„Temeswar ist meine große Liebe“

BZ-Interview mit dem Architekten Mihai Opriş

Das „Ferencz Emmer“-Palais. Architekt László Székely, Bauingenieur Josef Ecker (Eckert) jun. im „Stil der 1900’ Jahre“, Stilrichtung Art Nouveau. Die Baugenehmigung wurde am 27. Februar 1906 erteilt und die Arbeiten am 9. Januar 1907 beendet.

Die Milleniumskirche in der Temeswarer Fabrikstadt nach den Plänen des Architekten Lajos Ybl (Ludwig von Ybl) im eklektisch/historizistischen Stil mit vorwiegend neoromanischen Elementen errichtet. Die Bauarbeiten haben am 16. Juli 1896 begonnen; die Einweihung fand am 13. Oktober 1901 statt.

Der Temeswarer Domplatz mit der im Barockstil in Wien angefertigten Dreifaltigkeitssäule. Über die Donau, die Theiß und den Begakanal wurde sie nach Temeswar geschifft. Zuerst stellte man sie am 21. November 1740 am Platz des Siebenbürger Tors und später, im Oktober 1755, am Domplatz auf.

Die römisch-katholische Domkirche wurde 1736-1774 im Barockstil errichtet. Der Baustil erinnert an die plastische Ausdrucksweise des bekannten Wiener „Hofarchitekten“ Joseph Emanuel Fischer von Erlach (Sohn). In manchen Quellen werden Kaspar Dissel in anderen Johann Jakob Scheiblauer als Autoren des ursprünglichen Projektes erwähnt. Das Hauptaltarbild ist ein Werk Michel Angelo Unterbergers, dem Rektor der Wiener Kunstakademie im Jahre 1754. Der Dom wurde 2003-2004 saniert. Für den Projektentwurf und die Aufsicht der Renovierungsarbeiten war Arch. Mihai Botescu zuständig.

Innenansicht der serbisch-orthodoxen Bischofskirche (1744-1748) am Domplatz. Eine Besonderheit ist die 1838-1843 vom Maler Constantin Daniel im abendländischen Stil gemalte Ikonostase.

Ein Teil der Theresien-Bastei - die älteste Bastei der Festung. Sie wird bereits 1732 oder 1733 in den Stadtplänen festgehalten und trägt seit 1744 den Namen Theresien-Bastei. 2008-2010 erfolgte ihre Sanierung nach den Plänen des Architekten Marius Miclaus.

Die Dezebal-Brücke (1908-1909) - Arh. Albert Körössy, Ing. Gyözö Mihailich. Der Baustil ist jener der Jahre 1900 (Sezessionsstil). Im Hintergrund: das Neptun-Palais im selben Stil nach Plänen des Arch. László Székely errichtet. Die Baugenehmigung wurde am 30. März 1912 erteilt und die Bauarbeiten 1914 abgeschlossen.

Der aus Temeswar stammende und zurzeit in Deutschland lebende Architekt Mihai Opriș hat unlängst zusammen mit einem anderen Temeswarer Architekten, Mihai Botescu, den Band „Die historische Architektur in Temeswar“ („Arhitectura istorică din Timișoara“) herausgegeben. Mihai Opriș besuchte die Lenauschule; sein Architekturstudium erfolgte am „Ion Mincu“-Architekturinstitut in Bukarest (1966 gab es nur die in Bukarest). Nach dem Hochschulabschluss kehrte er nach Temeswar zurück und war im Entwurfsinstitut-IPROTIM bis 1977 tätig. 1977 unterrichtete er an der Architekturfakultät in Temeswar und ab 1978 am „Ion Mincu“-Architekturinstitut in Bukarest, bis er 1987 aus politischen Gründen entlassen wurde. 1987 erschien sein erstes Buch über seine Heimatstadt „Temeswar. Kleine städtebauliche Monographie“ („Timișoara. Mică monografie urbanistică“). Zwei Jahrzehnte später, 2007, veröffentlichte er das zweite Buch „Temeswar: Urbanistische Monographie, jüngste Entdeckungen, die die Korrektur der städtebaulichen Geschichte Temeswars erzwingen“ („Timișoara: Monografie urbanistică, descoperiri recente care au impus corectarea istoriei urbanistice a Timișoarei“), von dem aber nur der erste Band erschienen ist. Der Architekt (1988-2008 war er als Entwurfsverfasser und Bauleiter in Deutschland tätig) hat einen Teil seines umfangreichen Wissens über historische Bauten und Stadtplanung in Temeswar im Laufe der Stadtgeschichte nach vierzig Jahren in sein jüngstes Werk verpackt. Teilweise ist das Buch auch wie ein Bildband gestaltet, denn es entstand in Zusammenarbeit mit dem Temeswarer Architekten Mihai Botescu, der den Großteil der insgesamt 500 im Band enthaltenen Abbildungen historischer Gebäude lieferte. Das Gespräch führte die BZ-Redakteurin Iulia Sur.

