500 Jahre Kronstädter Stadtapotheke

Sie befand sich an der Stelle des westlichen Flügels des Blauen Hauses (Marktplatz 17)

Der Westteil des Blauen Hauses heute. Foto: Hans Butmaloiu

Mit Grün hervorgehobener wahrscheinlicher Standort der alten Stadtapotheke 1512-1689. Grundriss nach einem Lageplan vor 1999. Bearbeitung: Hans Butmaloiu

Am Ende des Jahres 1512 schrieb der Kronstädter Stadtnotarius Magister Nicolaus (Pictoris) von Schäßburg in das wohl von ihm bei seinem Amtsantritt angelegte Register der Schuldner der Stadt (Registrum debitorum civitatis) folgende Eintragung (in modernisierter Rechtschreibung):
„Item die Stadt hat dem Apotheker bezahlt, den Apothekern zu Ofen 200 Gulden (zu zahlen), die selbigen ist der Apotheker der Stadt schuldig zu bezahlen“.

Aus dieser Eintragung geht hervor, dass wohl damals eine Erstinvestition zur Einrichtung der Kronstädter Stadtapotheke getätigt wurde, denn mit 200 Gulden konnte man damals ein kleines Haus kaufen. Die dafür notwendigen Einrichtungen und Materialien konnten wohl am ehesten aus der Landeshauptstadt bezogen werden.

In Hermannstadt wird schon im Jahre 1494 ein Johannes „Appateker“ erwähnt, von dem Gewürze für die Bewirtung des in der Stadt weilenden ungarischen Königs Wladislaus II. gekauft wurden. Im Jahre 1501 wirkte in Hermannstadt Martin Flaschner als Apotheker in einem der Stadt gehörigen Lokal (Gewölbe).

Die nächste einschlägige Kronstädter Eintragung aus dem Jahre 1514 nennt einen Valentinus Aromatarius in Ofen, bei dem der gewesene Kronstädter Stadtrichter Johann Schirmer drei Teppiche unterbrachte, wohl um sie künftig zu Geschenkzwecken am Königshof zu verwenden. Vielleicht hatte dieser Valentinus aus Ofen schon früher Geschäftsverbindungen mit Kronstadt gehabt.

Aus den Kronstädter Stadtrechnungen von 1520 ist Johannes Apothecarius oder Aromatarius bekannt, der als Stadtangestellter einen Vierteljahreslohn von 6,25 Gulden erhielt, was einem Jahresgehalt von 25 Gulden entspricht. Johannes starb jedoch am 19. September 1520. Seine Witwe heiratete danach den Nicolaus Sartor (= Schneider) und verkaufte dem Stadtrat mehrmals verschiedene Spezereien, für deren Kauf der frühere Apotheker Gabriel Aromatarius Schuldner geblieben war.

Eine weitere Nachricht vom 27. September 1525 besagt, dass der Stadtrichter Hans Benkner mit dem Stadtrat dem  „Abetecker Jeromee“ (Apotheker Jeremias oder Hieronymus) 75 Gulden in barem Geld auf seinen künftigen Dienst geliehen habe, also etwa drei Jahresgehalte. Er wurde bis zum Jahre 1540 als städtischer Angestellter bezahlt, zuletzt mit einem Jahreslohn von 28 Gulden.

Ohne auf die gesamte Geschichte der Kronstädter Stadtapotheke einzugehen, die ausführlich vom verdienstvollen Medizinhistoriker Dr. Arnold Huttmann (1912 – 1997) untersucht und schon vor einem halben Jahrhundert (1962) in einem medizingeschichtlichen Sammelband veröffentlicht wurde, erwähnen wir nur einige Angaben aus unveröffentlichten Quellen im Kronstädter Staatsarchiv.

In dem ältesten  erhaltenen Kronstädter Grundbuch von 1573  wird schon 1575 ein „Haus an der Apothek“ genannt.

In einer Eintragung von 1667 heißt es „das Haus auff dem Marckh(t), ahn der Apotek gelegen“.

Im Jahre 1673 heißt es: „Wird deß Paul Neydels Hauß bei der Apoteken gelegen auf dem Marck aestimiertt (= geschätzt) pro fl. 1400“.
Beim Großen Brand von Kronstadt am 21. April 1689 wurde auch die Stadtapotheke ein Raub der Flammen und nicht wieder aufgebaut.
Eine Grundbucheintragung vom 19. Juni 1765 lautet: „besichtigen die T.H. Senatores zur T. Fr. Christoph Neidelin, verwittwten Stadt-Honnin auf dem Marckt, auf der Mittags-Seite, zwischen der verwüsteten Stadt-Apotheke als oberen und dem Johann Himeschischen Haus als unteren Nachbarn, mitten gelegen“.

Eine weitere Eintragung im Grundbuch von 1764 – 1782 besagt auch, daß das Haus der Margarethe verwitwete Neidelin zwischen  „Wüste Stadt Apothec“ und dem Haus des Johann Himesch gelegen sei und vom Kaufmann Andreas Ziegler für 3000 Gulden erworben wurde.

Aus diesen Beschreibungen geht eindeutig hervor, das die ehemalige Stadtapotheke an der Stelle des westlichen Flügels des heutigen Blauen Hauses (Marktplatz Nr. 17) lag und von Andreas Ziegler bei dem Neubau von 1781 in sein neues Haus einbezogen  wurde.

Das Hiemesch-Haus trägt heute die Hausnummer  Marktplatz Nr. 16 und bildet dessen westlichen Flügel.

Dr. Arnold Huttmann siedelte in seiner Arbeit von 1962 die Stadtapotheke im Hiemesch-Haus Nr. 16 an, auch mit der Begründung, dass die Apotheke zwei Eingänge hatte, einen gegen das Rathaus und einen gegen die Kirche, weil er die Eintragungen aus den Grundbüchern nicht kannte. Dazu kam, daß im Hause Nr. 16 im Jahre 1948 nach der Verstaatlichung der Geschäfte bei den Renovierungsarbeiten alte Fresken freigelegt wurden, die sehr gut zu einer Apotheke passen konnten. Diese Ansicht hatte auch der frühere um die Baugeschichte von Kronstadt höchst verdienstvolle Stadtingenieur Gustav Treiber (1880 – 1973), der 1965 seine Arbeit „Die älteste Stadtapotheke von Kronstadt“ im „Siebenbürgisch-Sächsischen Hauskalender Jahrbuch 1965“ veröffentlichte, ebenfalls ohne die oben vorgestellten Grundbucheintragungen zu kennen.

Aber auch  die nun auf Grund der Grundbucheintragungen festgestellte Stadtapotheke war ein Eckhaus, das je eine Türe sowohl zur Kirche als auch zum Rathaus hatte.

Die irrige Identifikation des Hauses Marktplatz Nr. 16 mit der ersten Stadtapotheke wird auch in einer Arbeit des Kunsthistorikers George Mitran angenommen, die im  20. Band (1996) des Jahrbuches des Kronstädter Geschichtsmuseum „Cumidava“ veröffentlicht wurde.

Gelegentlich des Abschlusses der Renovierungsarbeiten am „Blauen Haus“ Marktplatz Nr. 17 wurden  bei seiner Einweihung am 28. November 2009 die neuen Forschungsergebnisse auf Grund der archivalischen Quellen vorgestellt und auch veröffentlicht mit dem Vorschlag „durch eine aufklärende Inschrift auf den wahren Standort der alten Stadtapotheke hinzuweisen“ (KR Nr. 3 + 4/2010). Der Vorschlag wurde gut geheißen, aber bis jetzt noch nicht verwirklicht. Quo usque?