Ein zu früh verstorbener Kronstädter Forscher

Das Blüchergrab in Kronstadt Innere Stadt, Reihe 13 links, Grab 11

Die erste Würdigung Gebhard Blüchers nach seinem frühen Tod 1968 ist in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. Februar 1974 erschienen. Unter dem Titel „Ein frühverstorbener siebenbürgischer Forscher – Zum vierzigsten Geburtstag Gebhard Blüchers“ verfasst der Historiker Gernot Nussbächer (1939-2018) diesen Beitrag, wenige Jahre nach Blüchers Tod.

„Durch den plötzlichen Tod von Gebhard Blücher am 5. Oktober 1968 fand ein ergebnisreiches junges Forscherleben ein jähes Ende. In den beiden letzten Jahren vor seinem Tode hatte sich Gebhard Blücher durch seine wasserzeichenkundlichen Forschungen einen, in Fachkreisen des In- und Auslandes, geschätzten Namen erworben, der durch die nach seinem Tode erschienenen Arbeiten noch bekannter wurde“.

Gernot Nussbächer war an diesen Forschungen direkt beteiligt und in dieser Zeit hat sich die Freundschaft, welche schon in den, zum Teil, gemeinsamen Jahren des Studiums in Klausenburg begonnen hatte, gefestigt. Sowohl Blücher als auch Nussbächer arbeiteten, nach Vollendung ihres Studiums, an einer Doktorarbeit, Blücher über die Wasserzeichenforschung und Nussbächer über die mittelalterliche Geschichte Rumäniens. Nussbächer beschreibt in diesem Beitrag die neue Methode zur Reproduktion von Wasserzeichen in alten Dokumenten und auch nach Blüchers Tod arbeitete Nussbächer noch Jahre an Blüchers Wasserzeichenkartei.

Am 30. September 1983 erscheint, ebenfalls in der Siebenbürgischen Zeitung, die „Biografische Skizze über einen bedeutenden Kronstädter“ aus der Feder seines guten Schulfreundes Günter Volkmer (1935-2011).

„Das besondere Verhältnis zu seinen Lehrern, die in ihm das Außergewöhnliche erkannten, begleitete Blücher durch die ganze Schulzeit, und außerhalb der Schule hatte er zu Professor Eugen Weiß (1881-1953) eine Beziehung, die für seine spätere Laufbahn von Wert sein sollte. Schulausflüge mit Heinrich Wachner (1877-1960), dem international bekannten Geologen und Verfasser des „Kronstädter Heimat- und Wanderbuches“, Blüchers späterer Schwiegervater, stellten die Weichen seiner Interessen“.

Gebhard Blüchers Lebenslauf entnehmen wir der Festschrift 50 Jahre letzte TERTIA der alten „Honteri“, Honterusschule 1948-1998, verfasst und herausgegeben von seinen zwei Schulfreunden Horst Bonfert und Rolf Wagner, 1998.

Bei dem ersten und einzigen Klassentreffen in Kronstadt, am 30. November 1968, organisiert von Günter Volkmer, Otto Wilk, Harry Wondraschek und Horst Bonfert, im Kellersaal des Hotels Krone, war Gebhard Blücher seit knappen zwei Monaten schon tot.

Es folgt der Lebenslauf, entnommen dieser Festschrift, verfasst von einem seiner Klassenkollegen, leider ohne Unterschrift: „Gebhard Wilhelm Blücher wurde am 15.01.1934 in Kronstadt als Sohn des Hutmachers Wilhelm Blücher und seiner Frau Emilie, geb. Prexl, geboren. Er hatte noch eine jüngere Schwester Karin. Gebhard besuchte in Kronstadt Kindergarten und Volksschule in der inneren Stadt, anschließend die drei ersten Klassen des Honterusgymnasiums, wobei er immer unter den besten Schülern der Klasse war.

