…und weil in Russland noch immer der Ball rollt:

Anekdoten zur Fußball WM

Legende Lew Jaschin und der Schnaps

Europas Fußballer des Jahres 1963, der Sportler und Torhüter des Jahrhunderts – Lew Jaschin wurden viele Ehrungen zuteil, viele erst nach seinem Tod am 20. März 1990. Der legendäre Torwart der sowjetischen Auswahl kam 1929 in der Nähe von Moskau zur Welt und gelangte durch Zufall zum Fußball. Zunächst war er begeisterter Schachspieler, später beschäftigte er sich auch mit Fechten, Basketball, Tennis und Wasserball – zudem hütete das Eishockeytor. Nur durch einen Zufall landete er bei Dynamo Moskau, wo er nach kurzer Zeit zum Stammspieler wurde. Im Alter von 25 Jahren, beim 7:0-Erfolg gegen Schweden, debütierte der „Schwarze Panther“ (oder auch „Schwarze Krake“) im Kasten der Nationalelf, 1956 errang er mit der UdSSR Olympia-Gold und 1960 hatte der reaktionsschnelle, sprungstarke Torhüter großen Anteil daran, dass die Sowjetunion den ersten EM-Titel gewann. Jaschin nahm an vier Weltmeisterschaften teil – 1958, 1962, 1966  und 1970 – und kassierte in 78 Länderspielen 1950 -1969  nur 70 Gegentore. In seiner Laufbahn soll er weit über 100 Strafstöße pariert haben. Doch nicht nur wegen seiner großartigen Leistungen, sondern auch aufgrund seiner Persönlichkeit, seines Stils und seiner „Weisheiten“ genießt er bis heute unsterblichen Ruhm: Der „Löwe von Moskau“ spielte immer komplett in schwarz und obwohl sein Auftreten und seine Paraden oft einfach und schnörkellos wirkten, so umgab ihn im Tor eine ungemeine Eleganz. Er meinte: „Für Tormänner hat sich nichts geändert. Sie dürfen immer noch kein Tor zulassen.“ Auf die Frage nach seinem Geheimnis nannte er sein Rezept, „eine Zigarette zu rauchen, um die Nerven zu beruhigen und einen ordentlichen Schnaps zu trinken, um die Muskeln zu lockern.“ Im Vorrundenspiel der Sowjetunion bei der WM 1962 wurde ihm dies offenbar zum Verhängnis: Der beste Torhüter der Welt kassierte gegen Kolumbien vier Tore, weil er anscheinend vor dem Spiel in der Kabine ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hatte.

Urwaldvogel  Garrincha

Manoel Francisco dos Santos wurde  in dem kleinen brasilianischen Dorf, Pau Grande, 1933 geboren. Seine Beine waren deformiert, er galt als behindert. Erst nach einer gefährlichen Operation konnte er überhaupt stehen – das linke O-Bein blieb dennoch sechs Zentimeter kürzer als das rechte X-Bein. Er wuchs in armen Verhältnissen auf, litt unter Hunger. Mit zehn Jahren trank er das erste Mal Alkohol. Irgendeiner seiner Brüder taufte ihn  in dieser Zeit „Garrincha"- es war der Name  eines hässlichen Urwaldvogels. Als Garrincha als 20-Jähriger beim Klub Botafogo vorspielte, höhnte die brasilianische Presse: „Es muss Botafogo wirklich schlecht gehen, wenn sie Behinderte zum Probetraining einladen.“ Fünf Jahre später ließ er bei der WM in Schweden Weltklassespieler wie Fahnenstangen stehen, machte diese mit nie gesehenen Tricks beinahe lächerlich und war unumstritten der beste Rechtsaußen seiner Zeit. Die WM 1962 brachte ihm endgültig internationalen Ruhm ein – er wurde Torschützenkönig und zum besten Spieler des Turniers gewählt. Der uruguayische Autor Eduardo Galeano bezeichnete ihn als den Mann, der „in der Geschichte des Fußballs die meiste Freude schenkte“ und selbst Superstar Pelé erkannte neidlos an: „Ohne Garrincha wäre ich nicht dreifacher Weltmeister geworden.“ So genial der Dribbler auf dem Feld agierte, so unglücklich und tragisch verlief sein Leben. Er trank von Kindheit an und selbst in seinen besten Jahren gerne Alkohol . Fünf Entziehungskuren scheiterten. Garrincha war Analphabet,  so verwundert es auch nicht, dass ihm ein 1958 durchgeführter Persönlichkeitstest das geistige Niveau eines Acht- bis Zwölfjährigen bescheinigte.  Die Angaben über die Anzahl seiner Kinder schwanken zwischen 14 und 18, zudem war er mehrfach verheiratet. Selbst zur Geburt seines Sohnes Garrinchinha soll er 1976 vier Tage zu spät gekommen sein. Als Garrincha mit 49 Jahren an den Folgen einer Alkoholvergiftung starb, war er völlig verarmt.

Redaktion: Balthasar Waitz