Das Ende einer 110jährigen Tradition

Gehaltvolle Dokumentation zur Geschichte der Schokolade in Kronstadt

Vasile Aldea: Fabricile Hess si Stollwerck. Scurt istoric al ciocolatei braşovene /Die Fabriken Hess und Stollwerck. Kurze Geschichte der Kronstädter Schokolade/; Ghimbav: Haco International, 2014; ISBN 978-973-7706-30-0; 65. S., 19 RON

Auch in dieser Zeitung wurde in den letzten Monaten über den Abriss der in der oberen Hintergasse gelegenen Schokoladenfabrik berichtet; auf dem Gelände soll unter anderem ein Büro-Hotel-Komplex entstehen. Mit diesem Abbruch verschwand eines der letzten Zeugnisse der Schokoladenproduktion in Kronstadt. Die Geschichte dieses nunmehr verschwundenen Wirtschaftszweigs zu dokumentieren, hat sich der Kronstädter Ingenieur und (Hobby-)Historiker Vasile Aldea zur Aufgabe gemacht und dazu ein lesenswertes Büchlein vorgelegt, welches seit einigen Monaten in den Buchhandlungen der Zinnenstadt erhältlich ist.

Einführend geht Aldea auf die „Entdeckung“ der Schokolade bzw. der zur Herstellung genutzten Bohne „cacahuatl“ ein. Anschließend beschreibt der Autor, wie und wann Schokolade erstmalig auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens erhältlich war bzw. produziert wurde. Bereits hier wird Kronstadt erwähnt: Der Aromune Dumitru Capşa flieht aus der von osmanischen Truppen zerstörten Stadt Moscopole und kommt 1782 nach Kronstadt. Nach der Heirat zieht der gelernte Kürschner nach Bukarest. Vier seiner Enkel gründen Mitte der 19. Jahrhunderts die auch heute noch existierende „Casa Capşa“ und richten darin unter anderem eine Konditorei ein. Eine der vier, Vasile Capşa, bringt 1856 von einer Reise nach Frankreich die erste Schokolade mit. Wenig später wird auch ein französischer Konditor nach Bukarest „importiert“. Ebenfalls ein Franzose baut 1891 die erste Schokoladen-Fabrik in Bukarest.

Nur wenige Jahre später beginnt in Kronstadt mit der „Ersten Siebenbürgischen Kanditen- und Schokoladenfabrik“ ebenfalls die Produktion von Schokolade. Man kann nur staunen, wie schnell eine Unternehmensgründung damals möglich war: Anfang 1899 erstes Treffen der Initiatoren, im April 1899 tagt erstmals das Direktorium des neuen Unternehmens und beschließt unter anderem den Kauf von Werkstätten in der oberen Hintergasse. Dort wird wenig später die Produktion mit 6 Festangestellten und 12 Tagelöhnern aufgenommen, zur Jahresmitte erreicht das Unternehmen bereits eine Tagesproduktion von 500 – 800 kg Bonbons mit Schokolade. Ein Jahr später wird Adolf Hesshaimer Aktionär des noch jungen Unternehmens; er und seine Nachkommen werden in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg die treibenden Kräfte für den Ausbau der Produktion. 1922 wird der Name „Hess“ in die Firmenbezeichnung integriert.

Der Zweite Weltkrieg wirkt sich in vielfältiger Weise negativ auf das Unternehmen aus: Bezugs- und Absatzmärkte brechen weg, Mitarbeiter werden zum Wehrdienst eingezogen, Bombardements zerstören Teile der Fabrikanlage. Nach dem Umsturz von August 1944 muss die Firma an die rumänische und sowjetische Armee liefern, erhält einen staatlichen Aufseher und wird der sowjetischen Verwaltung unterstellt. 1948 wird das Unternehmen verstaatlicht.

Die zweite in Kronstadt gegründete Schokoladenfabrik war ein „Enkel“ der in Köln beheimateten „Stollwerck“-Werke und zwar über deren Tochtergesellschaft in der Slowakei. Anfang 1922 erreicht den Kronstädter Stadtrat die Anfrage zur Unternehmensgründung, bereits im Februar wird die entsprechende Genehmigung erteilt und im Juni findet das erste Treffen der Gründungsaktionäre statt. Neben Stollwerck sind dies mehrere Kronstädter, weitere treten wenige Jahre später als Aktionäre in das Unternehmen ein. Die Produktion wird in von der Milchgenossenschaft gemieteten Räumen in der Mittelgasse aufgenommen; die Fabrikationsanlage stellt das slowakische Mutterunternehmen als Sacheinlage. Wenig später erwirbt das Unternehmen die gemieteten Hallen, die aber bald zu klein sind. 1925 wird in der unteren Langgasse ein Grundstück erworben, auf welchem ein neues Fabrikgebäude errichtet wird. Um diese Erweiterungen zu finanzieren, muss auch das Eigenkapital des Unternehmens erhöht werden. Neue Mitanteilseigner werden drei siebenbürgische Finanzinstitutionen, Stollwerck Bratislava hat nicht mehr die Kapitalmehrheit. Die Produktion steigt kontinuierlich, eigene Verkaufsstellen unter anderem in Bukarest sorgen für den nötigen Absatz. Die besten Jahre sind 1938 und 1939; der darauf beginnende Zweite Weltkrieg führt zu einem Einbruch bei der Produktion. Im Mai 1947 geht das Unternehmen in das Eigentum der Sowjetunion über.

Nach der Übertragung des sowjetischen Stollwerck-Eigentums an Rumänien im Jahr 1953 werden die beiden Schokoladen-Fabriken unter dem Namen „Dezrobirea“ zusammengelegt. 1966 erfolgt die Umbenennung in „Cibo“. Die Umwälzungen von 1989/90 haben erneute Veränderungen zur Folge: das Unternehmen wird in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und erhält 1991 den Namen „S.C. Poiana – Produse Zaharoase S.A.“. Als eines der ersten Kronstädter Unternehmen wird die Schokoladenfabrik an einen ausländischen Investor veräußert. Neuer Eigentümer wird Kraft Foods, die spätere Kraft Jacobs Suchard. Die neuen Hausherren investieren kräftig in die Produktion, verlagern aber gleichzeitig die Verwaltung nach Bukarest. Die Hausmarke „Poiana“ wird Marktführer bei Schokoladen in Rumänien und in 15 Länder exportiert. Diese Erfolge bei Produktion und Absatz läuten paradoxerweise das Ende der Produktion in Kronstadt ein, da keine Erweiterung an den bestehenden Standorten möglich war und das Unternehmen keinen weiteren Standort in oder bei Kronstadt errichten wollte. 2008 wurde entschieden, die Produktion nach Bulgarien zu verlagern, die in Kronstadt entwickelte Schokolade „Poiana“ wird auch heute noch im bulgarischen Svoge hergestellt. Am 19.11.2009 wurde die letzte Schokolade in Kronstadt hergestellt. Damit endet eine 110jährige Tradition.

Das reich und in Farbe bebilderte Buch wurde in Weidenbach bei HACO International gedruckt und kann in den Kronstädter Buchhandlungen erworben werden. Es sei all denen empfohlen, die sich für die Wirtschaftsgeschichte der Stadt interessieren; gleichzeitig bietet es eine kurzweilige Lektüre für jene, die irgendwann in ihrem Leben bei Hess und Stollwerck gearbeitet oder dort produzierte Süßigkeiten genossen haben. Die Ausführungen sind ein Beleg für das – auch sächsische – Unternehmertum in Kronstadt; jener Schicht, die maßgeblich zum Aufstieg und Wohlstand der Stadt beigetragen hat.