Chancen nach der Wende von 1989 teilweise vergeben

Seither lösten sich elf Premierminister ab, fast doppelt so viele Regierungskabinette wurden umgebildet

Das Land steht vor den Parlamentswahlen, die am 9. Dezember stattfinden werden. Nachträglich wird von der Siegerkoalition der  neue oder auch der Ex-Premierminister gestellt, der mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragt wird. Ein willkommener Anlass um einen Rückblick auf die verflossenen 23 Jahre seit der Wende von 1989 vorzunehmen.

Das erste Regierungskabinett des Landes nach der Wende  hat sein Amt vor 23 Jahren, am 26. Dezember 1989, unter Premierminister Petre Roman angetreten. Rückblickend auf diese Jahre stellt sich die berechtigte Frage: Sind die Hoffnungen der Bürger nach über 50 Jahren dauernder kommunistischen Diktatur in Erfüllung gegangen?

Analytiker und Politiker sehen das unterschiedlich. Doch wenn man behauptet, nur teilweise, ist man sicher fehl am Platz. Zu dem noch eine Feststellung. Die damals gebotene Chance für das Land, durch die große Rumänien entgegengebrachte Sympathie der demokratischen Länder wurde nicht entsprechend von den Politkern und Regierenden ausgenutzt und zum Teil vergeben.

Der große Gewinn nach der Wende waren aber vor allem der Beginn einer demokratischen Entwicklung, die  Meinungs- und Reisefreiheit, die wiederum auch von vielen, je nach Gutdünken missbraucht wurden.

Im Jahre 1989 stürzte eines nach dem anderen der kommunistischen Regime, 1991 brach der Warschauer Pakt zusammen. In diesem Kontext fand auch die Wende in der rumänischen Außenpolitik statt, wobei die wichtigste Ziele  der NATO-Beitritt und die Aufnahme in die Europäische Union waren.

Die Beziehungen zur NATO wurden gleich 1990 aufgenommen, vier Jahre später wurde die Partnerschaft für Frieden unterzeichnet. 1997 wurden bei dem NATO-Treffen in Madrid Tschechien, Polen und Ungarn aufgenommen, wobei Rumänien für die Aufnahme nominiert wurde. Die Einladung für die Beitrittsverhandlungen folgte 2002 und zwei Jahre darauf wurde Rumänien in die NATO aufgenommen. 2007 folgte dann die Aufnahme als Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Die ersten freien Wahlen nach der Wende fanden am 20. Mai 1990 statt. Dabei stellten sich  59 politische Parteien, 16 Minderheitenorganisationen und einige unabhängige Kandidaten zur Wahl für die Abgeordnetenkammer. Für den Senat waren es 51 politische Parteien und sechs Minderheitenorganisationen. Auch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien erzielte in der Abgeordnetenkammer ein Mandat durch Ingmar Brandsch. Ihm folgten in den nächsten Legislaturperioden Wolfgang Wittstock von 1992 bis 1996 und von 1998 bis 2004. Zwei Jahre, 1996 und 1997 war es Werner Brück. Seit 2004 ist Ovidiu Ganţ Mitglied in der Abgeordnetenkammer als Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien und stellt sich heuer erneut zur Wahl für ein weiteres Mandat.

Die meisten der 396 Mandate gingen damals an die Vertreter der Front zur Nationalen Rettung (FSN), 263 (66,31 Prozent), gefolgt von der UDMR mit 29 Vertretern. Auch im Senat waren es die Vertreter dieser beiden Formationen, die die ersten Spitzenplätze belegten.Einige der damaligen Parlamentarier sind auch heute noch aktiv in der Politik, andere sind von der Bildfläche ganz verschwunden.

