„Ein Licht am Ende des Tunnels“

Osterbotschaft von Pfarrer Uwe Seidner, Wolkendorf

Liebe Schwestern und Brüder in Christo!
Das Osterfest ist das Herzstück unseres Christseins. Uns allen ist die Passionsgeschichte aus den Evangelien wohl bekannt. Der Leidensweg Jesu gipfelt im Tod am Kreuz. Danach legen ihn seine Anhänger in ein Felsengrab. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Fortsetzung folgt: als am Ostermorgen die Frauen das Grab aufsuchen, ist es leer. Nach unserer christlichen Auffassung hat Jesus den Tod besiegt und für uns Menschen das ewige Leben erwirkt. Dieses ist die gute Botschaft, die uns auch in diesem Jahr durch die Osterzeit tragen möchte.
Wird uns diese Botschaft auch gerade in dieser schweren Zeit die nötige Kraft und Hoffnung geben?
Wir blicken auf ein Jahr der Entbehrungen zurück. Vor etwa einem Jahr wurde unser Alltag aus den gewohnten Bahnen geworfen. Und irgendwie scheint ein Ende dieser Pandemie vorläufig noch nicht in Sicht zu sein. Das zehrt an unserem Gemüt. Ich las in einem Artikel, dass in Zeiten einer Pandemie, Depressionen und Angststörungen stark zunehmen. Immer mehr Menschen benötigen psychologische Betreuung, denn die Krise hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche. Laut Untersuchungen von Ärzten soll der „Corona-Alltag“ für den Anstieg der psychischen Beschwerden verantwortlich sein: die vielen neuen Vorschriften und Umgangsformen, Abstandsregeln, Kontaktbeschränkungen, das ständige Maskentragen. Insbesondere die Angst vor dem Infizieren, Existenzängste und die Angst von Isolation hinterlassen tiefe Spuren. So ist es nicht von Ungefähr, dass Menschen die Hoffnung verlieren und von immer mehr Zweifeln geplagt sind.
Werfen wir nun einen etwas genaueren Blick auf das Ostergeschehen, wie es uns im Evangelium des Johannes überliefert ist. Nachdem Maria von Magdala vom leeren Grab zurückkehrt, verkündet sie den Jüngern, sie habe den Herrn gesehen. Doch die Jünger haben sich aus Angst vor den Juden in einem Raum versteckt und die Türen fest verriegelt. Sie sind in der Abendstille des Auferstehungstages beieinander, vielleicht schon aufgewühlt und fragend, aber doch voller Sorge. Vielleicht fühlten sie sich auch allein gelassen und völlig am Ende. Verzweiflung macht sich breit. Vielleicht erkennen wir Erlebtes der letzten Monate in diesen Zeilen wieder. Doch genau in diese Lage hinein geschieht die Offenbarung des Auferstandenen: Jesus trat plötzlich in ihre Mitte und sagte: „Friede sei mit euch!“. Auf einen Schlag wurden die Jünger aus ihrer Verzweiflung und Resignation herausgeholt. Es heißt weiter: da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Die Jünger sahen endlich das Licht am Ende des Tunnels und vertrauten darauf. Alles hatte sich zum Guten gewendet.
Im Kloster Sucevita, in der Bukowina, gibt es eine der schönsten Wandmalerei, die mir bis jetzt bekannt ist: die Himmelsleiter des Heiligen Johannes Klimakos („Johannes von der Leiter“). Am Ende der Himmelsleiter erwartet Christus die Ankömmlinge zur Auferstehung. Rechts und links von der Leiter sind die beiden entgegensetzten Welten: zur Rechten die Ordnung und Sicherheit der Engelsheere, die die rechtschaffenen Mönche empfangen und zur Linken die Unordnung mit den Teufelchen, das Chaos, in das die Mönche hineinfallen, die es nicht zur Vollkommenheit geschafft haben. Einer von den Mönchen hat es sogar bis auf die letzte Sprosse der Leiter geschafft. Doch plötzlich fällt er herunter. Haben ihn in letzter Sekunde Zweifel gepackt? Und haben diese Zweifel ihn dann in die Tiefe gerissen?
Ergeht es nicht auch uns so in diesen Zeiten, dass uns Zweifel und Ängste in die Tiefe reißen? Das muss aber nicht dabeibleiben. Nach der Zeit der Apathie und Abwesenheit folgt immer auch ein Aufbäumen. Medizin und Wissenschaft bescheren uns mittlerweile ein Licht am Ende des Tunnels. Auch diese Zeiten werden sich wieder zum Guten wenden. Alle unsere Entbehrungen sollen nicht umsonst gewesen sein. Wir wollen nicht gerade jetzt von der letzten Sprosse herunterfallen. Auch wenn wir jetzt noch eine Weile verunsichert sind und die Türen verriegelt halten, zu guter Letzt steht Christus mitten unter uns und spricht zu uns: Friede sei mit Euch!