„Zukunft mit Tradition“ ist das Motto, an das die Banater Schwaben glauben

300 Jahre seit den ersten Schwabenzügen/ 6000 Gäste bei den Heimattagen in Ulm

Eine Ausstellung wurde bei den Heimattagen dem Banater Maler Stefan Jäger gewidmet. Bücher und CDs zum Thema Banater Schwaben lagen ebenfalls im Foyer der Messehalle auf. Foto: Siegfried Thiel

300 Jahre Auswanderungsgeschichte bringt die Open-Air-Ausstellung in Ulm „Aufbruch von Ulm entlang der Donau 1712 – 2012“. Sie ist das Schwerpunkt-Event des Jahres in der baden-württembergischen Stadt an der Donau. Dieses Ereignis konnte sich kaum besser mit dem Heimattag der Banater Schwaben überschneiden, der seit 1974 in deren Patenstadt Ulm abgehalten wird. Etwa 6.000 Gäste waren auch in diesem Jahr bei der Veranstaltung dabei, und „weil die Stadt sich so sehr um dieses Ereignis bemüht hat, haben auch wir nachgelegt und in diesem Jahr mehr Tanzgruppen und mehr Musikkapellen dabei als in anderen Jahren“, sagte Peter Dietmar Leber, zum ersten Mal seit seiner Wahl als Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben Veranstalter des Ereignisses.

Banater Schwaben – Teil der Stadtgeschichte

Händler aller Art, Jugendliche in lockerem Spaziergang, Vertreter von allerlei Religionen in der Fußgängerzone von Ulm – allein dies lässt bereits auf den ersten Blick eine Stadt der Vielfalt und der Multikulturalität erkennen. Doch all dies geht zumindest alle zwei Jahre unter, wenn die Banater Schwaben einen Querschnitt durch drei Jahrhunderte europäischer Geschichte wagen. Sie schließen einen Kreis, der 1712 begann, als es ihre Vorfahren in die Donau-Anrainerstaaten verschlug, um sie dann im 20. Jahrhundert erneut nach Deutschland zurückzuführen. „Drei Städte sind für die Geschichte der Banater Schwaben von besonderer Bedeutung“, sagte Peter Leber, beim Empfang im Ulmer Rathaus: „Ulm, der Ausgangsort der Banater Schwaben, Temeswar, das kulturelle Zentrum im Banat, und Nürnberg, die Anlaufstelle bei ihrer Auswanderung nach Deutschland im 20. Jahrhundert“.

Sein Rumänisch ist Matthias Wanko fremd geworden. Der stellvertretende Obmann der Donauschwaben in Österreich lebt seit Ende des Zweiten Weltkrieges im österreichischen Salzburg. 40 Jahre lang habe ich kein Rumänisch gesprochen, sagt Wanko, dessen Familie einst in den Kriegswirren aus Neubeschenowa/Dudeştii Noi bei Temeswar/Timişoara geflohen ist. Wanko ist aber ein ständiger Gast bei den Heimattreffen der Banater Schwaben, denn vielleicht sind auch seine direkten Vorfahren auf einer der „Ulmer Schachteln“ gewesen, die meist Wochen lang brauchten, bis sie über die Donau von Ulm nach Wien gelangten. Wanko ist mit seinen Erinnerungen jedoch nicht der einzige: Viele der Banater Schwaben, die Kosten der Anreise und Verpflegung nicht scheuen, haben das 80. Lebensjahr bereits überschritten. Und sie kommen nicht nur aus Europa: Selbst aus Brasilien waren diesmal Deutsche aus Heide und Hecke des Banats dabei.
„Ulmer Schachteln“ war ursprünglich eine abwertende Bezeichnung, im Stuttgarter Landtag über die Donauschifffahrt der Ulmer. Der Bürgermeister der Stadt, Ivo Gönner, ist seit zwei Jahrzehnten im Amt, und am frühen Samstag Nachmittag im Rathaus Gastgeber für die Banater Schwaben. „Ulmer Schachteln, das ist keineswegs ein frauenfeindlicher Begriff“, setzt Ivo Gönner zu einer heiteren Einlage an. Doch dann erinnert er mit ernster Mine an die dunklen Seiten dieser Auswanderung im 18. Jahrhundert. Diese „komischen Schiffe“, die Bürger aus einem großen Einzugsgebiet seien zum „Markenzeichen“ geworden. Über die Ausstellung – die in der Stadt auch von zufällig Vorbeigehenden gesehen werden kann – wolle man dazu beitragen, dass die „Geschichte nicht vergessen wird“, sagte Gönner, und die gleiche Geschichte des Nicht-Vergessens habe sich auch die Banater Landsmannschaft zur Aufgaben gestellt. Das Nicht-Vergessen ist auch eines der Hauptaugenmerke, auf dem die Arbeit der Landsmannschaft basiert. Über die Geschichte ihrer Vorfahren sollen die Kinder – von denen viele bereits in Deutschland geboren wurden – einiges erfahren. „Wir wollen den Kindern zeigen, was wir tun und worüber wir reden“, sagt der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Peter Leber.

