„Wir gehen alle mit einem Hunger auf die Bühne, mit einer tiefen Sehnsucht nach der Bühne“

Interview mit Cristian Rudic, dem Direktor der Rumänischen Staatsoper Temeswar

Operndirektor Cristian Rudic Foto: Rumänische Staatsoper Temeswar

Mit der Opera buffa „La servapadrona“ („Die Magd als Herrin“) von Giovanni Battista Pergolesi hat am Wochenende zum ersten Mal nach langer Zeit eine Premiere im Saal mit Publikum an der Rumänischen Staatsoper Temeswar stattgefunden. Damit zeichnete der weltberühmte Regisseur Silviu Purcărete wieder einmal eine Inszenierung am hiesigen Haus. Über eine Premiere in der Pandemie, die Zusammenarbeit mit großen Namen und Zukunftspläne sprach BZ-Redakteurin Ștefana Ciortea-Neamțiu mit Operndirektor Cristian Rudic

Die jüngste Premiere, „Die Magd als Herrin“, trägt die Unterschriften des Duos Silviu Purcărete, Regisseur, und Drago{ Buhagiar, Bühnenbildner, die schon 2017 am hiesigen Opernhaus für „Carmen“ gezeichnet hatten. Wie ist die Zusammenarbeit gelaufen?

Die Staatsoper Temeswar ist stolz, Mitarbeiter wie Dragoș Buhagiarzu zu haben, dass wir ihn engagieren durften, vor zwei Jahren, dass solche Spitzenkünstler am Haus sind, das bringt dem Hause Glanz, Disziplin und Geschmack für das 21. Jahrhundert. Nicht minder: das Musikalische wird getragen von Mihnea Ignat, den wir auch seit einem Jahr fest am Haus haben. Also eigentlich ist es ein Trio. Last but not least, Silviu Purcărete, ein Weltregisseur, der gerne in Temeswar Oper macht. Ich werde keinen Hehl daraus machen, dass auch ein persönliches Verhältnis, zwischen Buhagiar und ihm Anlass dazu gibt und dass dies die Sache vereinfacht hat, als Brückenbauer, dass mich mit ihm eine tiefe Freundschaft verbindet, aber in dieser pandemischen Zeit, die hoffentlich zu Ende geht, betrachte ich es als Licht am Ende des Tunnels. Die Mitarbeit hat immer funktioniert, Silviu Purc²rete kennt das Haus, die Menschen, kennt Drago{ und seinen Assistenten, in diesem Fall ich, als Regieassistent, ich trage auch eine stumme Rolle. Deswegen funktioniert die Arbeit auf Distanz und das ist das Schwere, das verdoppelt die Arbeitsstunden, weil der Regisseur nicht zugegen ist.

Wie hat diesmal Purcărete der Inszenierung seinen Stempel aufgedrückt?

Ich denke, wie immer, das heißt durch Frische der Bühnenaktion, durch überraschende Situationen, die aus dem natürlichen Leben kommen und durch sein handwerklich profundes Können über das Theater, die theatralischen Mitteln beherrscht er wahrscheinlich wie kein anderer, wir sind bestochen durch sein Genie. Er ist ein Regisseur, der viel Imagination hat, der sehr viel bildlich auch denkt, und der sich von der Musik helfen lässt und der nicht gegen die Musik geht und das macht ihn einmalig.

Bei dieser Premiere handelt es sich um eine Opera buffa, die eine Stunde dauert, ein Genre, das wahrscheinlich jetzt nach der Pandemiepause und den Online-Aufführungen dem Publikum entgegenkommt. Wurde sie deshalb ausgesucht?

