Wohin mit unserer türkischen Geschichte?

Die Temeswarer Stadtsanierung und die Funde aus der Türkenzeit

Die Baustelle am Freiheitsplatz mit vielen archäologischen Überraschungen

Sesam, öffne dich! Daran und an anderes Wunderliches wie aus „1001 Nacht“ werden die Temeswarer in diesen Tagen auf Schritt und Tritt bei den großangelegten Sanierungsarbeiten des historischen Stadtkerns erinnert: Einmal die jahrhundertealte Kruste der Altstadt geöffnet, brachten die erforderlichen Ausgrabungen in zehn Straßen und vier Plätzen der Innenstadt eine lange Zeit verschollene Schicht der jahrhundertealten Stadtgeschichte wieder ans Licht. Wenn das Klein-Wien, die Zeichen der Kaiserzeit, noch überall, übrigens mit einigen der heute noch schönsten Bauten der Begastadt wie der barocke Domplatz- oder der Jugendstilkomplex am Opernplatz, an der Oberfläche in der Innenstadt mit bloßem Auge zu sehen und zu bewundern sind, so  brachten diese Ausgrabungen allerorst zum ersten Mal wichtige und 500 Jahre alte Hinweise auf die 164 Jahre dauernde Türkenherrschaft (1552-1716) in Temeswar und dem Banat. Man muss es sagen: Bisher gab es leider kein besonderes Interesse für diesen Abschnitt der Stadtgeschichte. Die habsburgische Verwaltung schaffte in zwei Jahrhunderten in Temeswar systematisch alles weg, was an die Türken erinnerte, auch in dem letztlich gelungenen Bestreben, Temeswar zu einer modernen und vor allem europäischen Stadt zu machen. Während der Zeit des ungarischen, des rumänischen Königreiches wurde die gleiche Marschroute eingehalten, das kommunistische Regime löschte ganz einfach alles aus der Geschichtsschreibung, was irgendwie an die Habsburger und die Türken erinnerte. Ja, selbst nach der Wende, gab es keine richtige Aufarbeitung dieser Geschichtsepoche. Erst 2005 verfasste der Temeswarer Historiker Ioan Ha]egan ein Buch über die Türkenherrschaft in Temeswar und dem Banat. Dabei blieb es. Es gab nur Weniges, was in Temeswar noch an das „Demesvar“ oder „Dimesvar“, wie die Türken die Festung im 16. Jahrhundert nannten, erinnerte: So die Marmortafel mit der in arabischer Schrift verfassten Inskription am alten Rathaus, die beiden türkischen Kanonenrohre am Tor des Hauses mit den Atlanten (Delamarina-Str.). einige Gegenstände im Banater Museum. Es war fast alles verschwunden, wie die Insel Ada-Kaleh in den Tiefen der Donau.

Im Rahmen der Ausgrabungen wurden vielerorts, wie erwartet, türkische Gräber entdeckt. Zu den wichtigsten archäologischen Funde muss man jedoch die Grundmauern der ehemaligen türkischen Bäder am Freiheitsplatz (Paradeplatz) und der beiden Moscheen am Sankt-Georgs-Platz (Moschee Solimans des Herrlichen) und in der Griselini-Straße rechnen. Sie versetzten die Temeswarer Archäologen in helle Begeisterung. Weniger die Kommunalverwaltung als Auftraggeber und die Bauleute, da die Arbeiten gestoppt werden mussten, um laut Gesetz erst eine Auswertung dieser Funde vorzunehmen. Laut Aurelia Junie, Managerin des Sanierungsprojekts, wäre eine weitere Million Euro nötig, um die archäologischen Funde zur Geltung zu bringen. Dafür muss man nun auch ein zusätzliches Projekt erarbeiten. Im Banater Museum, das selbst in einer schwierigen Sanierungsaktion steckt, gibt es leider keine Räume für diese Funde. Nachdem man die Vorschläge, alles als Freilichtmuseum unter Glas zu bringen oder die Gräben zu schließen und die Umrisse der ehemaligen Bauten auf den Pflastersteine nachzuzeichnen, aufgegeben hat, kam man nun auf Vorschlag des Archäologenteams auf eine andere Lösung: Mit Hilfe eines neuen Sanierungsrojekts sollen diese Funde fachgerecht konserviert und darauf offen, für alle künftigen Generationen zur Schau gestellt bleiben. Vorläufig, es blieb auch keine andere Wahl, wurde die Frist für den Abschluss der archäologischen Auswertung verlängert. Damit erscheint das gesamte Sanierungsprojekt (Arbeiten im Gesamtwert von 15 Millionen Euro, zu 80 Prozent Finanzierung aus EU-Geldern, zehn Straßen der Altstadt plus vier Stadtplätze) noch schwieriger zu Ende zu bringen. Gestartet wurden die Arbeiten durch die Bukarester Baufirma Romprest schon im Oktober 2013, auf eine planmäßige Ausführung ist angesichts der neuen, sozusagen „türkischen“ Tatsachen vor Ort kaum mehr zu hoffen.