Zwei Geschwindigkeiten

Sie haben anschließend behauptet, dass sie „sich verstanden haben“ und dass sie „entscheidende Beschlüsse“ gefasst haben.

Und doch sollte man erst mal ein Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs nennen (können), das mehr Fragen offengelassen hat als jene vom ominösen letzten Sonntag und Mittwoch im Oktober anno Domini 2011. Die Osteuropäer außerhalb des Euro-Raums bekamen die eingeforderten Garantien (versprochen), dass die Rekapitalisierung taumelnder (Mutter-)Banken nicht auf Kosten osteuropäischer Volkswirtschaften geschehen wird, wo schlecht bewirtschaftete Banken Subsidiaritäten unterhalten, vulgo: Filialen haben. Der Undiplomat Băsescu äußerte nach dem Mittwochtreffen erst mal seine Genugtuung über diese Versicherung.

 

Wer aber aufmerksam die Kommentare ernstzunehmender Volkswirte – man denke da beispielsweise an Ex-Finanzminister Daniel Dăianu – gelesen hat, dem fällt es nicht schwer, deren Zweifel an der Solidität der Garantien für die Nicht-Euro-Länder zu teilen. Ein anderer Ex-Finanzminister Rumäniens, Mihai Tănăsescu – gegenwärtig der Vertreter Rumäniens beim Internationalen Währungsfonds, IWF – gab zur prime-time in einem der meistgesehenen privaten Fernsehsender Rumäniens zu bedenken, dass trotz der höchsten Garantien seitens der EU-Geldgeber und –Lenker die Möglichkeit bestehe, dass aus den Tresoren der Subsidiärniederlassungen aller in Rumänien tätigen ausländischen Banken unter Umständen Geld abgezogen werden kann, wenn die Mutterbank in Zahlungsschwierigkeiten gerät. (Ganz nebenbei sei bemerkt, dass an seinem Ursprung das Lateinische „subsidium“ zur Wort- und Inhaltegruppe von „Unterstützung“, „Stärkung“, „Hilfe“, „Schutz“, aber auch „Mittel“ oder „Ressource“ hindeutet.

 

Ein bisschen Latein/isches Wörterbuch/ schadet wohl auch in der gegenwärtigen Europakrise nicht, wenn es um Hinterfragungen geht... .)

Auf alle Fälle hat selbst Rumäniens Politguru Traian Băsescu im Gespräch mit dem IWF-Delegationsleiter Jeffrey Franks (für unseren Präsident ungewöhnlich kleinlaut) zugegeben, dass die Ergebisse der Tagung der EU-Spitzenpolitiker „ein tiefer Atemzug Luft“ gewesen seien, „aber bloß Luft.“

Jacek Rostowski, Polens Finanzminister, hat in jener Schicksalswoche EU-Europas zweimal – einmal in einem „Spiegel“-Gespräch, dann im Anschluss an die Mittwochstagung – gesagt, dass die Entscheidungen möglicherweise die Einheit Europas gerettet haben. Denkt man das einfach weiter, so wird klar, dass eine Entkapitalisierung der osteuropäischen Subsidiärniederlassungen westeuropäischer Banken EU-Europa zum Auseinanderbrechen bringen könnte.

 

Nicht zu vergessen: es sind keine zwei Monate her, dass der selbe Rostowski gesagt hat, dass ein Scheitern des Euro-Raums und implizite das Zerbersten des europäischen Projekts der Gründerväter zu einem Krieg in Europa führen könnte...

Helmut Kohls „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ scheint jetzt Realität zu werden. Bukarest denkt bereits über ein „Europa des Nicht-Euro-Raums“ nach.