„Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden“

Museum der Erinnerungen aus dem Kommunismus eingeweiht

Im Kommunismus war die Auswahl an Spielsachen nicht so groß wie heute. Foto: Hugo Ioan Spahiu

Musik von Gil Dobric˛ ertönt im ersten Stockwerk des ehemaligen Capitol-Hotels, am Rudolfsring Nr. 19. Menschen sitzen auf Sesseln, wie sie die meisten Rumänen vor mehr als 30 Jahren in ihren Wohnzimmern stehen hatten oder noch haben. Sie hören zwei Frauen zu, die begeistert über die Eröffnung des Museums der Erinnerungen aus dem Kommunismus erzählen. Alina Beteringhe und Ioana Bejan-Roat˛ sammeln seit über anderthalb Jahren Gegenstände und Geschichten zum Thema Kommunismus, „um einen Ort der Erinnerung zu schaffen… Denn die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, sonst wiederholt sie sich“. Alle gespendeten Objekte und Erzählungen, sowie Funde, die die beiden Kronstädterinnen mit Unterstützung von Freiwilligen vereint haben, sind seit dem 1. April  im neuesten Museum der Stadt zu sehen. Die Räumlichkeit im Capitol-Hotel eignet sich perfekt als Ausstellungsraum, zumal das Gebäude 1974 errichtet wurde und eine klare Marke des Sozialismus darstellt. Von außen fällt der krasse Unterschied zwischen seiner Architektur und jener des benachbarten Kunstmuseums, einem neobarocken Gebäude von Anfang des 20. Jahrhunderts, stark auf.

Eine Zeitreise
Das Museum ist wie eine Wohnung der 70er bis 80er Jahre in einem rumänischen Plattenbau eingerichtet. In der Küche stehen weiße Standardmöbel, eines der einzigen Modelle der Zeit. Eine der Schubladen quietscht beim Öffnen. Macht man die Türen des Schranks auf, sind rote Emaille-Töpfe mit weißen Punkten, ein grauer Wasserkocher aus Metall oder eine Pfeffermühle die einem Fass ähnelt, zu sehen. Erstaunlich familiär sind auch der kleine Herd, oder die Metalldosen für Zucker, Mehl und Reis, die auf dem Schrank thronen. Im alten Arctic-Kühlschrank liegen ein leerer Eierkarton für 30 Eier, ein Stück „Pariser“-Wurst und ein Stück Käse aus Kunststoff. Das soll von den leeren Kühlschränken zeugen, an die Rationalisierung der Nahrungsmittel und letztendlich an den Hunger erinnern, unter den die Rumänen leiden mussten.

Alles im Museum scheint Leuten, die vor der Wende aufgewachsen sind bekannt. Bei der Vernissage , die am 30. März stattfand und viele Interessenten angelockt hatte, wurden Besucher dazu aufgefordert, in Regalen und in Kleiderschränken zu stöbern, es sich in den Zimmern gemütlich zu machen. 

Steife Puppen mit aufklappbaren Augen
Zwei Frauen sitzen auf dem Bett im Kinderzimmer und spielen mit den steifen Plastikpuppen, die nebeneinander auf der gemusterten Bettdecke sitzen. Sie legen sie auf den Rücken, so dass sich deren Augen schließen. Sobald die Puppen sitzen, gehen ihre Augen auf. „Genau so eine Puppe hatte ich auch als kleines Mädchen. Die meisten meiner Freundinnen hatten so eine Puppe, andere fand man nicht. Wir liebten es, sie zu kämmen”. Auch die Möbel, ein Radiogerät mit Holzrahmen, eine drehbare Weltkugel auf dem Schreibtisch oder das „Marocco“-Spiel aus Holz lassen sie an das Zimmer denken, in dem sie aufgewachsen ist.
Porzellanfiguren, Lockenwickler und Zahnbürsten.

