer fürchtet sich in Rumänien vor der „Kunst des Kommunismus“, wer fürchtet ein Nachdenken über den Kommunismus?