125 Jahre im Dienste der Musik

Zum Jubiläum der Firma Einschenk

Wenn man in Kronstadt die Schwarzgasse hinuntergeht und auf das Haus mit der Nummer 50 stößt, kommt man in einen Innenhof. Schilder verraten, dass es hier um Musikinstrumente geht. Schlendert man weiter, kommt man dann endlich zu einem Geschäft: „Instrumente Muzicale Einschenk“. Hier, wie viele Kronstädter wissen, kann man sich alle möglichen Arten von Instrumenten anschaffen und auch reparieren lassen.

Gegründet wurde die Firma im Jahr 1896 von Karl Einschenk, der das Orgelbauen erlernt hatte. Über sein Leben kann man im Buch „Dass die höchsten und tiefsten Accorde schön harmonieren…“, herausgegeben von Christine Chiriac und Ursula Philippi, nachlesen.

Der 1867 in Kronstadt geborene und aufgewachsene Karl hat mit 14 Jahren eher zufällig in der Werkstatt das Orgelbauen bei Meister Josef Nagy erlernt. Seine Entscheidung ist sehr spontan getroffen worden, denn eigentlich hätte er bei der Eisenhandlung in Lehre gehen sollen. Doch nach einigen Jahren Lehrzeit hat er schon mit seinem Meister durch Siebenbürgen reisen dürfen. Dort hat er sowohl katholische als auch evangelische Kirchen (-burgen) mitsamt ihren Orgeln kennengelernt. Seine Reiseerinnerungen (die auch im oben erwähnten Buch stehen) sind lebhaft und aus ihnen kann man schnell herauslesen, was für ein gewissenhafter und ehrlicher junger Mann er gewesen sein muss.
Später, nachdem er die Orgelwerkstatt des Nagy verlassen hat, haben ihn seine Wege zuerst nach Budapest, nachher nach Wien über Deutschland bis hinüber in die Schweiz und auch noch weiter geführt. Immer darauf bedacht möglichst viele Erfahrungen im Orgelbau zu sammeln, wandert Karl Einschenk 10 Jahre lang quer durch Europa. Seine schönste Zeit hat er, laut seinem Bericht, in der Schweiz verbracht, wo er in seiner Freizeit die Fahrten auf dem Genfer See und Wanderungen durch die Berge genossen hat. In Luzern hat er zusammen mit anderen Gesellen eine neue Orgel gebaut.

Wieder in Kronstadt sind schwierigere Zeiten angebrochen. Auch wenn er ursprünglich nach Amerika hat auswandern wollen, hat er auf die Bitten seiner Mutter sein Glück in seiner Heimat versucht. Karl ist ein eigenständiger Handwerker geworden: er hat Orgeln sowie andere Musikinstrumente gebaut und repariert. Die Aufträge sind allerdings nur stockend gekommen und manchmal hat er mehr für die Anschaffung der Materialien für eine Orgel bezahlen müssen, als er anschließend an ihr verdient hat.

1899 ist Einschenk in das Haus in der Schwarzgasse 50 eingezogen und hat dort eigenhändig beim Aufbauen seiner Werkstatt und Wohnung mitgeholfen. Seit damals ist hier der Sitz des Familienunternehmens.
Im Alter, nach dem 2. Weltkrieg, zu der Zeit als ein Teil seiner Kinder deportiert worden sind, hat er seine Enkel zu sich genommen und für sie gesorgt. Noch heute erinnern sie sich an die Zeit, als ihr „strenger“, aber „gerechter Otata“ (wie er genannt wurde) das Sagen im Haus gehabt hat. Zum Beispiel die sonntäglichen Ausflüge zum „Iepure“ (ein Wirtshaus im Ragado) sind für sie spannende Erlebnisse gewesen.

Insgesamt hat er 44 Orgeln gebaut bzw. umgebaut auf Pneumatik, ein System, das zu seiner Zeit sehr modern gewesen ist. Eine seiner Orgeln steht in Kronstadt, in der Blumenauer Kirche.

Karl Einschenk ist 1951 mit 84 Jahren gestorben. Kurz vor seinem Tod hat er einen Apfelbaum gepflanzt, von dem er aber keinen Apfel mehr hat kosten können. Enkel erzählen, wie viele Menschen zu seiner Beerdigung gekommen sind.
Von seinen Kinder haben alle Jungen etwas mit Instrumentebau gelernt: Otto ist Orgelbauer geworden, Helmut Klavierbauer, Karl junior Streichinstrumentemacher und Erwin und Günther (Zwillinge) Blasinstrumentespezialisten. Von diesen 5 Söhnen ist Karl im Krieg gefallen, die Zwillinge sind vor dem Krieg nach Deutschland in die Lehre gegangen und anschließend dort geblieben.