Die zahlreichen Porzellanfiguren in den Vitrinen des Wohnzimmers, die Lockenwickler aus Metall, die Rasierklingen oder etwa die einfarbigen Plastikbecher mit weißen Punkten im Bad, lassen einen jungen Besucher  staunen. „Wozu dienen denn diese komischen Metallsachen?” fragt er seine Mutter. Sie erinnert sich an den Geruch der Nivea-Creme. „Er steckt heute noch in meinen Nasenlöchern, meine ganze Kindheit wurde bei uns nur diese Creme angewendet. Ich muss die Schachtel nur anschauen und rieche sie schon“, sagt sie. Verwundert ist der Junge auch über die vielen kleinen Fernsehapparate, die Zeichentrickfilme in Schwarz-Weiß zeigen. Von Handys, Tabletts oder Playstations fehlt im Raum jede Spur.

Nechezol und „Pariser“
Im Cafe des Museums, das ebenfalls im kommunistischen Stil eingerichtet ist, kann man Produkte bestellen, die vor 1989 allzu bekannt waren, darunter die „Pariser“-Wurst. Die bekannte Hermannstädter Salami, Salam de Sibiu, konnte man nur im „Shop“ finden, also in Läden, wo ausländische Touristen in Fremdwährung einkauften. Für 13 Lei kann man im Museums-Cafe ein Brötchen mit Pariser und Senf ausprobieren. Im Menü steht dazu unter anderen: „Pariser war leicht zu finden im sozialistischen Handel… er war besonders in der Schule beliebt. Unsere Schulranzen und sogar die Hefte stanken danach, aber niemand lachte uns aus, weil wir ja alle gleich waren“. Auch Schmalzbrot, das als Butterersatz eingesetzt und mit Zwiebeln gewürzt wurde, steht auf der Speisekarte. Dazu kann man eine Tasse „Nechezol“, ein Ersatz für Kaffee aus Getreide, oder den damals beliebten „Brifcor“-Saft kosten. Das Cafe bietet einen schönen Blick auf den Zentralpark, das Bürgermeisteramt und den Kreisrat. Letztere beiden Institutionen sind Partner dieses Museums. Sowohl Vizebürgermeisterin Flavia Boghiu, wie auch Szenner Zoltan, stellvertretender Kreistagsvorsitzender, hießen das Projekt willkommen. Zsenner griff sogar in die Tasche und bezahlte eine Eintrittskarte für 35 Lei bei der kostenlosen Vernissage, weil das private Museum unser aller Unterstützung brauche.

Eine Radiographie der rumänischen Gesellschaft
„Wie soll man Erinnerungen aus dem Kommunismus wachrufen, wenn man keine hat?“, fragt Boghiu rhetorisch bei der Einweihung. Sie ist nach dem Fall der Ceau{escu-Ära zur Welt gekommen und hat dementsprechend keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Dennoch hat sie die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur mitbekommen. Um die Gegenwart zu verstehen, sei es wichtig die Vergangenheit zu kennen und deswegen sei es bedeutend, dass es diesen Raum nun gibt. Für ganz junge Besucher und für ausländische Touristen, die die Zeit  vor  1989 nicht erlebt haben, ist das Museum eine Radiographie der rumänischen Gesellschaft, die durch Geschehnissen und Geständnissen von Bürgern konkret werden.

Es ist auch dein Museum
Die Gründerinnen des Museums haben den Ausstellungsraum lebendig und interaktiv eingerichtet. Nicht nur, dass man alles anfassen darf. Beiträge von Interessenten sind wei-terhin willkommen, die Kollektion des Museums soll ständig erneuert werden. Jeder, der möchte, kann mit Objekten oder eigenen Erinnerungen dazu schreiben. Mehr Informationen dazu unter madc.ro.

Um es lebendig zu erhalten, steht es montags Nichtregierungsorganisationen, Vereinen oder unabhängigen Institutionen als Arbeitsplatz zur Verfügung. In Partnerschaft mit diesen können Projekte, Ausstellungen, Filmabende oder andere Kulturereignisse entstehen. Ioana Bejan-Roat˛ erklärte auch den sozialen Charakter der Initiative, die ihres bedeutenden Teil seines Einkommens der Bildung und Förderung benachteiligter Kinder widmet.
Das Museum der Erinnerungen aus dem Kommunismus ist ein Sozialunternehmen, das durch EU-Fonds finanziert wurde und vom Verein „Al˛turi de Voi“, in Partnerschaft mit Fonduri-Structurale.ro, sowie zahlreichen weiteren Partnern und Unterstützern, zustande kommen konnte.