„Astra“ und zwei ehemalige Honterianer

George Paul Meiu und Elise Wilk oder Anthropologie und Theater

Die Kronstädter Kulturzeitschrift „Astra“ erscheint nun zweimal im Jahr mit je einer Doppelnummer. Herausgebracht wird sie, mit finanzieller Unterstützung seitens des Kreisrates Kronstadt, von der Kronstädter Kreisbibliothek „George Bariţiu“ (Direktor: Daniel Nazare). Das Redaktionsteam besteht aus Dina Hrenciuc-Pişcu (Koordinator), Bianca Osnaga und Rodica Ilie. Unter www.revista-astra.ro können Hinweise und Abbildungen zur aktuellen und älteren Auflagen eingesehen werden. „Astra Supliment. Literatură, arte şi idei“  kostet 5 Lei.

Die jüngste Ausgabe (Nummer 3-4, 2013) kann indirekt auch mit dem Honteruslyzeum in Verbindung gebracht werden. Zwei ehemalige Schüler des Lyzeums von den Jahrgängen nach der Wende sind da vertreten: Elise Wilk als Verfasserin eines Beitrags über zeitgenössisches junges Theater und der Anthropologe George Paul Meiu als Interviewpartner in einem per e-mail geführten Gespräch mit  Stelu]a Pestrea Suciu.

Elise Wilk, die bekanntlich selber Theaterstücke in rumänischer Sprache schreibt und dafür auch durch Preisverleihung erste internationale Anerkennung erhielt, stellt drei Stücke vor, die auch auf rumänischen Bühnen gespielt wurden: „Chatroom“ von Enda Walsh, „Norway. Today“ von Igor Bauersima und „Plastilin“ von Wassilij Sigarew. Es geht dabei um Teenager und ihre Probleme in einer Welt, in der sie sich behaupten müssen, wobei die Anpassung schwer wenn nicht sogar unmöglich ist. „Sie bieten das Bild einer jungen Generation: umherirrend, unverstanden, in einem ständigen Kampf mit den Eltern und dem System.“ Keine leichte Unterhaltung, eher schonungslos und schockierend.

George Paul Meiu bewegt sich wort-wörtlich und sinnbildlich in einer ganz anderen Welt. Der heute 29-Jährige ist mit seinen Eltern zunächst nach Kanada ausgewandert und hat an der „Concordia“-Hochschule in Montreal Kulturanthropologie studiert. Unlängst hat er in dieser Disziplin an der Universität aus Chicago erfolgreich seine Doktorarbeit bestritten. Seine Forschungen beschäftigen sich hauptsächlich mit der Zivilisation und Kultur afrikanischer Eingeborener (die Samburu-Volksgruppe in Kenia). Meiu, der bereits während seiner Schulzeit am Honteruslyzeum sein Interesse an der Volkskunde durch eine von ihm betreute Ausstellung, einschließlich mit sächsischer Thematik, bewiesen hatte, distanziert sich heute von einer „romantischen“ Betrachtungsweise des rumänischen Bauern, so wie sie vor und leider in großem Maße auch heute üblich ist. Da sei zu viel Ideologie und Propaganda hineingebracht worden, sagt Meiu im Interview.

Unter dem Schlagwort „Beibehalten der Traditionen“ habe man vieles ausgemerzt, was nicht in ein vorgefasstes, bestelltes Schema hineingepasst habe. Er sei zur Schule gegangen mit der Begeisterung, die ein Arbeiter seinem Arbeitsplatz in einem Werk entgegenbringt, denn dort ging es nicht um kritisches Denken und eigenes Suchen, sondern um mechanisches Lernen in Hinblick auf das Bestehen von Prüfungen. Meiu hatte die Kraft (und das Glück) seinen eigenen Weg zu gehen – von dem Hobby-Ethnologen zum Doktor der Kulturanthropologie.