„Die Schönheit, die von einem selbst entdeckt wird, ist ewig“

Interview mit Designerin und Malerin Maria Bobancu Petrișor

Maria P. Bobancu bei ihrer Ausstellung in der Europe-Galerie in Kronstadt Fotos: privat

Bildtitel: Ana und Petra

Die Absolventen des Honterus-Lyzeums arbeiten heute, in der ganzen Welt verstreut, in allen denkbaren Bereichen- unter ihnen sind Star-Musiker, Informatiker, Top-Manager, Politiker, Schriftsteller, anerkannte Ärzte oder Architekten. Ob in London, Abu-Dhabi, Wien, Berlin, New York, Bukarest oder Kronstadt- die meisten von ihnen denken gerne an ihre gemeinsame Schulzeit zurück. In der Karpatenrundschau werden wir in den nächsten Monaten einige der ehemaligen Honterianer vorstellen, die heute eine erfolgreiche Karriere haben. Falls Sie auch jemanden kennen, der das Honterus-Lyzeum absolviert hat und sich in seinem Bereich bemerkbar gemacht hat, können Sie uns gerne ihre Vorschläge auf kronstadt@adz.ro zusenden. Wir freuen uns auf jede Idee!

 

Maria Bobancu Petrișor ist eine bunte und kreative Persönlichkeit. Ebenso kreativ sind auch ihre Malereien, die Produkte und Brands, deren Design sie schafft.
Die ehemalige Honterianerin erarbeitet seit dem Studienabschluss in Rumänien und Großbritannien für rumänische und deutsche Firmen Strategien, Produktdesign, graphische Konzepte und noch viel mehr im Bereich Werbung und Branding – in einem Wort: sie trägt zum Erfolg von Brands oder Produkten bei. Sie hat mehrere Kunstprojekte am Laufen. Im Frühling hatte sie eine persönliche Ausstellung in der Europe-Galerie (Klostergasse Nr. 1), seit  Schulbeginn ist sie Kunstlehrerin am „Johannes Honterus”-Nationalkolleg. Über ihre Arbeit und ihre Leidenschaft für Kunst erzählte sie mit KR-Redakteurin Laura Căpățână Juller.

Du hast Produktdesign studiert, warst künstlerische Leiterin bei mehreren bedeutenden Werbeagenturen in Rumänien und Deutschland und bist jetzt Kreativleiterin bei der Werbeagentur m262. Was genau sind deine Aufgaben?

Danke erstmal für das Interesse an mich und an meiner Arbeit.
Ich habe Produktdesign in Kronstadt und Großbritannien studiert. Ich mag den Bereich sehr und ich habe das Gefühl, dass ich ihn auch vor dem Studium schon kannte, wenn auch vielleicht eher konzeptionell. Die Arbeit in der Werbeagenturwelt kam als organische Weiterentwicklung nach dem Studium. Ich mag es, den gesamten kreativen Prozess zu betreuen, vom Kunden, den Umständen und dem Ziel herausgefordert zu werden, innovative Lösungen zu finden, aber auch den praktischen und durchzusetzenden Teil des Projektes zu berücksichtigen (sei es Produkt oder Brand). Branding und Werbung ist ein sehr komplexes und sich ständig verändernder Bereich: Marktforschung, Brainstorming, Strategie, grafische Konzepte und Marktentwicklung, Feedback-Integration usw. sind die täglichen Aufgaben in meinem Beruf.
Einer der beliebtesten Vorteile für mich ist die Vielfältigkeit der Kunden. Ich habe in meinem Portfolio sowohl multinationale Unternehmen, Banken, Restaurantketten und Friseursalons, als auch kleine Marken, die eben starten und „ihre Stimme suchen“.

Wie findest du deine Arbeit?

Vielseitig, befriedigend, farbenreich, überraschend, manchmal stressig, aber nie langweilig. Und das ist für mich ein Punkt, der schwer wiegt: immer eine Herausforderung zu haben.

