Der atypische Baron als Vorbild

Ausstellungsvernissage „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“

Poster und Titelblatt des Heftes zur Brukenthal-Ausstellung.

Die Vernissage war unter Beachtung der Gesundheits-Schutzmaßnahmen gut besucht. Foto: der Verfasser

Die Kronstädter Vernissage der Wanderausstellung „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“ von Freitag, dem 18. Februar, erwies sich als mehr als eine der üblichen Ausstellungseröffnungen. Trotz geltenden gesundheitlichen Schutzmaßnahmen (Vorweisen des Impfzertifikats und Maskenpflicht) gelang es den Kronstädter Veranstaltern (Multikulturelles Zentrum der Transilvania-Universität, Verein „Cu timp pentru cultură“) zusammen mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, Potsdam, dem Departement für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Regierung, dem Demokratischen Forum der Deutschen in Klausenburg und dem Nationalmuseum Brukenthal in Hermannstadt, aus der Not eine Tugend zu machen.

Teilnehmen konnten nur eingeladene Gäste. Außer den Ehrengästen (Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa; Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu; Universitätsrektor Prof. Dr. Ioan Vasile Abrudan und Dr. Dozent Adrian Lăcătuș, Dekan der Fakultät für Philologie) kamen hinzu Lehrkräfte der Hochschule, Vertreter Kronstädter Museen, ehemalige Mitarbeiter des Honterusarchivs, das Thomas Șindilariu bis vor Kurzem geleitet hat, Mitglieder der Honterusgemeinde sowie des Kronstädter Forums und andere. Online zugeschaltet war Prof. Dr. Adrian Papahagi von der Philologischen Fakultät der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg. Ein Grußwort per Video richtete Prof. Dr. Sabin Luca, Manager des Nationalmuseums Brukenthal, aus. Durch das abendfüllende in Rumänisch abgehaltene Programm führte als Moderatorin Petra Antonia Binder, Vorsitzende des Vereins „Cu timp pentru cultură“.

Die Vernissage bot einen einprägsamen Einblick in die Biographie und das Wirken von Samuel von Brukenthal und seine Zeit sowohl durch die Begrüßungsansprachen der Ehrengäste als auch, im zweiten Teil der Veranstaltung, durch den Vortrag von Thomas Șindilariu. Geanina Sălăgean (Cembalo) und Ioana Irimescu (Flöte), Studentinnen der Kronstädter Musikfakultät, boten passende musikalische Intermezzi mit Kammermusik, die wohl auch Brukenthal gefallen hätte. Während des Vortrags wurden Aufnahmen mit dem Hermannstädter „Collegium Musicum Brukenthal“ (Elisa Gunesch, Iuliana Cotîrlea, Gabriel Silișteanu, Brita Falch Leutert, Jürg Leutert) eingeblendet, die in der Hermannstädter evangelischen Stadtpfarrkirche erfolgten und die von sächsischer Volksmusik ausgehend (z.B. Rockenlied aus Henndorf oder Hochzeitslied aus Zendersch) bis zu von den Freimaurern geschätzte oder bestellte Musik (Naumann, Sartorius, Mozart) und Brukenthals Lieblingskomponisten (Haydn, Carl Philipp Emanuel Bach) spielten und somit für die passende und aussagekräftige musikalische Begleitung sorgten. Ermöglicht wurde dieses gelungene Zusammenspiel zwischen Ansprachen, Live-Musik und Kammermusikkonzertaufnahme dank einer hervorragenden technischen Ausstattung des Multikulturellen Zentrums die, neben perfekten Ton und Bild, auch Video-Zuschaltung und die Wiedergabe über www.facebook.com/centrulmulticultural/videos sichert, so dass die Vernissage live und nachträglich auf Abruf einem breiten Publikum von nah und fern zugänglich war bzw. bleibt. Für Rektor Abrudan war es eine besondere Genugtuung, dass das neu ausgestattete und erweiterte multikulturelle Zentrum sich erstmals gerade mit einer so hervorragenden Brukenthal-Ausstellung vorstellen kann.