Sie sind Autor von zwei Monographien der Stadt Temeswar, die 20 Jahre auseinander liegen. Von der zweiten ist aber nur der erste Band erschienen, wann können die Temeswarer mit einer Fortsetzung rechnen?

Das kann ich nicht sagen. Ich hoffe, dass ich es noch schaffe.

Welches war der Anlass zu Ihren Recherchen über Städtebaus in Temeswar?

Schon als Schüler hat mich die Geschichte Temeswars interessiert. Jemand hat mir Preyers Monographie aus dem Jahr 1853 geliehen. Die von Iliesiu, erschienen 1943, hat man mir geschenkt. So habe ich über die Geschichte der Stadt Deutsch und Rumänisch lesen können. Dann habe ich dreimal nacheinander, als Gymnasiast, in der Schulklasse den Kollegen über die Geschichte Temeswars erzählen dürfen. Später, als Fachmann, habe ich mich mit der städtebaulichen Geschichte von Temeswar auseinandergesetzt. Seitdem arbeite ich an der Architekturgeschichte der Stadt. Temeswar ist meine große Liebe geblieben, darf ich sagen. Im Oktober 1974 habe ich die erste wissenschaftliche Arbeit über die städtebauliche Entwicklung Temeswars veröffentlicht. Weil es Probleme mit der Fundamentierung der geplanten Gebäude rings um die Innenstadt von Temeswar gab, erhielt ich den Auftrag, auf einem damals „aktuellen“ Stadtplan, den Grundriss der Festung aus dem 18. Jh. darzustellen. Als man neue Häuser (damals Hochhäuser in Plattenbauweise) geplant hat, musste man erforschen, wie der Baugrund beschaffen ist, um die Fundamente zu berechnen. Man hat geotechnische Sondierungen und Bohrungen durchgeführt. Aber in Temeswar gab es Reste der alten Festungswerke, die unterirdisch, linear, lagen. Nach manchen Bohrungen, die nur punktuell sein konnten (5 cm Querschnitt bei schweren Rammsondierungen), wurde vermutet, dass auf dem ganzen Baugrundstück die Fundamenttiefe günstig geplant werden kann. Das stimmte nicht, weil es irgendwo entweder einen ehemaligen Kanal oder den Rest eines Festungswerks gab, die man durch die Bohrungen nicht erfasst hat. Es war die Zeit der Planwirtschaft, der sogenannten Fünfjahrespläne, die anhand von Angaben aus Temeswar in Bukarest entschieden wurden. Als man bauen wollte, hat man oft festgestellt, dass es von Menschenhand erzeugte „Anomalien“ gab, die man nicht rechtzeitig entdeckt hat. Dies hatte den Bau verteuert – die genehmigte Finanzierung stimmte nicht mehr. Die Bauzeit konnte um Jahre verlängert werden – bis man in Bukarest die außerplanmäßigen Zuschüsse genehmigt hat. Deshalb sollte ich die alte Festung und alle Kanäle, die es um die Festung gab, auf einem damals aktuellen Stadtplan darstellen. 1974-1975 konnte ich im Staatsarchiv (heute Nationalarchiv, Kreisdirektion Temesch) historische Militärpläne untersuchen. Stadtpläne, die in Militärarchiven aufbewahrt wurden, konnten bis in die siebziger Jahre von zivilen Geschichtsforschern nicht untersucht werden. Deshalb enthalten die alten Monographien viele „Unstimmigkeiten“. Nun einige Beispiele: Man behauptete, dass die Fabrikstadt auf dem Gelände der Großen Palanka gebaut wurde. Das stimmt nicht. Die Große Palanka endete gleich hinter der heutigen Neptun-Brücke und das Neptun-Gebäude liegt schon außerhalb der ehemaligen Großen Palanka. Alles, was östlich davon lag, war bis 1718 gar nicht bewohnt. Einige Historiker meinten, dass die 500 Klafter (948 m) breite Ebene um die Festung, wo Bauverbot herrschte, Glacis hieß. Falsch! Sie hieß Esplanade.