Du hast in England studiert, in Deutschland gearbeitet. Warum bist du zurückgekehrt?

Da dieser Job nicht mit einem bestimmten Ort zusammenhängt, halte ich es für irrelevant, wo ich arbeite. Ich habe in Großbritannien studiert, weil ich dort die Möglichkeit hatte, von den „Besten“ zu lernen. Ich habe in Deutschland gearbeitet, weil ich mich auf eine spezifische Kundennische spezialisieren wollte. Während ich in Deutschland gearbeitet habe, habe ich meine Kunden in Rumänien nicht aufgegeben, so wie ich auch jetzt - aus Rumänien - immer noch für ausländische Kunden arbeite. Da ich eine überzeugte Reisende bin, versuche ich immer, die Arbeit aus den verschiedenen Orten, an denen ich mich auf meinen Reisen aufhalte, zu erledigen. In Kronstadt habe ich meine Familie, hier wurde ich geboren und hier finde ich mich in jeder Lebensphase wieder. Ein großer Teil meines Herzens ist hier, daher fällt es mir schwer, die Stadt für immer zu verlassen.

Deine Großmutter, Marcela Bobancu, war Malerin. Wie bist Du zum Malen, zur Graphik gekommen?

Das ist richtig. Meine Großmutter war eine sehr beliebte Malerin in dieser Stadt. Sie hat viele Künstlergenerationen geprägt und wird auch heute noch von vielen Menschen mit Respekt und Bewunderung erwähnt. In meiner Familie wurde und wird jede Kunstform mit großem Respekt und Interesse behandelt. Schon seit meiner Kindheit habe ich eine Vorliebe für die bildende Kunst. Die Initiative, diesen Bereich zu erforschen, stammt von mir und meine Familie hat mich voll und ganz unterstützt. Sie hat mich in jeder Richtung und in jeder Initiative, die ich hatte und habe, unterstützt und ermutigt. Ich versuche, die gleiche Einstellung zu meiner kleinen Tochter Petra zu haben, die jetzt die Welt und die Möglichkeiten entdeckt, die sie bietet. Da ich immer Unterstützung und Lust und Offenheit für die bildenden Künste hatte, habe ich mich an der Kunstschule  angemelted, Bücher zu diesem Thema gelesen und so viele Ausstellungen, Museen, Galerien usw wie möglich besucht. Inzwischen wurde die Grafik zu einem großen Teil meines Berufs und das Zeichnen und Malen bleibt weiterhin ein wichtiger Teil meiner Seele.

Erzähl unseren Lesern über deine Leidenschaft für das Malen und für die Kunst. Was inspiriert dich, welches sind deine Interessen, was malst du gerne?

Alles! Egal ob Dinge, Menschen oder Emotionen, Gedanken und Erfahrungen - alles kann zum Ausgangspunkt werden. Und das Schöne an der bildenden Kunst besteht darin, diesen Gefühlen Ausdruck durch Farbe verleihen zu können. Wir bildende Künstler sind glücklich, eine zweite Stimme zu haben, die nicht gehört, sondern gesehen wird. In Bezug auf Technik denke ich, dass jedes Bild auf eine bestimmte Art und Weise gemalt werden muss. In meiner Serie von Gemälden über das alte Kronstadt, zum Beispiel, wende ich meistens Mischtechniken an. Zum Beispiel zeichne ich bei den Bäumen die dicke Rinde mit Kohle und die Zweige mit Aquarell.

Du hattest noch Ausstellungen, beispielsweise in Bukarest. Welche Gefühle hattest du aber, in derselben Galerie auszustellen wie deine Großmutter?

Ich denke, das stärkste Gefühl war Stolz. Der Stolz, dass ich so eine Großmutter habe und der Stolz, dass ich meine Werke an die gleichen Wände hängen durfte.

Bei der Ausstellung wurden einige Werke verkauft, du hast auch Bestellungen bekommen, was bis dahin noch nie geschehen war. Was empfindest du, dass deine Malereien bei Leuten zu Hause hängen?