Otto ist bei seinem Vater in die Lehre gegangen und anschließend hat er sich in Dresden weitergebildet. Zurückgekehrt hat er zuerst mit seinem Vater gearbeitet, zum Beispiel an der Blume-nauer Orgel und hat dann viele Jahre lang Orgeln in Kronstadt und in anderen Orten Siebenbürgens gepflegt. Er hat auch viele Klaviere in Kronstadt in der Musikschule, bei der Philarmonie und bei privaten Kunden gestimmt.

Die Arbeiten in der Werkstatt hat sein Bruder Helmut übernommen, der zum Klavierstimmen auch außerhalb von Kronstadt tätig gewesen ist.

1954 ist auch Enkel Arnulf, Helmuts Sohn, in die Werkstatt als Lehrbub eingetreten und hat nebenbei das Abendlyzeum besucht. Im Februar 1961 musste Arnulf mit dem gesamten Inventar der Werkstatt in die Handwerkergenossenschaft „Tehnica“ eintreten. Seine Mitarbeiter sind unter anderem Cousin Rolf Tellmann und Cousine Anneliese Heichel, geb. Cloos gewesen.

Nach der Wende, 1993 hat sich Arnulf von der Genossenschaft trennen können und seine Tätigkeit als Selbstständiger gestalten können. Für die Rückerstattung des Gebäudes in der Schwarzgasse hat Arnulf 10 Jahre lang Prozesse führen müssen und dann die Spuren der Vernachlässigung durch die Mieter erst mal beseitigen müssen.

Arnulf ist heute noch in der Werkstatt als Holzinstrumentenreparateur und Klavierstimmer tätig. (Orgeln oder andere Instrumente werden nicht mehr gebaut.) Seine Frau Gundel und seine Tochter Senta Arvay betreiben zusätzlich ein Musikgeschäft für Musikinstrumente und Zubehör, das mittlerweile auch online zu finden ist.

In der Schwarzgasse 50 an und für sich findet man noch immer viele Werkzeuge und sogar Werbungen aus der Zeit Karl Einschenks. Den alten Maschinenraum hat man aber in einen Klaviersalon umgebaut und mit der Zeit hat man auch noch innerhalb des Geschäfts so einiges verändert und modernisiert. Auch die Wohnung des Orgelbauers, die über dem Geschäft liegt, dient nun als Gästezimmer. Das Zimmer, in dem Karl Einschenk gelebt hat, nennt man auch heute noch „Klavierkiste“, da es wegen einer Dachschräge die Form einer Klavierkiste hat.

Es ist schön zu sehen, wie Altes und Neues innerhalb der Einschenkfirma zusammenfinden. Mit Hilfe von Facebook und Instagram bleibt man über die Sozialen Medien verbunden, wobei aber natürlich auch großer Wert auf Erinnerungen und Traditionen gelegt wird. Dieses Jahr feiert die Einschenkfirma 125 Jahre seit ihrer Gründung.

Was die aktuelle Situation angeht, sind die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auch an dem Einschenkunternehmen nicht spurlos vorbeigegangen, da alle musikalischen Aktivitäten eingeschränkt worden sind. Doch man versucht, sein Bestes zu geben und weiterzumachen. Wenn man von Karl Einschenk liest, merkt man ja selbst, dass er es alles andere als leicht gehabt hat…

Meine Erinnerungen und Erlebnisse an das Musikgeschäft sind immer mit der ruhigen Atmosphäre in der Werkstatt verbunden. Als Kinder von Senta und Enkel von Arnulf und Gundel fühlen wir Geschwister (also Jonathan, Martin und ich-Sigrid Arvay) uns hier zu Hause und wissen, dass wir wann immer kommen dürfen. Schon von klein auf sind wir mit der Umgebung der Instrumente vertraut gewesen. Wir alle haben mindestens ein Instrument spielen lernen dürfen.
Schlussfolgernd kann ich nur sagen, dass es erstaunlich ist, wie lange so ein Familienunternehmen es durch die Zeit geschafft hat und kann mich nur freuen, dass es auch heute noch läuft und dass es auch immer noch Menschen gibt, die (Klassische) Musik mögen und schätzen. Musik lässt das Leben fröhlicher und leichter wirken und wer es noch nie ausprobiert hat, dem kann ich nur empfehlen, selbst einmal zu musizieren.