„Damit der Ton unbearbeitet klingt, muss man ihn sehr stark bearbeiten“

Interview mit Tonmeister Horațiu Bodocan

Horațiu Bodocan blieb der Leidenschaft für Musik treu. Foto: Rockstadt

Die Absolventen des Honterus-Lyzeums arbeiten heute, in der ganzen Welt verstreut, in allen denkbaren Bereichen - unter ihnen sind Star-Musiker, Informatiker, Top-Manager, Politiker, Schriftsteller, anerkannte Ärzte oder Architekten. Ob in London, Abu-Dhabi, Wien, Berlin, New York, Bukarest oder Kronstadt - die meisten von ihnen denken gerne an ihre gemeinsame Schulzeit zurück. In der Karpatenrundschau werden wir in den nächsten Monaten einige der ehemaligen Honterianer vorstellen, die heute eine erfolgreiche Karriere haben. Falls Sie auch jemanden kennen, der das Honterus-Lyzeum absolviert hat und sich in seinem Bereich bemerkbar gemacht hat, können Sie uns gerne ihre Vorschläge auf kronstadt@adz.ro zusenden. Wir freuen uns auf jede Idee!

 

Musikfestivals, Live-Konzerte, musikalische Ereignisse, Konferenzen, Privatereignisse - für derartige Events sichert der ehemalige Honterianer Horațiu Bodocan in Kronstadt und landesweit Tonaufnahme und ihre Wiedergabe. Er bedient etliche Buttons auf großen Mischpults, stellt Dutzende Mikrofone für Orchester auf, nimmt Livekonzerte, wie auch CDs auf. Horațiu war beim Papstbesuch in Blasendorf Co-Ingineur für Paula Seling, deren Toningenieur er ist, hat für Bands wie Phoenix, Iris, oder Carla‘s Dream den Bühnen-Ton gemischt, war Tonmeister bei Klaus Johannis’ Diskurs in Mărășești (August 2019) oder für die rumänische Delegation der Telekom als der Dienst in Rumänien eingeführt wurde. Der begeisterte Musiker hat bereits als Jugendlicher sein eigenes Tonstudio im Keller seines Hauses aufgebaut und die Lieder seiner Band (Celest) aufgenommen. Viele Aufnahmen für andere Bands und Musiker folgten. Im KR-Interview erzählt der 41-jährige Redakteurin Laura Căpățână Juller über seine Leidenschaft für Musik und Ton.

Wie hat deine Liebe für Musik begonnen?

Alles hat in der Grundschule begonnen, als ich eine Kassette mit Musik von Michael Jackson gehört habe. Die Musik war so toll, ich habe sie immer wieder gehört. In der fünften Klasse hab ich mit Kollegen meiner Schwester, die bereits in der 8. Klasse war, im Hof des C-Gebäudes auf einem Kassettenrekorder Rockmusik gehört: Metallica, Iron Maiden, Scorpions, viele Bands. Ich war verzaubert. Auf der nagelneuen Gitarre meines Vaters, die er 15 Jahre lang unbenutzt gehalten hatte, lernte ich spielen. Es folgten Kurse bei der Kunst Volksschule. Bei Privatstunden mit Marius Țiclea, dem besten Gitarrenspieler der 1990er Jahre, habe ich die Liebe für Elektrogitarre entwickelt. Später habe ich auch mit Victor Solomon, dem Gitarristen der kronstädter Band „Conexiuni” privat und auch dann auch Vieles alleine gelernt.

Musik war deine Leidenschaft.

Ja. Es reicht eine kurze Passage aus einem Song, ein Instrument, ein Ton der den Appetit auf Musik weckt. Es ist ein Auslöser, der dich stark beeinflussen kann, wie mich in der Kindheit die Kassette mit Michael Jackson und später mit Rockmusik geprägt haben.

Als Jugendlicher hattest du eine Band. Celest.

Ja, im Lyzeum haben zwei Freunde von mir und ich sie gegründet. Wir haben mehrere Auszeichnungen bei bedeutenden Festivals, wie beispielsweise Buzău Silva Top 10 erhalten. Das waren wunderbare Zeiten. Im Keller hatte ich damals ein Home-Studio eingerichtet, in denen wir unsere Stücke aufnahmen. Meine Elternhaben einen Kredit von 600 Deutsche Mark aufgenommen und einen Mixer und eine Soundkarte gekauft. Mit der Zeit haben wir Hi-Q, Ducu Berți oder auch Chor- und Kirchenmusik aufgenommen und mehrere Alben produziert. Das war im Lyzeum.