Schon in frühen Jahren entwickelte sich sein Hang zu den Naturwissenschaften, denen er sich leidenschaftlich verschrieb. Vor allem ein Buch bekräftigte die Richtung des Suchenden, „Chemie 1 A“ von Mittag und Schäfer, welches er gelegentlich der Arbeiten zur Rettung des Restbestandes der Honterusbibliothek auf dem Schulhof der Honterusschule gefunden hatte und welches er behalten durfte. Damals wurde auch schon der Grundstein zu seiner Experimentierfreudigkeit in einem kleinen Labor auf dem Dachboden des elterlichen Hauses gelegt. Den großen Eindruck, den die Chemie in dieser Zeit auf Blücher machte, ließ seinen eigenen Wahlspruch entstehen – Chemie schafft alles.

Nach der Schulreform von 1948, schaffte er es um ein paar Hundertstel bei der Durchschnittsnote nicht, unter die 50 Schüler der einzigen 8. Klasse des Deutschen Gemischten Lyzeums in Siebenbürgen aufgenommen zu werden und besuchte somit notgedrungen die aus der Evangelischen Höheren Handelsschule hervorgegangene Staatliche Deutsche Technische Wirtschaftsschule für Knaben und Mädchen in Kronstadt. 1952 legte er die Abschlussprüfung ab und wurde dem Büro der Genossenschaft von Nadesch bei Schäßburg zugeteilt, wo er ein Jahr als Buchhalter arbeitete. In dieser Zeit bereitete er sich intensiv auf seinen Traumberuf vor, schaffte 1953 die Aufnahmeprüfung und studierte in Klausenburg organische Chemie. 1958 schloss er das Studium als Diplomchemiker ab.

Im Herbst 1958 wurde er als Gymnasiallehrer für das Fach Chemie einer Schule in der Moldau zugeteilt. Dort meldetet er sich aber nicht, sondern übernahm Saisonarbeiten bei der Brenndörfer Zuckerfabrik, wo vor allem Grundwasseranalysen gemacht wurden. Eine weitere Übergangsbeschäftigung führte ihn nach Șinca Veche, um dann die Stelle eines Biochemikers am Kronstädter Krankenhaus für Infektionskrankheiten zu erhalten. Hierbei kamen ihm die während der Studienzeit in Klausenburg fakultativ besuchten Vorlesungen an der Biologischen Fakultät zugute. Er führte eine Reihe von Neuerungen ein und verbesserte die Methoden der Analysen. Als am 01.12.1962 ein neues Isotopenlaboratorium des Kronstädter Krankenhauses Nr. 1 gegründet wurde, fand er hier seine letzte und erfolgreichste berufliche Wirkungsstätte. Der Neubau des Labors befand sich im Gebäude an der Stelle, im rückwärtigen Teil des Schulhofes des ehemaligen Honterusgymnasiums, wo er viele Jahre vorher das wegweisende Buch gefunden hatte.

Im September 1965 heiratete er Gertud Wachner, die Tochter unseres gewesenen Geografie Professors Heinrich Wachner. Der Ehe entsprossen zwei Söhne. Den Jüngeren davon hat er jedoch nie gesehen, da dieser erst nach Gebhards Tod geboren wurde.

Gebhard veröffentlichte zusammen mit Dr. Thea Wittstock nuklearmedizinische Arbeiten. Nebenberuflich beschäftigte er sich mit der Erforschung der Wasserzeichen und war nahe daran, ein Repertorium der Wasserzeichen der Papiermühlen aus dem sechzehnten Jahrhundert von Kronstadt, Hermannstadt und Klausenburg zu veröffentlichen, als er am 05.10.1968 plötzlich verstarb. Das fast fertige Repertorium der Wasserzeichen, mit dem sich Gebhard einen Namen unter den Forschern machen wollte, wurde übrigens nie veröffentlicht. Die Papiere liegen, wenn sie noch existieren, immer noch bei Gernot Nussbächer (Anm. heute, nach Nussbächers Tod, lagern sie im Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt), mit dem zusammen er diese Forschungen betrieben hatte. Gernot Nussbächer hatte ja als Stadtarchivar Zutritt zu den alten Schriften und Akten, deren Wasserzeichen sich mit Hilfe der Isotopen fotografieren ließen, was eine Zuordnung zu den einzelnen Papiermühlen und eine genauere Datierung von undatierten Schriften ermöglichte.