Die Ausstellung umfasst in der in Kronstadt vorgestellten Version zehn Wandtafeln mit zahlreichen Illustrationen und dreisprachigen (deutsch, rumänisch und englisch) Textbeiträgen. Die Tafeltitel sind relevant für die gewählten Themeninhalte: Siebenbürgen im 18. Jahrhundert, Brukenthals Jugend, Im Dienst der sächsischen Nation, Landeschef, Brukenthals Lebenswerk, Ein Freund der Künste und Wissenschaften, Die Brukenthalschen Sammlungen, Brukenthal als Erinnerungsort, Brukenthal heute. Sie entstand im Vorjahr anlässlich des 300-Jahre-Jubiläums seit der Geburt von Samuel von Brukenthal (1721 – 1803). Neben Deutschem Kulturforum östliches Europa und dem rumänischen Regierungsdepartment für interethnische Beziehungen sind als Veranstalter auch das Nationale Brukenthalmuseum Hermannstadt, das Demokratische Forum der Deutschen in Siebenbürgen und die Samuel-von-Brukenthal-Stiftung hervorzuheben. Ihren Beitrag als Partner der Ausstellung, die schon hierzu-lande in Hermannstadt, Freck, Deutsch-Kreuz, Großau und Bukarest und in Deutschland in Weißenfels gezeigt wurde, leisteten das Nationalmuseum für Geschichte Rumäniens Bukarest, die Kreisdirektion Hermannstadt der Rumänischen Staatsarchive, das Siebenbürgen-Institut Gundelsheim, das Archiv der Honterusgemeinde Kronstadt sowie der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Die Ausstellung kann im Multikulturellen Zentrum beim Rektoratsgebäude auf der Postwiese/Livada Poștei montags bis freitags zwischen 14 und 17 Uhr bis zum 17. März kostenlos besichtigt werden. Bei der Vernissage konnten die Gäste auch das Ausstellungsheft mit sämtlichen Texten und Illustrationen in den drei erwähnten Sprachvarianten erhalten.

Dr. Harald Roth unterstrich bei seiner kurzen Vorstellung des Deutschen Kulturforums die gute Zusammenarbeit mit den Partnern aus Siebenbürgen bei der erfolgreichen Umsetzung von Kulturprojekten. Thomas Șindilariu hub hervor, dass solche Ausstellungen auch im Aufgabenbereich seines Regierungsdepartments stehen, da es sich dabei um das kulturelle und historische Erbe der nationalen Minderheiten Rumäniens handle.

In den Ansprachen sowie im Vortrag wurde die Vorreiterrolle von Brukenthal unterstrichen, ein Mann, der dank seiner Bildung, seiner Vernetzung und seines Talentes als „homo politicus“ (wie ihn Roth charakterisierte) als Gouverneur von Siebenbürgen trotz vieler Hindernisse (seine siebenbürgisch-sächsische Herkunft, der protestantische Glauben, Neid und Intrigen seiner politischen Widersacher) Vorbildliches in der Verwaltung einer als schwieriges Kronland der Habsburger Reichs geltenden Region erreichen konnte, z.B. die Reform des Steuerwesens. Seine wertvollen Sammlungen sollten laut seiner testamentarischen Verfügung ungeteilt bleiben und in gemeinschaftlichen Besitz übergehen, was 1817 die Gründung des ersten öffentlichen Museums in diesem Teil Europas möglich machte. Auch das ist Brukenthals Erbe – das Erbe eines Barons mit außergewöhnlichen Erfolgen und mit für die meisten damaligen Adligen ungewöhnlichen Visionen und Beschäftigungen. Thomas Șindilariu erwähnte, dass „Brukenthal - ein atypischer Baron“ anfangs als eine der Varianten für den Namen der Ausstellung in Betracht gezogen wurde. Weil aber hierzulande sogenannte Lokalbarone diesen Adelstitel in Verruf bringen, wurde darauf verzichtet und „ein früher Europäer“ bevorzugt. Șindilariu konnte als Kronstädter und hinsichtlich der historischen Rivalität seiner Heimatstadt mit Hermannstadt als Abschluss seines Vortrags nicht unterlassen, eine Frage oder Anregung zum Nachdenken in den Raum stellen. Sei Honterus als Reformator und Gelehrter nicht ein noch früherer Europäer gewesen? Sei es nicht angebracht in seiner als multikulturell bezeichneten Geburtsstadt ein ihm gewidmetes Doku-Zentrum ins Leben zu rufen?