Nach diesen Parlamentswahlen wurde auch die erste demokratisch gewählte Regierung des Landes eingesetzt u.zw. am 28. Juni 1990. Sie blieb bis zum 16. Oktober 1991 im Amt. Premierminister war Petre Roman, der auch der ersten Regierung vom 26. Dezember 1989 bis 28. Juni 1990 vorgestanden war. Von dem damaligen Kabinett sind heute noch politisch aktiv: der amtierende Staatspräsident Traian Băsescu, Adrian Severin im Europaparlament, Dan Mircea Popescu, Teodor Meleşcanu, Theodor Stolojan, Bogdan Niculescu Duvăz. Petre Roman spielt heute keine wichtige Rolle mehr in dem politischen Leben, meldet sich aber immer wieder in Talkshows im Fernsehen zurück und kandidiert heuer sogar in Kronstadt seitens der USL im Wahlbezirk Nr. 8, (Bartholomä – Tractorul – Güterbahnhof – Uzina 2) für die Abgeordnetenkammer.

Die nächste Regierung leitete die Geschicke des Landes in der Zeitspanne 16. Oktober 1991 bis 19. November 1992. Premierminister war Theodor Stolojan. Gleich nach Regierungsantritt des neuen Kabinetts wurde auch die neue Verfassung am 21. November 1991 vom Parlament angenommen.  Es ist das siebente  Grundgesetz in der modernen Geschichte Rumäniens nach der Vereinigung der rumänischen Fürstentümer im Jahre 1859.

Die erste Verfassung wurde 1866, nach  dem Carol I. von Hohenzollern als König ernannt wurde, angenommen. Die nächsten Verfassungen wurden 1923 nach der Bildung Großrumäniens und 1938 unter König Carol II. verabschiedet. Es folgten  drei Grundgesetze in den kommunistischen Jahren – jene von 1948, 1952 und 1965.

Als Vater des neuen Grundgesetzes von 1991 wird Antonie Iorgovan betrachtet, der den Text, der vom Parlament schließlich angenommen wurde, ausgearbeitet hat. Laut Artikel 2 ist die Regierungsform des rumänisches Staate , die der Republik. Immer wieder wurden verschiedene Bestimmungen der Verfassung von politischen Vertretern infrage gestellt. Voraussichtlich werden nach den bevorstehenden Parlamentswahlen in der neuen Legislaturperiode mehrere Änderungen vorgenommen, die sich u.a. auf die Verwaltungsform des Landes, sowie auf die Zahl der Parlamentskammern und der der Abgeordneten beziehen werden.

Die vereinten Kammern des Parlaments gaben am 19. November 1992 ihr Votum dem neuen Kabinett unter Premierminister Nicolae Văcăroiu, der bis  zum 11. Dezember 1996 im Amt blieb. Das damalige Kabinett bestand aus 21 Ministern, wobei der damalige Finanzminister Florin Georgescu seit Mai dieses Jahres im Kabinett von Victor Ponta wieder in das gleiche Amt berufen wurde. Waren die bisherigen Regierungskabinette linker Orientierung, wobei immer mehrheitlich die Vertreter der Front zur Nationalen Rettung (FSN) das Sagen hatten und Landespräsident Ion Iliescu auch die Orientierung der Innen- und Außenpolitik vorgab, so sollte sich das nun ändern.

Nach der Wahl von Emil Constantinescu seitens der Demokratischen Konvention (CDR) zum Landespräsidenten wurde am 12. Dezember 1996 Victor Ciorbea als Premier ernannt. Im Amt blieb dieser bis zum 30. März 1998, als er zurücktrat. Als interimistischer Premier wurde Gavril Dejeu ernannt ,der bis zum 17. April 1998 das Amt ausübte. Während der Amtszeiten von Victor Ciorbea und Gavril Dejeu wurden zahlreiche Änderungen in der Regierung vorgenommen. Neue Ministerien kamen hinzu, andere wurde aufgelöst oder mit anderen zusammengelegt, was natürlich auch die Nominierung neuer Personen mit sich brachte.

Der nächste Premier der rumänischen Regierung wurde Radu Vasile,  der vom 17. April 1998 bis zum 22. Dezember 1999 dieses Amt ausübte. Ab diesem Termin wurde Mugur Isărescu als Premier vereidigt und blieb bis zum 28. Dezember 2000 im Amt, als bei dem Parlaments- und Staatspräsidentschaftswahlen der ehemalige Präsident Ion Iliescu wieder als Landesoberhaupt gewählt wurde. Die Sozial-Demokratische Partei (PSD) erzielte auch die Mehrheit der Plätze im Parlament. Iliescu beauftragte Adrian Năstase mit der Bildung des neuen Kabinetts und wurde am 28. Dezember 2000 mit der Mehrheit der Stimmen vom Parlament vereidigt.

