Ein verdienstvoller Historiker und Pädagoge

Friedrich Wilhelm Seraphin (1861 -1909)

Friedrich Wilhelm Seraphin (1861 -1909)

Die Schwarze Kirche vor 1898 (das Honterus-Denkmal war noch nicht errichtet).Foto: aus „Führer durch die evang. Stadtpfarrkirche A. B. in Kronstadt“
Fotos: Archiv des Verfassers

Zu den bedeutenden Persönlichkeiten Kronstadts um die Jahrhundertwende von 1900 gehört auch Friedrich Wilhelm Seraphin. Er wurde am 5. Mai 1861 in Hermannstadt geboren und absolvierte das Hermannstädter Gymnasium im Jahre 1879. Anschließend studierte er Theologie, klassische Philologie und Philosophie in Bern, Tübingen und Berlin. Während seiner Studienzeit unternahm er weite Reisen – meist zu Fuß – durch die Schweiz, Italien, Süddeutschland, die Rheinlande, Holland, Belgien und Frankreich.

Im Jahre 1882 kehrte er in die Heimat zurück und wurde hier zuerst als Elementarlehrer in Hermannstadt angestellt, danach am 1. September 1884 am evangelischen Gymnasium in Bistritz und schon zwei Monate darauf am Kronstädter ev. Gymnasium als Professor. „Er war eine der Lehrerpersönlichkeiten von Gottes Gnaden“, schrieb ein Zeitgenosse von ihm.
In Kronstadt trat er gleich in den Männergesangverein ein, der gerade sein 25jähriges Jubiläum gefeiert hatte und sang als 2. Tenor bei den Proben und Veranstaltungen eifrig mit bis 1895, als er wegen seiner vermehrten wissenschaftlichen Tätigkeit darauf verzichtete.

Seraphin schloss sich bald  der Forschergruppe an, die an den Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt arbeitete, und zu der die Professoren Franz Herfurth, Julius Groß, Oskar Netoliczka, der Stadtarchivar Friedrich Stenner und der Stadtprediger Carl Nussbächer gehörten. Ab dem zweiten Band der Quellen (1889) war Seraphin einer der Hauptmitarbeiter bis zum 6. Band (1909) und bearbeitete auch die anspruchsvollen Indizes und Glossare. Seine erste wichtigere Arbeit, die er betreut hat, war das Verzeichnis der Kronstädter Zunft-Urkunden (1886).

Friedrich Wilhelm Seraphin heiratete im Jahre 1887 Charlotte Müller, die Tochter des Kaufmanns Julius Müller. Im Jahre 1894 erwarb er auch mit Hilfe seines Schwiegervaters das alte Haus der Wollenweberzunft in der unteren Burggasse Nr. 128 (später 126) und ließ es „adaptieren“. Dazu gehörte auch ein großes Studierzimmer und eine Bücherkammer. In dem über 2000 Quadratmeter großen Garten pflanzte er viele Obstbäume, von denen auch noch seine Urenkel zehren konnten. In der Familie wuchsen drei Kinder auf: Herta Charlotte (1889), Wilhelm Georg (1891) und Gertrud Paula (1904). Die älteste Tochter half dem Vater bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten, der Sohn erbte später die reiche Bibliothek des Vaters.

Wie ein Zeitgenosse schrieb, ist Seraphin „in Sprache, Denkweise, Lebensinteresse völlig ein Sohn Kronstadts geworden“. Im „Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ erschienen in den Jahren 1886-1908 zahlreiche kleinere Beiträge von Seraphin, im Archiv dieses Vereines die großen Arbeiten über Kronstädter Schulen vor der Reformation (1891), Aus den Briefen der Familie Heydendorff (1894/96), Ein Kronstädter lateinisch-deutsches Glossar aus dem 15. Jahrhundert (1894), Die Schlacht bei Marienburg (1899) und Das Taufbecken in der Kronstädter Stadtpfarrkirche (1907). Zur 400-Jahrfeier seit der Geburt des Reformators Johannes Honterus (1498-1549) schrieb Seraphin seine umfassende Arbeit über Kronstadt zur Zeit von Honterus.

Im Jahre 1903 veröffentlichte er den ersten Führer durch die evang. Stadtpfarrkirche A.B . in Kronstadt, der nach seinem Tode noch eine zweite Auflage erlebte (1913).

Im gleichen Jahr 1903 erschien auch der historische Roman Die Einwanderer, der bewies, dass Seraphin nicht nur ein guter Wissenschaftler, sondern auch Schriftsteller war. Die anschauliche Darstellung beweist auch, dass der Verfasser die geschilderten Gegenden aus eigenem Augenschein gekannt und genau beobachtet hat.

Nach seinem Tode erschienen auch mehrere Gedichte von Seraphin. Von seinen Gedichten ist wohl am meisten bekannt  sein Sachsenlied, das vom Kronstädter Organisten und Komponisten Rudolf Lassel (1861-1918) vertont wurde. Die ersten Zeilen lauten:

„Ich bin ein Sachs, ich sag’s mit Stolz,
vom alten edlen Sachsenstamm.
Wo gibt’s ein adliger Geschlecht,
da keiner Herr und keiner Knecht?“

Man muss bedenken, dass dieser Text eine Antwort auf die Madjarisierungsbestrebungen um 1900 war und die Siebenbürger Sachsen dadurch gewissermaßen in eine Verteidigungsstellung gedrängt waren, in der der Stolz auf die „große Vergangenheit“ als Waffe gedacht war.

In den Kronstädter Gymnasialprogrammen erschienen seine Aufsätze Über Schulreisen im großen Stil (1906) und Die Bedeutung der Antike für die Gegenwart (1909), letzterer gewissermaßen sein literarischer Schwanengesang. Vielen Schülergenerationen hatte er bis dahin seine Liebe zur Antike vermittelt.

Im November des Jahres 1908 erkrankte er an „Influenza“ – heute würde man Grippe sagen – und starb am Vormittag des 1. Januar 1909, im Alter von nur 47 Jahren.

Friedrich Wilhelm Seraphin war in mehreren Körperschaften aktiv. Er war Mitglied in der Gemeindevertretung und ab 1897 im Presbyterium der evangelischen Stadtpfarrgemeinde. Ebenfalls wurde er Mitglied der Stadtvertretung. Sein ruhiges und begründetes Urteil wurde überall geschätzt. Als im Jahre 1893 das Haus in der Burggasse Nr. 92 abgetragen wurde, damit dort die Hauptleitungen vom Wasserwerk auf der Burgpromenade in die Stadt geführt werden könnten, hatte Seraphin vorgeschlagen, die neue Gasse „Burgsteig“ zu nennen, wie sie auch heute – auch in rumänischer Übersetzung – heißt.

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Friedrich Wilhelm Seraphin sind auch heute noch zuverlässige Quellen für die Historiker und würden es wohl verdienen, in einem Band gesammelt neu herausgegeben zu werden. Daraus wäre auch die Vielseitigkeit seiner Forschungen besser ersichtlich, wie er zu den verschiedenen Neuigkeiten und Neuentdeckungen aktiv Stellung nahm.