Warum war die Esplanade so breit?

Die Kanonen schossen damals 500 Klafter weit. Es herrschte Bauverbot, damit eventuelle Bauten einem potentiellen Feind, der die Festung belagern und auf die Festung schießen wollte, keine „Deckung“ boten.  Deshalb sind die ehemaligen Vorstädte, heute Stadtteile, die Fabrikstadt, die Josefstadt und die Mehala, ungefähr zwei Kilometer vom Zentrum der Innenstadt entfernt. 1974-1975 habe ich festgestellt, dass es Fehler in älteren Monographien gab, 13 Jahre später ist die erste Monographie erschienen, wo ich einige fehlerhafte Behauptungen richtig gestellt habe.

Das war die erste Monographie, die von 1987...

Ich habe ab 1980 mehr als 375 historische Temeswarer Stadt- und Festungspläne im Militärmuseum von Bukarest untersuchen können. Stadtpläne untersuchen, das war mein Metier als Architekt und Stadtplaner. Das hatten Historiker, die früher Monographien verfassten, nicht machen können, eigentlich nicht machen dürfen. So habe ich ein paar Entdeckungen gemacht und konnte die Sachen richtig stellen.

Wie lange haben Sie an Ihrem letzten Buch gearbeitet?

Es steht auch in meinem Buch, dass es praktisch ein Ergebnis der Untersuchungen darstellt, die ich 40 Jahre lang unternommen habe. Die meisten Fotos machte Architekt Mihai Botescu, der seit 40 Jahren Temeswar fotografiert. Ein Beispiel seiner Arbeit ist das Foto derMillenniumskirche in der Fabrikstadt. Die Hauptfassade der Kirche ist nach Norden orientiert, so dass sie nur wenige Tage im Jahr von der Sonne beleuchtet wird. Da muss man in Temeswar zur richtigen Zeit sein, da muss auch das Wetter mitspielen, nur dann kann man so ein Foto machen, damit die Fassade der Kirche so aussieht wie der Entwurf ihrer Fassade, den wir auch veröffentlichten. In anderen Büchern mit Abbildungen liegt diese Fassade immer im Schatten. Man kann die Details kaum erkennen.

Was bringt es an Neuem im Vergleich zu den beiden anderen Monographien?

Beim ersten Buch gab es eine Selbstzensur. Es ist unter der kommunistischen Diktatur erschienen und ich wusste, dass man manche Sachen nicht schreiben durfte. Das Buch sollte 1984 erscheinen. 1985 bis 1987 wurde mir die Veröffentlichung ständig verweigert. Im letzten Buch erscheinen aber Angaben, die man vor 1989 nicht hätte drucken können: Welcher Bau es war, wer der Architekt und wer der Bauingenieur war, wann die Baugenehmigung erteilt wurde, wann die Fertigstellung der Bauarbeiten erfolgte. Das hat man bis jetzt nie in einem Buch erfasst. Z.B. im Falle des „Ferencz Emmer“-Palais auf der Mercy-Straße 7. In den Bauunterlagen habe ich den Namen Emmer Ferencz gefunden, aber ich weiß, dass er Franz hieß. So steht es auch im neuen Buch: „Palatul Ferencz (Franz) Emmer“. Von den 14.500 historischen Bauten in Temeswar gibt es im neuen Buch die wichtigsten 500 Gebäude. Für alle 14.500 historischen Bauten hätte man 14 Bände schreiben müssen. Das hätte man nicht finanzieren können. Die wichtigsten 500 Bauten erscheinen mit einer kurzen Beschreibung, wie die oben erwähnte. Wenn Sie Informationen über ein Haus suchen, sagen wir in der „Alba Iulia“-Straße, dann müssen Sie im Register bei „str. Alba Iulia“ (wie im Telefonbuch) aufschlagen. Sie werden drei Häuser auf den Seiten 76, 142 und 177 finden. In der Regel sind es die wichtigsten Bauten der Stadt, die wir ausgewählt haben.