Adrian Năstase war Premier bis zum 21. Dezember 2004, als ihm als interimistischer Premierminister für sieben Tage Eugen Bejenariu folgte. Auch in der Amtszeit von Năstase wurden zahlreiche Minister in ihren Ämtern durch andere ersetzt. Zu erwähnen ist, dass beispielsweise die Ministerin für europäische Integration, Hildegard Puwak, die dieses Amt vom 28. Dezember 2000 bis zum 20. Oktober 2003 belegte, wegen angeblicher Veruntreuung aus dem Amt zurücktrat und seither im politischen Leben nicht mehr im Vordergrund stand.

Auch der jetzige Premierminister Victor Ponta gehörte für neun Monate, vom 11. März bis 28. Dezember 2004, dem Regierungskabinett als delegierter Minister für  die Kontrolle der Implementierung internationaler Finanzierungsprogramme an. Vorher war er Leiter der Kontrollgruppe des Premierministers, der ihn als „kleinen Titulescu“ bezeichnet hatte und somit für seinen politischen Aufwind sorgte.

Nach den Wahlen im Herbst des Jahres 2004 wurde zum Staatspräsidenten seitens des Bündnisses  „Dreptate şi Adevăr“ (ADA) Traian Băsescu gewählt. Dieser beauftragte Călin Popescu Tăriceanu seitens der National-Liberalen Partei (PNL) mit der Bildung des neuen Kabinetts, das dieser vom 29. Dezember 2004 bis zum 22. Dezember 2008 leitete. Die Allianz, die im Parlament der neuen Regierung das Votum gab, bestand aus der PNL, der Demokratischen Partei (PD), dem Demokratischen Ungarnverband (UDMR), der Humanistischen Partei (PUR), die sich zur Konservativen Partei umwandelte, und die Gruppe der kleinen Minderheiten.

Auch in der Amtszeit des neuen Premiers fanden mehrere Änderungen im Regierungskabinett statt, besonders wegen der Zerwürfnisse im Rahmen der Allianz zwischen der PD und PNL, wobei sich eine abtrünnige Gruppe der PNL mit der PD zusammenschloss und die PDL bildete. Staatspräsident Băsescu führte mit Theodor Stolojan Gespräche, um ein neues Regierungskabinett zu bilden. Doch nach wenigen Tagen verzichtete er auf diese Aufgabe.

Somit wurde Tăriceanu  als Premierminister durch den  unauffälligen Bürgermeister von Klausenburg, Emil Boc, ersetzt, der das Regierungskabinett vom 22. Dezember 2008 bis Februar 2012 leitete.  Er machte sich unbeliebt vor allem durch einige drastische Sparmaßnahmen, die besonders die staatlichen Beamten und Rentner, aber auch andere Kategorien betrafen. Staatspräsident Traian Băsescu bestimmte den Leiter des Auslandsnachrichtendienstes, Mihai Răzvan Ungureanu, zum Nachfolger des scheidenden Premiers,  der aber nur bis Mitte April 2012 dem politischen Druck der Opposition standhalten konnte.

Traian Băsescu musste daher notgedrungen, im April 2012 Victor Ponta, Vorsitzender der Sozial-Demokratischen Partei (PSD), die als USL eine Allianz mit der PNL gebildet hatte und die Mehrheit im Parlament schaffte, mit der Bildung einer neuen Regierung  beauftragen. Dieser Koalition ist es dann auch gelungen, Traian Băsescu zeitweilig seines Amtes zu entheben. Er wurde jedoch durch das Referendum vom 29. Juli l.J. als Staatspräsident bestätigt und wird voraussichtlich bis zum Abschluss seines Mandats, 2014, im Amt bleiben. Zwar gibt es Tendenzen, einen neuen Misstrauensantrag gegen ihn zu stellen, doch voraussichtlich wird, unter  Druck aus dem Ausland, davon abgesehen werden.