Es ist ein besonderes Gefühl. Ich habe Malerei nie als Einnahmequelle gesehen, weil ich keinen Druck auf den Schöpfungsakt ausüben will. Aber nach der diesjährigen Ausstellung und nach mehreren Verkaufsanfragen, habe ich meine Einstellung geändert. Also habe ich mich entschieden, mich von den Werken zu trennen. Sie haben mir gehört, solange ich sie gemalt habe: wir haben zueinander gehört, wir haben uns unterhalten, wir haben uns beraten und wir haben gemeinsam verschiedene Emotionen erlebt. Jetzt sollen sie mit anderen reden: anderen Zuschauern helfen und Gefühle vermitteln.

Wie findest du die Kunstlandschaft in Kronstadt? Würdest du etwas daran ändern?

Was leider fehlt, ist Unterstützung für diejenigen, die Werke ausstellen wollen, die etwas zu sagen haben, aber keine Plattform haben, sich öffentlich auszudrücken und mit dem Publikum zu kommunizieren. Bildende Kunst soll gesehen werden!
Darüber hinaus glaube ich nicht, dass ich in der Lage bin die Kulturszene in Kronstadt zu beurteilen oder zu kritisieren. Wie in jeder Zeit, ist es wichtig zu existieren, zu schaffen, nicht eingeschränkt zu werden. Kunst, die den Test der Zeit besteht, wird auch über Jahre noch bewundert werden. Aber ich möchte Eltern, Großeltern, Geschwister ermutigen, die Kleinen dazu aufzufordern, Kunst zu suchen, zu studieren und zu erforschen, egal ob zeitgenössische oder nicht. Kunst ist eines der wenigen Dinge, die uns „vervollständigen“ können. Bringen Sie ihnen bei zu schauen, zuzuhören, zwei Sekunden länger vor einem Gemälde zu stehen. Kunst lehrt dich nicht nur, was dem Auge gefällt, sie lehrt Geduld zu haben, zu suchen und zu entdecken und dann zu genießen und zu schätzen. Die Schönheit, die von einem selbst entdeckt wird, ist ewig.

Wovon träumst du?

Im Moment ist mein Leben beruflich recht facettenreich: Neben meinem Beruf in der Werbebranche beschäftige ich mich mit unterschiedlichen Innenarchitekturprojekten und unterrichte seit kurzem auch Kunstgeschichtskurse für Kinder.
Was mir an mir selbst aufgefallen ist, ist dass sich meine Einstellung im Laufe der Jahre geändert hat: wenn ich in der Vergangenheit mehr zukunftsorientiert war (was ist der nächste Ort an den ich reise, was ist das nächste Projekt, was wird sich in Zukunft ändern...), bevorzuge ich jetzt mehr und intensiver in der Gegenwart zu leben. Ich versuche, die Zeit „anzuhalten“, um jedes Detail ein bisschen mehr zu genießen und zu schätzen.

Was bereitest du für deine Schüler vom „Johannes Honterus“-Nationalkolleg vor? Was willst du sie gerne lehren, was planst du mit ihnen zu unternehmen?

Es war eine sehr schöne Überraschung, das Angebot zu erhalten, als Kunstlehrerin meine Erfahrung mit den jungen Menschen zu teilen. Ich freue mich sehr darauf, in die alten Klassen zurückzukehren und die Möglichkeit zu haben, bei der Ausbildung der zukünftigen Erwachsenen, die unsere Gemeinschaft gestalten werden, beizutragen. Ich möchte in ihnen die Lust auf Kunst wecken, ihnen durch einen kreativen und interaktiven Ansatz zeigen, dass jeder sein eigenes Talent besitzt. In diesem Jahr habe ich die Möglichkeit, an mehreren Stellen (private Kindergärten, Kulturzentrum und natürlich am Honterus-Nationalkolleg) Kurse über Kunst und deren Geschichte zu unterrichten.Ich bin sehr erfreut, diese bevorzugte Stelle im Leben der Kronstädter Schüler haben zu dürfen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!