Das Grundwasser und die Trinkwasserversorgung in Heldsdorf (II)

Die Bevölkerung musste lange Zeit gegen eine massive Verschmutzung kämpfen

Kanalisierungsarbeiten 1981 in der Türkgasse Foto: Fotoarchiv K.-H. Brenndörfer

Die Kropich ist relativ rein geblieben. Sie wurde zum Berieseln der Gemüsefelder der Kollektivwirtschaft und zum Speisen des Gemeindebades benützt. Die Schleuse wurde zerstört, sodass nun das Wasser ins Bassin gepumpt werden musste. Warum einfach und sicher, wenn es auch mit Stromverbrauch geht?

Der Hechtbach hat keinen Einfluss auf das Grundwasser in Heldsdorf. Nachdem die Neudorfer ihre Abwasser immer mehr hin ableiteten, war es auch nicht mehr ein Genuss darin zu baden. Zwischen Neudorf/Satu Nou und Schnakendorf/Dumbrăviţa wurde ein Damm errichtet und der Hechtbach zu einem über 20 Hektar großen See aufgestaut, der bis zu der Fogarascher Bahnlinie reicht. Die ganze Umgebung ist als Erholungsgebiet gedacht. Im Spätsommer 1982 wurde der See zum ersten Mal angefüllt und seither nahm die Zahl der Ausflügler stetig zu. Diese Herrlichkeit währte auch nicht lange. An dem Ufer des Sees am Waldrand wurde eine Anlage für Geflügelzucht gebaut und deren Abwässer in den See geleitet, was diesen in eine riesige Jauchegrube verwandelte.

Hinter dem Eichrücken entstand noch ein ganzes Labyrinth von Fischteichen, die von dem Goldbach aus dem Zeidner Waldbad gespeist werden. Es ist herrlich zu sehen, wie sich da die Fauna veränderte. Eine ganze Serie von Wasservögeln und sogar Möwen sind da aufgetaucht.

Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts begann in Heldsdorf die Modernisierungswelle. Der Zieh- oder Drehbrunnen wurde durch die automatische Pumpanlage ersetzt, der Backofen musste gewöhnlich dem Badezimmer Platz machen. Anfang der 80er Jahre gab es kaum noch einen Hof, wo nicht eine Pumpanlage in Betrieb war - auf manchen Höfen sogar zwei. Das Verlegen der Leitungen und die Installation des Badezimmers ging schnell voran – zum Schluss kam das Problem – wohin mit den Abwässern?

Die dem Neugraben nahegelegenen Häuser bauten schon damals Abwasserleitungen bis in den Neugraben. Oft schlossen sich mehrere Nachbarn zusammen. Die vom Neugraben weiter entfernten Bewohner bauten Sickergruben, wobei oft die elementarsten Regeln missachtet wurden. Meist wurde ein Loch bis auf das Grundwasser gegraben, mit Betonringen ausgekleidet, dabei oft nicht einmal 10 Meter vom Brunnen weg.

Viele bohrten einen neuen Brunnen im Keller und benutzten den alten als Sickergrube. Später entstanden auch Sickergruben in zwei Stufen mit Fettabscheider und Klärteil. Das Grundwasser ist auch in Bewegung und hat seine Strömungsrichtung, die oft auf kurze Entfernung sehr verschieden sein kann. Durch ihre langjährige Erfahrung wusste hier die Brunnengräberfamilie Bulanga am besten Bescheid. Wenn nun die Sickergrube in Strömungsrichtung des Grundwassers lag, war der Kreislauf zum eigenen Brunnen oder zu dem des Nachbarn schnell geschlossen. 

Der Wasserverbrauch stieg sprunghaft (man rechnet heute mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 100 bis 150 l/Person/Tag was zur Folge hatte, dass sich der Kreislauf Brunnen – Sickergrube – Brunnen beschleunigte. Mit anderen Worten kann man sagen, was nicht durch die Industrie und durch die Bäche verseucht wurde, geschah nun durch eigenes Verschulden der Bewohner.

Nach der Überschwemmungsflut von 1975, wo Brunnen, Sickergruben und Jauchegruben eins wurden, begannen die Leute nachdenklich zu werden. Jeder war sich nun bewusst, dass mit dem Trinkwasser etwas nicht in Ordnung sei, und dass etwas geschehen müsste. Es stand eindeutig fest, dass das Trinkwasser in Heldsdorf weder vom bakteriellen Standpunkt, noch von dem der chemischen Zusammensetzung trinkbar war.

Die Sachlage war den Behörden bekannt, denn das staatliche Gesundheitsamt (Sanepid) nahm periodische Proben aus verschiedenen Brunnen. Die Bevölkerung ahnte meistens nur, wusste aber nicht, wie ernst die Lage war. Die Analyse einer Probe Wasser,  privat beantragt, kostete über 400 Lei und so fiel es niemandem ein, das Wasser aus seinem Brunnen zur Analyse zu tragen.

Ich kenne noch andere Resultate von Analysen, der Befund war immer derselbe: „Nicht trinkbar, zum Kochen ungeeignet“. Die Befunde der offiziellen Proben galten als Geheimsache und wurden der Bevölkerung nicht mitgeteilt.
Wie schon anfangs erwähnt, war die Sachlage den Behörden bekannt. Vor allem auf Drängen der Gesundheitsbehörden wurde der Volksrat des Kreises Kronstadt dringlichst (de urgenţă) beauftragt, das Trinkwasserproblem von Heldsdorf zu lösen. Es entstanden Pläne, eine Leitung von der Trinkwasseraufbereitung Krisbach bis Heldsdorf zu verlegen. Wegen der hohen Kosten und da die Reserven von dort kaum noch für Krisbach und Marienburg reichen, wurde der Plan verworfen.