Wie schwierig war es, die bisher geltenden Mythen über manche Temeswarer Gebäude abzubauen?

Das habe ich schon im ersten Buch gemacht, nur viele haben das nicht genau gelesen. Z.B., dass die Ebene um die Festung nicht Glacis, sondern die Esplanade hieß (Glacis war ein anderes Befestigungswerk) usw. Das sind eher technische Details. Über die neue, bastionierte Festung aus dem 18. Jh. hat man behauptet, dass der Grundstein am 25. April 1723 gelegt wurde. Die entsprechende Feierlichkeit wurde im Tagebuch der Jesuiten genau vermerkt. Nur scheint es, dass es sich um Bau- oder Instandsetzungsarbeiten an der alten, damals bestehenden Festung handelt. Festungspläne aus den Jahren um 1729 belegen eindeutig, dass die neue Festung noch nicht entworfen war. Man wusste nicht einmal, ob sie sieben, acht oder wie tatsächlich gebaut, neun Bastionen haben wird. Immerhin wird auch heute der 25. April als „Tag der Festung“ gefeiert. Ein anderes Beispiel liefert das sogenannte „türkische Haus“ in der Celebi-Straße in der Elisabethstadt. Sämtliche Stadtpläne, die älter als 1746 sind, beweisen eindeutig, dass diese Gegend vor 1746 nicht bewohnt war. Das sogenannte türkische Haus erschien zum ersten Mal auf einem militärischen Plan von 1746 als Haus des „Haubtmann Tistel“. Es geht um den berühmten Bauingenieur Dissel/ Distel/ Distl, der beim Temeswarer Dombau und bei vielen anderen Bauten tätig war. Architekt Opri{an, der 1990 die Ziegel des Gebäudes untersucht hat, behauptete, die Maße seien typisch für die Ziegel der Habsburger-Zeit in Temeswar gewesen. Ein anderer Mythos wäre das Mercy-Haus, das eigentlich 1804 geplant und vor (oder bis) 1812 errichtet wurde, und nicht wie früher behauptet, aus der Mercy-Zeit stammt (aus dem 18. Jahrhundert).

In Temeswar gibt es 14.500 historische Bauten, die Sie in Ihrem neuesten Buch erforscht haben. Aus welcher Zeit stammen die meisten davon?

Die Frage kann man nicht einfach beantworten. Nicolae Iliesiu behauptet in seiner Monographie, vor 1919 hätte es in Temeswar 4.200 „Häuser“ gegeben, 1943 waren es 9.050. Vom Bauvolumen her sind viele der 4.850 „Häuser“, die man 1919 - 1943 errichtet hat, kleiner als viele der Bauten vor 1919. Die meisten der 4.200 Häuser vor 1919 entstanden in der Sezessionszeit, im „Stil der 1900er Jahre“, wie ich diese Zeitspanne betitelt habe. Vom Baustil her sind die meisten eher eklektisch.

Sehr wenige Bauten gehören noch zum Barock. Dr. Rodica Vârtaciu meint, es gibt noch sechs besterhaltene Barockbauten unter anderen die Domkirche, das Präsidentschaftspalais oder Barockpalais, das Bischofspalais... Wie sieht es mit der Lage der anderen aus?

Es ist kompliziert, die meisten stilistisch einzuordnen. Z.B. die vier Häuser, die die östliche Hälfte der Nordfront vom Domplatz bilden. Man nannte sie auch Domherrenhäuser. Auf dem Stadtplan von 1758 weisen diese Häuser einen symmetrischen Gesamtgrundriss auf, als ob alle vier ein einziges großes Gebäude bilden würden (obwohl es schon vier unterschiedliche Parzellen gab). Auf Abbildungen, die vor 1849 entstanden sind, tragen alle vier ein einziges barockes Dach mit zwei typisch barocken Giebeln an den Straßenecken. Normalerweise hat ein jedes Haus aus statischen, aber auch brandschutztechnischen Gründen, einen eigenen Dachstuhl, der vom Nachbargebäude getrennt ist. Jedes Haus muss seine eigene Struktur haben. In diesem Fall haben je zwei Häuser eine einzige Firstpfette, als ob ursprünglich alle vier Häuser ein einziges Gebäude gebildet hätten. Vermutlich nach der Belagerung von 1849 erhielt ein jedes der vier Häuser eine eigene Fassade in eklektisch/ historizistischem Stil der zweiten Hälfte des 19. Jh. Wie sollte man sie einordnen? Sie wurden 1758 in der Barockzeit erbaut, sie haben vermutlich eine barocke Fassade gehabt. Jetzt weisen sie vier unterschiedliche Fassaden auf, die typisch für die zweite Hälfte des 19. Jh. sind.