Ja, aber nicht nur. Schon vor der Pandemie hatten wir ein gewisses Manko an Buffo-Oper in Temeswar. Es wurde mehr auf Ottocento Gewicht gelegt, wie auch auf die letzte Hälfte des 19. Jahrhunderts, sprich Belcanto, Verdi, und dann Ende des 19., auch Anfang des 20. Jahrhunderts, Puccini; eigentlich waren 85 Prozent der Produktionen der letzten Jahrzehnte in diese Zeitspanne zu ordnen. Eine der zu füllenden Lücken ist mit Sicherheit mit der Opera buffa zu füllen. Wahrscheinlich hätten wir ohne die Pandemie nicht an „La servapadrona“ gedacht, sondern an andere Stücke. Wir hatten das Projekt mit der Kulturhauptstadt zusammen, „Trajan in Dacia“, aber dann hat es wegen des Programms der Oper nicht mehr stattfinden können und wir haben uns auf ein „Covid-Repertoire“ umgestellt; ich will es ungern so nennen. Es ist nicht aus den Frustrationen des Covids geboren, sondern aus der Gier des Publikums hoffentlich, aus der Gier des Schauspielers, sich zu zeigen und wie ich schon in der Pressekonferenz gesagt habe, ich bin diese Theorie satt, ich will mich da nicht einordnen und keiner meiner Kollegen hoffentlich, in dieses mittelmäßige Denken: „Gehen wir jetzt ins Theater, weil die Kunst sonst leidet!“ Nein, ins Theater geht man aus einer Gier nach Schönem, aus einer Sehnsucht nach Emotion und wir versuchen genau das, was die Mission des Theaters seit 2500 Jahren ist, eben echte Emotion auf der Bühne, den zwei Masken des Theaters zu dienen, aber diesmal mehr der, die lächelt und da haben Sie recht, wir haben extra gedacht, es soll kein blutiges Stück sein.

Sie haben vorhin von der Gier des Zuschauers, aber auch von der Gier des Künstlers gesprochen, wieder auf der Bühne zu stehen.

… von einer Gier der ganzen Mannschaft. Ich will jetzt unbedingt ein Denkmal setzen: Unseren Mitarbeitern, die man nicht auf der Bühne sieht; ich will von der Technik sprechen, von der Werkstätte, sie haben Wunderbares geleistet.

Weil Sie auch die Rolle des Vespone übernommen haben: Wie ist es, wieder vor dem Publikum zu stehen, nach so einer langen Zeit?

Die Macht des Schicksals hat es dazu gebracht, dass wir alle nicht auf die Bühne konnten, dann vielleicht nur Streaming oder Aufnehmen und so weiter also die Nähe zum Publikum fehlt uns und diese Gänsehaut des Publikums vor der Vorstellung muss geteilt werden mit der Gänsehaut des Schauspielers und daraus entsteht das Theater und das hat uns wirklich lange gefehlt. Wir gehen alle mit einem Hunger auf die Bühne, mit einer tiefen Sehnsucht nach der Bühne.

Was bereitet die Oper noch bis Ende der Spielzeit vor?

Den wunderschönen Monat Mai haben wir schüchtern angefangen zu bespielen, es gibt ein Chorkonzert, das lange gefehlt hat im Repertoire der Oper, es sind berühmte Chöre mit Einsetzen von zwei Solisten, das ist am 21. Mai.

Am 9. Mai hatten wir „Wort und Ton in der Romantik – Teil II“; die erste Edition war in Großwardein und Arad und auf unserem Streaming, weil wir über der Quote über drei Promille waren und nicht im Saal spielen konnten, jetzt konnten wir Gott sei Dank im Prunksaal des Kunstmuseums am Domplatz auftreten, mit einem Programm von Schubert, Schumann, Richard Wagner, Richard Strauss, Korngold und Mozart. Es wird ein Zyklus werden und irgendwann werden auch ein französischer Abend kommen, ein rumänischer Abend und so weiter.

Ich weiß nicht, ob es noch zu früh ist, darüber zu sprechen, aber das Publikum hat das Opern- und Operettenfestival ins Herz geschlossen, kann man da schon was darüber erfahren?

Sogar voriges Jahr hat es stattgefunden, das Repertoire wurde notgedrungen verringert, es waren vier Abende, eine Mozart-Gala, eine Verdi-Gala, eine Traviata, gekürzt, und es gab Etliches im Freiluftraum, wir können den Garten der Philharmonie bespielen und wir können bespielen, leider nur konzertant bis jetzt die Bühne im Rosengarten. Es gibt seit vier Jahren das Versprechen, dass das Dach der Bühne im Rosengarten repariert wird. Ohne die Reparatur des Daches können wir keine Dekorationen dort aufstellen, es besteht die Gefahr, dass sie von Unwetter ruiniert werden, das können wir uns nicht erlauben. Aber insofern uns das Bürgermeisteramt unter die Arme greifen und die Bedeckung Bühne reparieren wird, können wir damit rechnen, dass wir acht Vorstellungen Ende August - Anfang September im Freien halten werden. Es ist viel Wunschtraum dabei, aber wir sind Idealisten, ansonsten wären wir nicht Künstler geworden.