Martin Lurtz-Götz als Vizebürgermeister, hat sich viel um die Lösung des Trinkwasser-Problems bemüht. Auf sein Veranlassen wurde im Jahre 1978 eine 600 Meter tiefe geologische Bohrung hinter dem Sportplatz, ungefähr 20 Meter vom Neugrabenbogen (wo der alte Mühlgraben begann) niedergebracht. Als der Befund über das Wasser positiv war, wurde das Bohrloch als Tiefbrunnen ausgebaut. Nach Aussagen der Fachleute ist das Wasser aus den tieferen Schichten einwandfreies Trinkwasser und in einer Menge vorhanden, die den Bedarf Heldsdorfs auch bei steigendem Verbrauch über Jahre decken würde. Das Wasser aus den oberen Schichten ist zwar schwefel- und mineralienhaltig, diese können aber mit der Tieftauchpumpe problemlos untergangen werden. Der artesische Druck ist sogar so groß, dass ständig Wasser heraussprudelt und in den Neugraben fließt.

Für Pumpenhaus, Tieftauchpumpe, Elektroinstallationen und Verlegen der Hauptleitungen wurde ein Kostenvoranschlag von 6 Millionen Lei gemacht, wovon 4 Millionen Lei die Betriebe (Staatswirtschaft, Kollektivwirtschaft, Hühnerkombinat usw.) tragen sollten und 2 Millionen Lei die Bevölkerung.
Mit dem Abtreten von Lurtz-Götz aus dem Rathaus ist die ganze Sache eingeschlafen.

Schon früher begannen die Leute in Höfen, wo nicht gutes Trinkwasser war, die zweite Wasserschicht, die in der Regel zwischen 12 bis 18 Meter Tiefe liegt, anzuzapfen. Dabei wurde ein am unteren Ende auf einer Länge von ca. 1 Meter mit Löchern versehenes Rohr in die Erde bis auf den zweiten Wasserspiegel geschlagen und nachher das Wasser gepumpt. Seit dem Ableben von Emil Hubbes (107/95), der Fachmann mit Erfahrung und Ausrüstung für diese Arbeiten, wurde kaum noch ein Brunnen geschlagen.

Viele Leute begannen das Wasser zum Trinken zu meiden. Leider funktionierte die Versorgung mit Mineralwasser wie so vieles andere. Wenn ein Transport Mineralwasser ankam, gab es im Dorf eine Völkerwanderung mit Karren, Kisten und Flaschen und im Nu war die Ladung weg. Zur Direktbeschaffung aus Kronstadt fehlte das Benzin.

Als die Heldsdorfer merkten, dass behörderlicherseits noch immer nichts getan wurde, übernahmen sie, wie so oft, selbst die Initiative. Um die Verseuchung wenigstens aus Brunnennähe zu verbannen, bauten sie Abwasserleitungen. Dabei schlossen sie sich nach topografischen Gegebenheiten zu Interessengemeinschaften zusammen und mit Hilfe von Schlauchwaage, Wasserwaage und Richtbrett, ohne jeden Vermessungsingenieur, entstanden Abflussleitungen, die sich sehen lassen können. Den Anstoß gab die westliche Türkgasse.

Im März 1981 wurde das Geld eingesammelt, im April begannen die Arbeiten und waren am 2. Mai 1981 beendet. Es wurden ca. 1200 Meter Leitungen verlegt, die auf beiden Seiten der Straße führen, um dann am Ende vereint in die Zoisbich zu münden. Damit hatte die Türkgasse bewiesen, dass es möglich war, auch längere Abwasserleitungen auf eigene Kosten zu bauen. Dem Beispiel folgte sofort die Neugasse mit dem östlichen Teil der Türkgasse.

Die anderen Straßen folgten und so war Ende 1981 Heldsdorf zu 90 Prozent kanalisiert – eine Leistung, die ganz auf eigene Initiative der Bewohner gemacht wurde, ohne jegliche Hilfe der Behörden und die es in diesem Maße auf Landesebene wahrscheinlich nicht gegeben hat. Wenn auch das Trinkwasser durch diese Aktion nicht verbessert, so wurde wenigstens die Weiterverunreinigung teilweise unterbunden und die lästige Arbeit des „Sickergrubeputzens“ aus der Welt geschaffen. Natürlich waren die ungereinigten Ableitungen in die Bäche nicht erlaubt, wurden aber von den Behörden geduldet.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde das Trinkwasserproblem in Heldsdorf schnell gelöst. Auf der Weidenbacher Hutweide wurden eine Pumpanlage und unterirdische Becken gebaut, von wo das Wasser durch freies Gefälle nach Heldsdorf geführt wird. 1992/1993 wurde das Wassernetz in ganz Heldsdorf installiert. Es ist nun kontrolliertes einwandfreies Trinkwasser und durch das Gefälle auch mit konstantem Druck. Die Pumpanlage/Becken liegen aber in der Landebahn des geplanten Flughafens Kronstadt und wurden bereits aufgelassen und Heldsdorf an das Kronstädter Versorgungsnetz angeschlossen.

1994/1995 wurde Heldsdorf neu kanalisiert, wobei Elemente der vormals von den Bewohnern gebauten Kanalisierungen verwendet wurden. Auf der Hutweide sollte die Kläranlage entstehen, die aber mangels finanzieller Mittel nicht mehr gebaut wurde. Diese wird auch nicht mehr errichtet, da hinter der Burg in Marienburg eine riesige Kläranlage mit EU-Geldern gebaut wird, die auch die Abwässer der flussaufwärts liegenden Ortschaften übernehmen soll.

(Schluss)