Das Zuhause in der Ferne

Marcela Cosnean verwandelte ein sächsisches Haus in Honigberg in eine der schönsten Pensionen in Siebenbürgen

„The Country Hotel“ empfängt seit 2002 Gäste aus aller Welt

Die Küche und das Wohnzimmer laden zum Verweilen ein. Fotos: privat

Kochen ist eine der großen Leidenschaften von Marcela Cosnean.

Honigberg im Jahr 2002. Ein junger Mann mit Rucksack steht eines Tages vor der Tür der neu eröffneten Pension „The Country Hotel“. Der junge Mann kommt aus England. Er übernachtet in der Pension, frühstückt am nächsten Morgen, macht ein paar Fotos, unterhält sich mit der Inhaberin Marcela Cosnean, dann ist er wieder weg.

Ein paar Monate danach kommt ein Paket aus England. Drinnen ist die erste Ausgabe des Lonely-Planet-Reiseführers für Rumänien und die Republik Moldau. Im Kapitel, das Siebenbürgen gewidmet ist, schreibt jemand in der Rubrik „Editor´s choice“ (Auswahl der Redaktion): „Einer der großartigsten, am schönsten dekorierten Orte, an denen man in Siebenbürgen übernachten  kann, ist ‘The Country Hotel’ in Honigberg. Wenn man die Adjektive ‘luxuriös’ und ‘rustikal’ jemals zusammen verwenden kann, um etwas zu beschreiben, dann jetzt“.

Der junge Mann mit Rucksack war eigentlich ein Redakteur des vielleicht berühmtesten Reiseführers der Welt. Wie er gerade nach Honigberg in ihre Pension gekommen ist, weiß Marcela Cosnean bis heute nicht. Es war ein kleines Wunder. Dem jungen Engländer folgten in den nächsten Jahren hunderte von Touristen aus der ganzen Welt. Kaum einer wünschte sich nicht, wieder zu kommen. Heute ist „The Country Hotel“ zwar relativ bekannt, aber noch immer ein Geheimtipp, den man nur den besten Freunden verraten würde.

Neues Leben für  ein altes Haus

Marcela Cosnean stammt aus Covasna und ging in Kronstadt zur Schule. 1983 ist die ehemalige Lehrerin nach Deutschland und anschließend nach Amerika ausgereist. Nach vielen Jahren in der Fremde hat sie sich entschlossen, nach Siebenbürgen zurückzukehren und hier eine Pension zu eröffnen. Das Haus auf der Straße Mihai Viteazu Nr. 441 in Honigberg, das im Jahr 1904 gebaut wurde, hat es ihr angetan. Es war Liebe auf den ersten Blick, als sie es 1994 entdeckte. Es war das erste Mal, dass sie nach ihrer Ausreise zurück nach Rumänien kam. „Damals, Anfang der 90er Jahre, hatte diese große Auswanderungswelle der Siebenbürger Sachsen nach Deutschland begonnen. Ich kaufte das Haus von einer sächsischen Familie. Mir hat die Art und Weise, wie der Haushalt aufgebaut war, sehr gefallen. Und schon immer habe ich mir gewünscht, in einer Dorfgemeinschaft zu leben“. 

2001 hat Cosnean sich entschlossen, das Gebäude in ein Gästehaus umzuwandeln. „Wir eröffneten die Baustelle, es war eine Unmenge an Arbeit, damals gab es im Dorf noch kein Gas, keine Kanalisation. Es hat lange gedauert, bis alles umgebaut war. Möbel und Zubehör habe ich mit der Zeit aus Flohmärkten, Konsignationen und  Antiquitätenläden erworben. So konnten wir im Jahr 2002 die ersten Gäste empfangen“, erinnert sich Cosnean.

Jetzt gibt es in der Pension drei Zimmer mit Bad. Im ehemaligen Stall wurde ein Atelier hergerichet, wo Bettwäsche und Kleider hergestellt werden und die ehemalige Kornkammer ist jetzt eine Kunstgalerie, wo regelmäßig kleine Klavierkonzerte, Weinkostproben oder andere Events stattfinden. Im Zimmerpreis ist auch das Frühstück inbegriffen, doch auf Wunsch kocht Marcela für die Touristen auch Mittagessen. Gruppen von sechs bis zu acht Personen können auch nur fürs Mittagessen kommen, wenn sie sich vorher anmelden.
 „Ich frage zuerst die Leute, was sie nicht mögen und was sie auf keinen Fall essen würden. Dann stelle ich ein Menü zusammen- meistens sind es alte Rezepte aus Siebenbürgen, die ich neu interpretiere“.

Leinen-Bettwäsche, Marmelade, Kinderkleider und Pflanzentee

Die Inhaberin der Pension kocht nicht nur für die Touristen, sondern sie stellt auch Leinen-Bettwäsche her.  „Als ich dieses Geschäft vor etwa 20 Jahren startete, waren natürliche Materialien in Rumänien noch kein Thema.  Damals bevorzugte man glänzende Bettwäsche aus Polyester. Inzwischen hat der Bio- und Öko-Trend auch Rumänien erreicht. Viele Touristen entdecken die Bettwäsche aus Leinen und Hanf erst hier. Nachdem man eine Nacht in solchen Bettwäschen geschlafen hat, will man nie mehr anders schlafen“, meint Marcela Cosnean. 

Seit 2002 stellt sie unter dem Brand Marcella auch Kinder-und Taufkleider her. Die Kleider sind Unikate, meistens aus alten rumänischen Blusen hergestellt. „Solche Kleider sind ein Geschenk, das man aufbewahren und auch an die nächste Generation übergeben kann“.

Ebenfalls können Touristen, die in der Pension übernachten, von Marcela hergestellten Pflanzentee und köstliche Marmelade kaufen. Alle Zutaten für das Frühstücks- und Mittagsessen sind natürlich und die Touristen haben angefangen, eher auf solche Sachen zu stehen als auf All-inclusive-Hotels mit Frühstücksmarmelade in Plastikbehältern und Teebeuteln aus Kunststoff.

Frische Luft und natürliche Zutaten

In den Zimmern ist kein Fernseher. Hier soll man sich vom Stress erholen. Die meisten Touristen reisen mit eigenem oder gemietetem Auto an und die Gastgeberin schlägt ihnen vor,  was sie in der Gegend besuchen könnten.

Im Sommer ist die Pension fast immer ausgebucht, viele ausländische Touristen genießen das Leben auf dem Land, weit weg von Autostraßen, leuchtenden Reklamen, Malls und Fast-Food-Läden. Hier kann man glücklich sein.

Die meisten Gäste sind jedoch junge Rumänen. Viele von ihnen arbeiten zehn bis zwölf Stunden am Tag im Büro von Großunternehmen und träumen davon, eines Tages aufs Land zu ziehen und frische Luft einzuatmen.

Marcela hat schon einige von ihnen dazu ermutigt und ist stolz darauf. Zwei junge Bukarester, die früher oft zu Gast bei ihr waren, haben ihre Jobs gekündigt und eine Pension in Deutsch-Weisskirch eröffnet. Mit vielen Touristen, die „The Country Hotel“ besucht haben, ist die Gastgeberin jetzt eng befreundet. „Es ist keine Pension, kein Hotel, kein Gästehaus, sondern ein Zuhause in der Ferne“, schreibt ein ehemaliger Gast auf Tripadvisor. Der junge Engländer mit Rucksack hatte eine gute Idee, vor 16 Jahren hier zu übernachten. Die Pension hat ihren Zauber von damals bewahrt.