Der Kronstädter Bahnhof – eine unschöne Visitenkarte für die Stadt

Das Problem des Gehsteiges mit fehlenden Pflastersteinen ist schon Thema einer Petition.

Es werden Lösungen gesucht, damit der Bahnhof vom Transportministerium in die Verwaltung des Bürgermeisteramtes kommt.
Foto: Elise Wilk

Am Sonntag, dem 3. September, hielten gleich zwei Luxus-Züge am Kronstädter Bahnhof: der Orientexpress auf seinem Weg von Istanbul nach Venedig, und „Transilvania Train“, die erste rumänische Touristen-Eisenbahn, die an diesem Tag ihre viertägige Fahrt durch Siebenbürgen beendet hat. Leider wartete auf die Fahrgäste kein besonders schöner Anblick. Auf den Bahnsteigen gab es überfüllte Müllkörbe, Zigarettenstummel, kaputte Bänke und die meisten Kiosks waren zugesperrt. Wenn man den Bahnhof sieht, hat man nicht unbedingt Interesse, die Stadt näher kennenzulernen. Das ist leider seit Jahren so.

Tausende von  Fahrgästen treffen täglich am Bahnhof ein. Manche von ihnen sind ausländische Touristen. Da es  weder einen Flughafen noch eine Autobahn gibt und man auf dem überfüllten DN1-Nationalweg stundenlang im Stau stehen muss, bleibt die einzige anscheinend gute Variante eine Fahrt mit dem Zug. Doch auch diese erweist sich nicht immer als gute Idee. Man muss mit Verspätungen rechnen – Lokomotiven gehen kaputt, von Stürmen gefällte Bäume blockieren stundenlang die Gleise. Endlich am Kronstädter Bahnhof angekommen, begibt man sich auf eine besonders unangenehme Zeitreise in die Vergangenheit. Durch einen dunklen, schmutzigen Tunnel geht es direkt zur Taxi-Haltestelle. Nachts fahren die Busse der Öffentlichen Verkehrsregie nicht, also ist man hilflos unfreundlichen Taxifahrern ausgeliefert, die ein Vermögen für eine Fahrt bis ins Stadtzentrum fordern. Auch auf dem Touristenportal „Tripadvisor“ wird dauernd davor gewarnt. Trotzdem ist man manch-mal bereit, ein Vermögen zu zahlen, weil man dem Bahnhof so schnell wie möglich entkommen will.

Der erste Eindruck  zählt oft

Es war auch ein Sonntag im Sommer, vor 55 Jahren. Am 19. August 1962 lief der Schnellzug 201 unter dem Beifall der Stadtbewohner auf dem Kronstädter Bahnhof ein. Damals galt er als der schönste und modernste Bahnhof Rumäniens.
Ein halbes Jahrhundert später könnte er einen Preis für den häßlichsten Bahnhof landesweit erhalten. Schon auf dem Platz vor dem Bahnhof sieht es desolat aus. Wegen der fehlenden Pflastersteine hat man Probleme, seinen Rollkoffer hinterherzuziehen. Die Eingangstüren sind klebrig und schmutzig, die Schlangen vor den Verkaufsstellen für Fahrkarten sind groß, bettelnde Kinder zerren an den wartenden Fahrgästen. Am besten, man kauft seine Karte am Automat, begibt sich schnell zum Gleis und hofft, dass der Zug keine Verspätung hat und dass man so schnell wie möglich davonkommt.

Schlimmer ist es, wenn man mehr Zeit am Bahnhof verbringen muss. Die Wartesäle sind geschlossen, die einzige Alternative bleibt die heruntergekommene Bar im Parterre. Hier könnte man einen Film drehen, der in den Achtzigern spielt – nichts hat sich seitdem geändert. Besser, man kauft sich einen Kaffee oder belegte Brötchen von einem der Kiosks oder man „flüchtet“ in ein Cafe im „Unirea“-Einkaufszentrum. Doch auch dieses wird in wenigen Monaten nicht mehr existieren- das Gebäude wird zum Krankenhaus umgebaut.

Vergebliche  Bemühungen

Warum ist es so? Die Kronstädter Lokalbehörden bemühen sich seit Jahren, sowohl dem Bahnhof als auch der Umgebung ein zeitgemäßes Image zu verschaffen. Leider bleibt es vorläufig nur ein Projekt. Das Kronstädter Bürgermeisteramt beantragte beim Transportministerium, dass das Gebäude des Bahnhofs in Besitz der Stadt überführt wird. Diese soll sich dann der Sanierung und Instandhaltung des Gebäudes widmen. Doch jedes Mal wurden die Anträge abgelehnt. Einigermaßen besser als vor 10 Jahren sieht das Umfeld des Bahnhofes  aus, als sich in der Gegend ein etwas dubiöser Basar entwickelt hatte. An seiner Stelle wurde zuerst ein Einkaufszentrum errichtet, das vor ein paar Jahren Opfer eines Brandes wurde, anschließend ein Viersternehotel. Bis heute blieben auch die vielen Petitionen der Kronstädter, die für ihre Stadt einen schöneren Bahnhof fordern und Tausende von Unterschriften gesammelt haben, unbeantwortet. Alle wünschen sich, dass der Bahnhof in den Besitz der Stadt übergeht, aber ihre Bemühungen scheinen vergeblich zu sein.

Auch der Gehsteig mit Schäden an der Pflasterdecke ist Thema einer Petition, die vor wenigen Tagen eingeleitet wurde. Darin wird reklamiert, dass sich nicht nur das Aussehen des Gehsteiges von Jahr zu Jahr degradiert und sich an den Stellen, wo die Pflastersteine fehlen, bei Regen immer Wasser ansammelt, sondern auch, dass das Risiko, hier zu stolpern und hinzufallen, immer größer wird.  Auch Personen im Rollstuhl oder ältere Fahrgäste haben hier Schwierigkeiten, voranzukommen. „Die Verantwortung für diesen Gehsteig wird zwischen Transportministerium und Kronstädter Bürgermeisteramt hin und her geschoben, und das Problem bleibt ungelöst. Obwohl die rumänische Eisenbahngesellschaft diese Gegend verwaltet, gehört es zur Verantwortung der Lokalbehörden, Schritte in die Richtung der Lösung dieses Problems zu machen“, meinen die Initiatoren der Petition. Wann wird der Bahnhof ein anderes Aussehen erhalten? Wann wird eine Partnerschaft zwischen Ministerium und Bürgermeisteramt existieren? Auf diese Frage gibt es vorläufig keine Antwort. Bis dahin hoffen die Kronstädter, dass sie eines Tages stolz auf ihren Bahnhof sein werden. Und dass man sich nicht jedes  Mal schämen muss, wenn hier der Orientexpress anhält.