Das „Haus mit Löwen“ („Casa cu lei“), das am Domplatz steht, wäre dann auch so ein Beispiel...

Genau. Das „Haus mit Löwen“,in Temeswar alsHaus Weiss bekannt, existierte schon 1758. Auf einer Darstellung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es schon den runden Erker an der Straßenecke. Die heutigen Ornamente, die Löwen und die gesamte Dekoration des Giebels sind ohne Zweifel Sezession. Auch andere Gebäude der Innenstadt sind stilistisch schwer einzuordnen. Das Haus Macry/ Makri am Freiheitsplatz, dessen ursprüngliche Eigentümer aus Mazedonien stammten, bestand schon 1808. Jetzt heißt das Haus auch Atlantenhaus („Casa cu Atlanti“). Der Architekt Lipót Baumhorn hat das Haus nach 1900 umgebaut. Die Atlanten entsprechen der Sezession-Stilrichtung. Das Haus wäre also klassizistisch mit barocken Nachklängen und einigen Sezession-Dekorationen. Die meisten historischen Gebäude Temeswars kann man als eklektisch bezeichnen.

Wenn Sie Sezession sagen...

In Temeswar hat man in eklektisch/ historizistischen Stilrichtungen, zu denen auch der Neobarock gehört, bis 1902 gebaut. 1902-1903 bricht eine neue Stilepoche an. Ich habe alle Stilströmungen nach 1902 als „Stil der Jahre um 1900“ betitelt. In Bukarest, wo ich studiert habe, kennt man wegen des französischen Einflusses nur Art Nouveau. Die meisten Temeswarer Gebäude dieser Stilepoche sind nicht Art Nouveau, es wäre falsch, sie in diese Stilrichtung einzuordnen. Art Nouveau ist vor der Sezession erschienen und hat andere Merkmale. Es gehört zur selben Stilepoche, verkörpert aber eine andere Stilrichtung. Art Nouveau hat der Architekt Martin Gemeinhardt häufig in der Elisabethstadt gebaut (obwohl er seine Karriere mit Neobarock anfing).

Das „Haus mit Pfauen“ („Casa cu pauni“) wurde nach seinen Plänen errichtet...

Dieses Haus in Temeswar, nach dem Bauherrn Haus Romulus Nicolin genannt, ist typisch Art Nouveau. Wo die Formen wie bei diesem Gebäude gewunden fließen, das ist Art Nouveau.

Sie haben die Veränderungen, die an manchen Bauten in der Innenstadt, besonders diejenigen auf dem Loga-Boulevard und anderen Straßen, vorgenommen wurden, sicher bemerkt. Ich beziehe mich auf die Anfang des 20. Jh., oder in der Zwischenkriegszeit errichteten ein-zweistöckigen Villen, die plötzlich mit ein paar Türmen versehen wurden... Inwiefern schadet das dem allgemeinen Bild der Stadt?

Das ist besonders schlimm, was da passiert ist. Es gibt solche Kitsch-Villen auch in Großwardein/ Oradea und in Klausenburg/ Cluj-Napoca, aber die sind nicht in der inneren Stadt erschienen und nicht dort, wo es eine kompakte wertvolle städtebauliche Struktur gab. In Temeswar bilden diese Bauten eine schlimme, ich wage zu behaupten, eine kriminelle Verunstaltung des bestehenden Stadtbildes. Hätte man so ein Kitsch-Villen-Viertel am Stadtrand gebaut, wäre es vielleicht etwas erträglicher gewesen (obwohl ich gegen eine „Gettoisierung“ bin)!