Gibt es die Band noch?

Wir haben sie nach dem Bakk aufgelöst. Jeder von uns ist an eine andere Uni gegangen, bekannte Bands haben jeden von uns eingeladen mit ihnen zu arbeiten. Wir waren 20 Jahre alt, ehrgeizig und verdienten nun unser erstes Geld.

Nach der Bakk-Prüfung hast du Firmen-Management studiert. Warum?

Ich wollte nicht zur Armee - damals galt noch die Wehrpflicht. Also musste ich studieren. Mathe konnte ich noch, weil ich gerade die Bakk-Prüfung abgelegt hatte und Erdkunde war meine Stärke. Das Studium hat acht statt fünf Jahre lang gedauert, in denen ich weiterhin im Bereich Ton tätig war. Nach der Uni habe ich bei der rumänischen Filiale der Britischen SAE (The School of Audio Engineering/ Die Schule für Tonmeister) eine zweijährige Ausbildung zum Toningenieur (Liveton) durchgeführt. In Rumänien gab es kein Angebot im Bereich. Das Management-Studium hilft mir aber, da ich zwei Firmen besitze mit denen ich als Tonmeister aktiv bin aber auch professionelle Ausrüstung (Live und Aufnahmen) vermiete.

Wie ging es weiter?

Ich arbeite seit 2004 als Tonmeister. Damals benötigte die Band „Direcția 5” in der Schulerau einen Toningenieur samt Technik. Dem ersten Konzert folgten knappe 30 Konzerte zusammen landesweit. Ich habe viel gelernt, habe mich bei Workshops mit ausländischen Toningenieuren immer weitergebildet. Seit 2020 bin ich Mitglied des RO Sound Team, der Elite der Soundingineure aus Rumänien.

Welches sind deine Aufgaben als Tonmeister?

Die Arbeit eines Toningineurs ist es zu wissen welche Mikrofone für das Ereignis nötig sind, wo genau diese hinstellt werden müssen, was man hören soll und letztendlich wie die Töne kombiniert werden sollen, damit das Publikum den Eindruck erhält, dass die Musik natürlich klingt. Dahinter steht sehr viel Arbeit. Beim Auftritt einer Philharmonie beispielsweise kann man sehr leicht den Ton beeinträchtigen. In einem Orchester sind 40 bis 50 Menschen. Zwei, drei davon kennen sich mit Technik aus, die anderen nicht. Sie sind verschiedenen Alters, manche gehen bald in Rente und spielen dementsprechend, junge Angestellte hauen voll rein. Das ist eine Herausforderung die passende Lautstärke für jedes Instrument zu finden und alle Töne harmonisch miteinander klingen zu lassen. Ich nehme diese Herausforderung immer mit Begeisterung an.

Bei den Veranstaltungen der Kronstädter Philharmonie beispielsweise, die diesen Sommer am Johannisplatz stattgefunden haben, war es wichtig den Musikern einen akustischen Komfort zu bieten. Sie spielen gewöhnlich im Saal, wo der Ton kontrolliert ist. Außen können sehr viele Störfaktoren auftreten: Wind, schwankende Luftfeuchtigkeit, der Hall der Wänder der Häuser, der Hall des Aro-Hotels mit seinen Glasfenstern. Somit muss der Tonmeister alle Töne dermaßen aufnehmen und weitergeben, dass alles harmonisch klingt.

Welches sind die Etappen der Vorbereitung eines Konzerts?

Ich bereite morgens die Kabel vor, richte die Stative für die Mikros an den richtigen Platz. Bei der Probe höre ich was gespielt wird und stelle dementsprechend die entsprechenden Mikros auf. Dann folgt die Tonprobe. Damit der Ton unbearbeitet, bzw. natürlich klingen, muss man ihn eigentlich sehr stark bearbeiten, weil die Mikros, die Lautsprecher, die Außenfaktoren den Ton beeinflussen. Das Publikum darf aber nichts davon merken. Alle Töne, die auf der Bühne entstehen werden dann miteinander gemischt.

Was macht einen guten Tonmeister aus?

