Dorfleben von früher live erleben

Spannender Familientag in Seligstadt

Teilnehmer des Familientags erhalten von IfA-Kulturmanagerin Cornelia Hemmann (Bildmitte) ihren Preis im Hof des Erich-Lukas-Museums Seligstadt.
Foto: die Verfasserin

Museumsbesuche sind nicht immer das Spannendste, wenn draußen die Sonne scheint und man dazu noch in Begleitung von Kleinkindern ist. Doch wurde das kleine aber feine Erich-Lukas-Museum aus der abgelegenen Ortschaft Seligstadt/Seliștat, 35 Kilometer von Fogarasch entfernt, ein richtiges Abenteuerland für Kleine wie auch für Erwachsene. Denn einen Tag nach dem Kindertag, am 2. Juni, durften Familien eine Zeitreise unternehmen und sich im Rahmen des Familientags „Seligstadt.1900” in das Leben im Jahr 1900 begeben. Bei den Klängen eines alten Jagdorns, das regelmäßig ertönte, waren die neugierigen Besucher einmal Waschfrauen, dann Strickomas, oder sogar Feuerwehrleute des vergangenen Jahrhunderts, die mit Gegenständen aus dem Museum verschiedenste Aktivitäten verrichten sollten, wobei am Ende die Ehrenfamilie gekürt wurde. So ging ein schmutziges Tuch nicht etwa in die Waschmaschine, sondern durfte von den Teilnehmern selber in einen großen Waschkessel mit heißem Wasser gelegt, dann mit einer enormen Kelle herausgefischt und auf einem Waschbrett eingeseift werden, danach mit dem hölzernen Wäscheklopfer ausgeklopft, mit einer Art Saugstampfer gedrückt und im Wasser gewältzt um gespült zu werden, um schließlich mit einer Wäschepresse ausgepresst zu werden, bevor es auf der Wäscheleine aufgehängt werden konnte. Im spielerischen Rahmen wurde ein mühseliger und zeitaufwendiger Prozess von Anfang des 20. Jahrhunderts zur spannenden Freizeitaktivität zum Ausprobieren im Zeitalter der Technologie. Auch Nägel hämmern, Holz sägen, Pfeffer mahlen, Wolle spinnen und mit uralten Waagen mit kleinen Gewichten eines der 35 Bügeleisen abzuwiegen, dokumentierte auf praktische Weise das Dorfleben von früher.

Die insgesamt 13 Aktivitäten vom Familienwettbewerb haben einen tiefgründigen Blick ins Leben der Groß- und Urgroßeltern ermöglicht, denn wie sollte man all die vielfältigen Gegenstände aus dem Museum und deren Nutzung besser verinnerlichen als durch deren Anwendung? Manche der von Jugendlichen ausgedachten Aufgaben, Rätsel oder Spiele, die zahlreiche Familien aben, könnten vielleicht in das neue Konzept zur Weiterentwicklung des Museums einbezogen werden, das ab Juli von einem Kulturassistenten des Instituts für Auslandsbeziehungen (IfA) unter Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen entwickelt werden soll.

Erst kürzlich hat das IfA die genannte Stelle ausgeschrieben, die auch das Erproben von Vermittlungsprogrammen und museumspädagogischen Maßnahmen vorsieht. Leben in das Museum zu bringen und den Einsatz Jugendlicher beim Entwickeln und Durchführen von Ereignissen wie jenes vom 2. Juni, die das kulturelle Erbe der deutschen Minderheit in Rumänien fördern, waren Anlass für die deutsche Institution den vom Jugendzentrum Seligstadt organisierten Familientag, der heuer zum zweiten Mal stattfindet, zu unterstützen.


Das Erich-Lukas-Museum 


Erich Lukas, gebürtiger Seligstädter, der in Deutschland lebt, hat mit den Jahren über 3000 Gegenstände gesammelt und in einem von seiner Frau von den Großeltern geerbten Haus ausgestellt. Die Objekte, hauptsächlich aus den Bereichen Haushalt und Landwirtschaft, sind thematisch in mehreren Räumen zur Schau gestellt. So beeindruckt die Kaffeemühlen-Sammlung, die über 500 Exponate zählt, aber auch ein Spinnrad, ein Grammofon, oder ein altes Teleskop, ein funktionsfähiges Feldtelefon, sowie Kinderwagen mit großen Metallrädern. Die komplexe Sammlung erstreckt sich auch in zwei Schuppen, wo eine Schreiner-Werkstatt und eine Schmiede eingerichtet sind. Landwirtschaftliche Geräte wie u.a. Pflüge, Sämaschine, Getreidemühle oder eine Traubenpresse warten auf die interessierten Blicke der Besucher von nah und fern in einer Scheune. Das Treffen mit der Vergangenheit könnte nicht schöner sein. 

Das nach der Wende eröffnete Museum hat Sammler Lukas der Evangelischen Kirchengemeinde Fogarasch überschrieben, das sich um dessen Erhalt und Förderung bemüht.


Jugendzentrum Seligstadt


Das Jugendzentrum Seligstadt, ein Verein der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Fogarasch, erweckt seit vielen Jahren die benachbarten Ortschaften Seligstadt und Bekokten zu Leben. Hunderte von Kindern und Jugendlichen nehmen hier an Freizeitprogrammen teil,  insbesondere an Ferienlagern im Sommer. Im Programm stehen Angebote für alle Altersgruppen.
Das wohl größte Projekt ist die “Kinderspielstadt Danubius” in Bekokten, wo Acht- bis Elfjährige eine Woche lang das Erwachsensein ausprobieren und in einer eigenen Spielstadt ihren Bürgermeister wählen, an Bürgerversammlungen teilnehmen, eine eigene Polizei- und Feuerwehrstation sowie Geschäfte und Läden betreiben. Das Programm wird heuer zum siebten Mal veranstaltet und sieht drei Gruppen, zwei auf Deutsch, eine auf Rumänisch vor. Wochenfreizeit-Aktionen wie eine Audiowerkstatt oder ein Zirkusworkshop bringen Jugendliche aus In- und Ausland in die schöne Gegend von Fogarasch, wo auch Familien regelmäßig u.a. zu Singwochen oder Tagesaktionen eingeladen werden.
Auch wenn Seligstadt sehr abgelegen ist, oder gerade deswegen, ist ein Besuch mit längerem Aufenthalt im schönen hügeligen Gebiet lohnenswert, Unterkunft ist in den Jugendzentren aus Bekokten und Seligstadt möglich.