Heimatgeschichte und -geschichten

 Ulm konnte Anfang des 18. Jahrhunderts Dreh- und Angelpunkt großer Auswanderungswellen werden, weil die Donau durch den Zufluss von Blau und Iller schiffbar wird – und weil alle aus dem Schwabenland abfuhren, wurden sie später Schaben genannt: Auch wenn sie ursprünglich aus dem Elsaß, aus Lothringen, Hessen oder dem Saarland kamen.

Jugendliche, die als Kinder auswanderten, oder gar in Deutschland geboren wurden, lassen die Geschichte ihrer Eltern, Großeltern und Vorfahren mitunter auch unbewusst Revue passieren, nicht nur, wenn sie als Tanzgruppen am Samstag vor Pfingsten aufmarschieren, oder beim Jugendball, sondern auch dann, wenn sie in der Donauhalle bei der Festkundgebung, oder am Kultur- und Brauchtumsnachmittag der Deutschen Banater Jugend mitmachen. „Es fehlt bei solchen Heimattagen eigentlich die mittlere Generation, die fest in ihren Arbeitsalltag eingebunden ist“, sagt Peter Leber. Andererseits tut sich die ältere Generation immer schwerer, anzureisen. Deshalb für ihn umso erfreulicher, wenn Jugendliche für Nachschub sorgen. „Eigentlich komme ich nur jedes zweite oder dritte Mal. Der Gesundheit wegen“, sagt eine ältere Schwäbin, die vor 22 Jahren kurz vor dem Rentenalter auswandert ist. Lang sehen sich manchmal die Menschen an, wenn sie sich nach Jahrzehnten wieder treffen. „Eine solche Begegnung gibt mir fast genauso viel an Erinnerung zurück, wie bei einer Fahrt nach Rumänien“, sagt eine andere Frau. Und bei einer Reise in ihr Heimatdorf vermisst sie die Wirtschaften und die Nachbarn von einst. „In Rumänien hat sich alles verändert, man fühlt sich fremd“, heißt es gelegentlich. All jene, die sich zu den Heimattagen in den Ulmer Donauhallen aufhalten, suchen den Kontakt zu den ehemaligen Landsleuten, aber auch ein Stückchen Erinnerung. „Früher musste man sich Sorgen um die Integration in das neue Umfeld machen, heute sind viele so stark integriert, dass sie selbst den Heimattagen fern bleiben“, sagt einer im mittleren Alter.

Die meisten Banater Schwaben haben ihre neue-alte Heimat wiedergefunden, so Brandu{a Predescu, Rumäniens Generalkonsul in München bei der Festveranstaltung. Und diesen Weg zurück wertet sie für Rumänien „einen großen, nicht wiedergutzumachenden Verlust“, doch symbolträchtig auch für die gebliebene Verbindung der Banater Schwaben bleibt, wenn sie in gepflegtem Deutsch sagt, „die Donau verbindet wie kein anderer Fluss“. Die Verbindung zu Rumänien wurde an Pfingstsonntag auch über die Kulturgruppe Banater Rosmarein Temeswar oder über den Generalvikar der Diözese Temeswar, Johann Dirschl, gemacht.

Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall sagte in seiner Festrede vor versammeltem Publikum, die Kulturarbeit müsse auf die Zukunft ausgerichtet werden. Als Ansprechpartner in der Landesregierung möchte er diese Herausforderungen mit den Banater Schwaben gemeinsam angehen. Die Landsmannschaft sieht Nachholbedarf, wenn es etwa um Entschädigungsleistungen für ehemalige Deportierte in die Sowjetunion geht.

„Besonders beeindruckt bin ich von den vielen jungen Besuchern und Teilnehmern. Viele von ihnen übernehmen eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Heimattage“, so Minister Reinhold Gall an anderer Stelle seiner Rede. Es sei gelungen, der jungen Generation die Freude daran zu vermitteln, Teil dieser Kultur der Banater Schwaben zu sein, die Kultur zu leben und zu erhalten und gerade diese Leistung widerspiegele sich auch im Motto der Heimattage 2012: „Banater Schwaben – Zukunft mit Tradition“.