Eingestelltes 10. August-Verfahren: Premier „enttäuscht“ von Urteil

Justizminister Stelian Ion um Lösungen bemüht

Mit den Botschaften „Wir vergessen nicht!“ und „Schande der rumänischen Justiz! Wir sehen uns beim EGMR“ (Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte), protestierten am Mittwochabend ein paar Dutzend NGO-Vertreter vor dem Bukarester Landgerichtsgebäude gegen die definitive Schließung der Akte „10. August“ zur Untersuchung der Gewaltanwendung gegen Demonstranten auf der Pia]a Victoriei im August 2018. „Es ist inakzeptabel, dass diejenigen, die am 10. August Tränengas gegen friedliche Bürger eingesetzt haben, unbestraft davonkommen“, beklagt die Bürgerinitiative Declic, eine der acht NGOs, die sich nun an den EGMR wenden wollen. Foto: Agerpres

Bukarest (ADZ) – Regierungschef Florin Cîţu (PNL) hat sich am Mittwoch im Gespräch mit dem Nachrichtenportal G4Media „enttäuscht“ vom Urteil des hauptstädtischen Landgerichts gezeigt, das am Vortag ein Wiederaufnahmeverfahren der Antimafiastaatsanwaltschaft DIICOT in der Causa der Polizeigewalt vom 10. August 2018 gegen friedliche Antiregierungsprotestler abgelehnt hatte. Infolge des umstrittenen, rechtskräftigen Urteils bleiben die Ermittlungen gegen die für den damaligen Einsatz zuständigen Polizei- und Gendarmeriechefs nunmehr eingestellt.
Das Urteil habe ihn „sehr enttäuscht“, jedoch werde die Regierung sich umgehend um Lösungen bemühen, damit „die Schuldigen sich trotzdem zu verantworten haben“; er habe sich hierzu bereits mit Justizminister Stelian Ion (USR-PLUS) ausgetauscht, sagte Cîţu.

Seinerseits stellte der Justizminister in einem Facebook-Posting klar, als Politiker „weder das Urteil kommentieren noch meine eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen“ zu wollen – als „Mensch“, der sich an der brutal niedergeschlagenen Großdemo beteiligt und danach sogar Strafanzeige gegen die Einsatzkräfte erstattet habe, wisse er jedoch, was er zu tun habe. Das rumänische Justizsystem benötige eine „tiefgreifende Reform“, novellierte Dienstgesetze sowie die „Beseitigung seiner systemischen Anomalien und Strukturprobleme“, schrieb Ion.

Das Landgericht Bukarest war am Donnerstag angesichts der Empörungswelle indes um Schadensbegrenzung bemüht: Das umstrittene Urteil habe auf „geltendem Recht“, nicht auf „Emotionen und Gefühlen“ beruht. Der Richter-Flügel des Justizrates (CSM) beeilte sich seinerseits, die Reaktionen der Koalitionspolitiker zu kritisieren – deren Aussagen hätten die „Grenzen der Meinungsfreiheit“ überschritten.