Die goldene Uhr

Auch sie kann eine besondere Geschichte aufweisen

Das Museum der städtischen Zivilisation in Kronstadt/Braşov nach der Renovierung.
Foto: Michael Schuller

Die Zeitung „Karpatenrundschau“ erscheint bekanntlich als Beilage landesweit zu jeder Donnerstagausgabe der „Allgermeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“, und bringt immer wieder interessante Artikel über Kultur und Tourismus, vor  allem aus dem Karpatenbogen aus Siebenbürgen. 2010 berichtete sie beispielsweise, dass nach jahrelanger, gründlicher Renovierung das Eckhaus gegenüber dem Restaurant „Goldener Hirsch“ in Kronstadt/Braşov bald vor allem von kunst- und kulturinteressierten Touristen besucht werden könne, weil da am Marktplatz 15 nun das „Museum der städtischen Zivilisation“ eingerichtet sei.

Dazu gibt es an der Transilvania-Universität in Kronstadt/Braşov, in der schönen mittelalterlichen Stadt im Karpatenbogen, den Studiengang „Tourismus“ -  sodass schon die junge Generation auf die Feinheiten zu den Themen Museum und Tourismus sozusagen vor Ort da in Siebenbürgen gezielt vorbereitet werden kann, und die Informationen somit liebevoll und fachmännisch zugleich weitergeben kann.

Dieses oben genannte mittelalterliche Haus, war schon im 18.-19. Jahrhundert sozusagen als „Verkaufsladen“ weit über die Stadtgrenzen bekannt. Hier trafen sich so manche bekannte Händler von nah und fern, um ihre Waren zu verkaufen, oder auch um manche besonderen Sachen zu kaufen. Eine solche Sache war auch die goldene Standuhr. Ein Händler hatte sie aus einem bekannten Kunstwarengeschäft aus Wien mitgebracht.

Sie war etwa 70 cm hoch, und bestand eigentlich aus zwei Teilen, dem runden Uhrwerk mit dem weißen Ziffernblatt mit römischen Ziffern, das auf zwei Säulen ruhte, und dem Spielwerk, das den Sockel bildete. Das Spielwerk bestand aus einer Nadelwalze und einem Kamm, beide aus Messing, und konnte vier Lieder spielen.

Auf den beiden Säulen, die mit Ranken aus Eichenblättern umgeben waren, stand je ein Liebespaar. Auch der Sockel war mit Ranken aus Eichenblättern und mit Engelsfiguren verziert. Ganz oben, auf dem Uhrwerk, stand ein aufgerichteter Hengst auf den beiden Hinterbeinen, den sein Herr an den Zügeln festhielt. Beide Figuren waren ebenfalls aus Messing.

Die Uhr war vergoldet und befand sich unter einer großen Glasglocke. Nachdem die Bürger aus Meeburg/Beia, also aus der Region Reps/Rupea, ihren Hanf für die Erzeugung von Schiffssegeln verkauft hatten, ging Petrus Seiler (geb. 1821) in den Verkaufsladen in dem Eckhaus, und erfüllte sich seinen langersehnten Traum – er kaufte die goldene Standuhr.

Weil die Händler aus Meeburg auf dem Heimweg durch den dunklen Geisterwald fahren mussten, wo sie immer wieder von Räubern überfallen wurden, wickelte er die Uhr in eine Decke, und versteckte sie im Pferdewagen. Heute ist der Geisterwald, in der Nähe von Kronstadt, eine bewundernswerte Landschaft, wie viele in Rumänien, die von so manchem westlichen Touristen z. B. für Wildwasserfahrten besucht werden.

Seit einem tragischen Vorfall am Ende des Zweiten Weltkriegs, als eine Kugel die schützende Glasglocke der Uhr durchdrang, spielt sie nicht mehr vier, sondern nur noch zwei Lieder. Die Nachkommen von Petrus Seiler hatten damals einen Offizier einquartiert, dessen Revolver sich in der Nacht entlud. Und weil der Offizier im selben Zimmer schlief, wo die goldene Uhr jede Viertelstunde sogar in verschiedenen Tönen schlug, traf die Kugel zufällig (?) die Glasglocke.

Jetzt steht die goldene Uhr. Sie schlägt jedoch noch immer jede Viertelstunde, wenn man sie aufzieht. Es ist so, als könne die Uhr - symbolisch betrachtet - unsere schnell fließende Zeit heute nicht mehr messen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb ist es für viele Museumsbesucher, und auch für Besucher von Kunstmärkten, oder sogar Flohmärkten immer wieder ein Erlebnis, wenn sie eine besondere, alte Uhr bewundern können, auch wenn sie nicht mehr geht. Denn die Besucher ahnen, dass sich hinter jeder besonderen Uhr möglicherweise eine Geschichte verbirgt.