Die Liebe zur Musik und Musikkenntnisse, sowie das Spielen eines Instruments, am besten in einer Band. Letzteres ist entscheidend für die richtige Dosierung der Lautstärke der einzelnen Instrumente– das gilt sowohl im Studio, wie auch auf der Bühne. Auf der Bühne ist meist Aufruhr, jeder Musiker will im Lautsprecher etwas anderes hören. Es gibt Lautsprecher auf der Bühne, die zu den Musiker gerichtet sind, damit sie hören was die anderen spielen und sich danach richten. Der Tonmeister richtet für jeden ein separates Mikro und weiß wie jeder Lautsprecher klingen soll. Es ist aber zur Hälfte Psychologie, die Künstler dazu zu bringen dir zu vertrauen, dass du ihren Auftritt gut klingen lässt. Sobald man einander kennt, ist das kein Thema mehr.

Wie hat sich die Pandemie auf dich ausgewirkt?

In der Pandemie sind Live-Ereignisse ausgefallen, sodass ich wieder Studio-Aufnahmen mache. Außerdem gab und gibt es zahlreiche Events die live ausgestrahlt werden und die professionell klingen sollen. Ich arbeite u.a. mit der Philharmonie aus Kronstadt oder aus Jassy zusammen, habe auch eine Kooperation mit der hiesigen Oper begonnen. Ich passe mich an.

Wolltest du diesen Beruf jemals aufgeben?

Nie. Auch wenn die ersten Jahre finanziell sehr schwierig waren, bis ich einen großen Kredit für professionelle Ausrüstung abdecken konnte und auch wenn viele Ereignisse in der Pandemie ausgefallen sind, habe ich immer Aufträge, zB. kleine Privatereignisse oder Konferenzen. Ich ziehe diese vor, weil ich die nötige Technik besitze und es nicht so viel zum Organisieren gibt. Für große Ereignisse, wo sehr viele Geräte nötig sind, sind Aufwand und Verantwortung dementsprechend.

Würdest du auch im Ausland arbeiten?

Ich hatte Angebote den Ton für Bands bei Konzerten zu sichern. Ich will aber nicht ständig unterwegs sein. Wenn du eine Familie hast, dann geht das nicht. Für ein Leben on tour musst du 20 Jahre jung sein, mit dem Bus von Stadt zu Stadt fahren und auftreten. Das ist jetzt nichts für mich.

Wirst du wieder in einer Band spielen?

Ich würde sehr gerne. Die Kinder sind jetzt groß (anm. d. Reda. sein Sohn und die Kinder der anderen Bandmitglieder von Celest), sodass es zeitlich möglich wäre, aber irgendwie haben wir das vernachlässigt. Heuer haben wir sehr viel gearbeitet. In den drei Sommermonaten haben wir so viel wie in anderthalb Jahren gearbeitet, über 80 Aufträge gehabt. Gewöhnlich übernehmen wir etwa 70 Aufträge in einem Jahr, samt Events in den Klubs, die in der kalten Jahreszeit stattfinden. Ich habe schon Buchungen für das nächste Jahr. Es ist immer so.

Musst du Aufträge absagen?

Ich versuche nie abzusagen, sondern Lösungen zu finden, falls ich schon gebucht bin. Ich bin in Kronstadt, wie auch landesweit gut vernetzt, wir helfen einander aus. 

Du bist Rocker, arbeitest aber auch mit Musikern verschiedener Genres zusammen. Gibt es ein Genre das du ganz und gar nicht magst und das du nicht aufnehmen oder wiedergeben würdest?

Manele-Musike werde ich nie aufnehmen oder wiedergeben.

Welche Ereignisse erfreuen dich am meisten?

Wenn große Rockbands live auftreten und ich für den Ton zuständig bis, ist das für mich der Gipfel.

Welche Erinnerungen hast du an deine Schuljahre?

Ich erinnere mich gerne an meine ehemaligen Kollegen. Die meisten sind in Deutschland, nur vier sind noch hier geblieben. Das Gymnasium war für mich die schönste Zeit, meine Einführung in die Rockmusik. Wunderbar!

Ich freue mich auch immer über das Honterusfest für Lehrer, das meine Mutter (anm. d. Reda. Mathematiklehrerin am “Johannes Honterus”-Nationalkolleg), jährlich in unserem Garten veranstaltet.

Wieso bist du nicht auch ausgewandert?

Nach Beendigung der Schule habe ich überlegt auszuwandern, doch wenn alle auswandern, bleibt niemand mehr im Land. Jetzt bin ich zwar sehr enttäuscht von der politischen Klasse, aber auch sehr verwurzelt und würde nicht mehr wegziehen. Meinem Sohn wünsche ich er soll auswandern.

Herzlichen Dank für das Gespräch!