Woran er gestorben ist, ist bis heute nicht restlos geklärt. Die junge Familie wohnte damals bei Gebhards Eltern in der Strada Curcanilor im Blücherischen Haus. Seine Frau war zu der Zeit gerade krankgeschrieben und verbrachte einige Tage bei der Mutter und ihrem zweijährigen Sohn in Wolkendorf.

Gebhard aß mit seinen Eltern zu Abend und ging, so wie alle Tage gegen 23 Uhr zu Bett. Als seine Mutter am nächsten Morgen merkte, dass er nicht zur Arbeit ging und ihn wecken wollte, war er schon seit etwa 2 Uhr morgens tot. Als Todesursache wurden den verschiedenen Familienmitgliedern verschiedene Gründe angegeben. Seiner Frau versuchte man den plötzlichen Tod mit einer galoppierenden Virusinfektion zu erklären (ohne Husten, Fieber und Atembeschwerden?), seinen Eltern wurde etwas von einer geplatzten Arterie in den Nebennieren gesagt, andere erhielten den Bescheid, es sei ein Schlaganfall und andere wieder, es sei ein Herzinfarkt gewesen, der seinem Leben ein jähes Ende bereitet hat. Verdächtig ist und bleibt, dass die Obduktion zur Feststellung der Todesursache, nicht wie in solchen Fällen üblich, bei der Gerichtsmedizin, sondern im Krankenhaus, wo er gearbeitet hatte vorgenommen wurde, die amtlich bestätigte Todesursache also nicht von neutraler Stelle festgestellt und bescheinigt wurde.

Er wurde am Kronstädter Innerstädtischen Friedhof im Beisein einer großen Trauergemeinde beigesetzt, wobei der Bachchor zur feierlichen Gestaltung der Begräbniszeremonie mit einigen am Grabe gesungenen Liedern beitrug.

Im Lexikon der Siebenbürger Sachsen finden wir über Gebhard Blücher unter anderem folgende Eintragung: Pionierarbeit und Untersuchungen auf dem Gebiet der Wasserzeichenkunde: Einführung der Betagraphie in Rumänien, erstmalige Ausarbeitung eines vollständigen Repertoriums der Wasserzeichen der Papiermühlen des 16. Jahrhunderts von Kronstadt, Hermannstadt und Klausenburg, Beiträge zur richtigen Datierung und Identifizierung von alten sächsischen Drucken und Handschriften, weltweit erstmalige Erarbeitung eines mathematischen Modells über die Lebensdauer einer Wasserzeichenvariante, Entwicklung neuer Methoden zur Bestimmung von Auflagenhöhen alter Druckwerke, zur Berechnung von Buchproduktionen und verlorengegangenen Druckerzeugnissen.

Unter seinen Veröffentlichungen sind hervorzuheben:

„Isotopenfotografie in der Wasserzeichnung“ in Forschung Nr. 1 - 1967, „Filigranele Bra{ovene {i tip˛riturile chirilice din sec. al XVI-lea“ in Revista Bibliotecilor Nr. 7 - 1967, „Datierungsmöglichkeiten mit Hilfe von Wasserzeichen, ein mathematisches Modell“ in Papiergeschichte Nr. 5/6 - 1968, „Bestimmung der Auflagenhöhe von Kronstädter Drucken des 16. Jahrhunderts mit Hilfe von Wasserzeichen“ in Magyar Könyvszemble Nr. 4.
In Veröffentlichungen von Gernot Nussbächer wird Gebhard Blücher ein Wissenschaftler von hoher Reife und ein Pionier der Wasserzeichenkunde genannt.

Er wurde in Kronstadt im Friedhof Innere Stadt im Grab Nr. 11 links Reihe 13 beerdigt, wo auch seine Großeltern väterlicherseits bestattet wurden. Sein Vater ist dann 1982 auch in diesem Grab beerdigt worden. Die Mutter Emilie, geb. Prexl ist 1985 im Grab Nr. 9 in der Reihe 5 im Grab ihrer Eltern beerdigt worden.