Eine Gemeinde im Spannungsfeld von Mythos und Gegenwart

Schirkanyen liegt am äußersten Rand des Burzenlandes

Die evangelische Kirche benötigt als Baudenkmal auch der Renovierungsarbeiten.

Das Gebäude des Rathauses von Schirkanyen

Renoviertes sächsisches Haus

Nur noch bei festlichen Anlässen tragen Ortsbewohner dir rumänische Tracht.
Fotos: Dieter Drotleff

Einer Sage nach soll der Name dieser Gemeinde auf eine Schlange oder einen Drachen  (sarkany bedeutet  ung. Drache) zurückgehen. Dieser habe zum Schrecken der Bewohner im dortigen Gebiet gehaust. Doch ein mutiger Mann konnte dem Treiben schließlich ein Ende bereiten: Er opferte ein Kalb und füllte dessen Fell mit ungelöschtem Kalk. Der Drachen aber konnte der Falle nicht widerstehen und verschlang das Kalbsfell. Den nun aufgetretenen Durst löschte er am Bach – woraufhin er platzte. So waren die Bewohner das Ungetüm los, auf dessen Namen die Benennung der Ortschaft zurückgehen soll. Auch das Wappen von Schirkanyen zeigt einen silbernen Drachen mit goldener Krone auf blauem Grund. Die im Laufe der Geschichte urkundlich belegten Ortsnamen waren: Sarca(m) aus dem Jahre1235, Scherkkengen (1372), Scharkan (1528),  Sarkany (1538), Schyrkanyen und Schyrkanien (1598) – um nur einige zu nennen. Heute ist die Gemeinde als Şercaia (rumänisch), Schirkanyen (deutsch) oder Sarkany (ungarisch) weithin bekannt.  
Geschichtlichen Quellen nach – siehe Trausch – bestand die Gemeinde  schon 1235. Ihr ältester Name, Sarcam, wurde in einer Urkunde von Papst Gregor IX. aus dem Jahr 1235 erstmals erwähnt – im gleichen Jahr also, wie es auch Kronstadt attestiert wird.

Außer den größeren Ortschaften des Burzenlandes wie Kronstadt, Rosenau, Marienburg, Neustadt, Tartlau und Zeiden wurde auch noch eine Reihe kleinerer Gemeinden von deutschen Kolonisten gegründet. Im Nordosten sind das Brenndorf, Honigberg, Petersberg, Rotbach und Nußbach; im Westen Heldsdorf, Weidenbach, Wolkendorf und eben Schirkanyen, das später zum Fogarascher Komitat gehören sollte. Schirkanyen war somit die einzige Gemeinde, die zwar dem Kronstädter Kirchenbezirk, nicht aber dem Kronstädter Komitat angehörte. Dafür gab es die Erklärung, dass die „ehemals unterthänige Gemeinde der Stadt Kronstadt verpfändet war und bis in die  sechziger Jahre zur Herrschaft (Dominum) derselben gehörte, und die Stadt sonach in gewisser Beziehung das Kirchenpatronat ausübte und Verpflichtungen des Patrons auf sich nahm“, wie in „Das sächsische Burzenland“, erschienen 1898, argumentiert wird.
Die Gemeinde blieb, wie auch andere Burzenländer Ortschaften, nicht vor dem Einfall fremdländischer Truppen verschont. Doch in späteren Jahrhunderten  erblühte sie zusehends und stieg sogar zur Marktgemeinde auf. Auch war Schirkanyen Sitz eines ungarischen Bezirksgerichtes und eines Stuhlrichteramtes.

Die evangelische Kirche im neugotischen Stil wurde 1867-1875 am Standort eines ehemaligen Gotteshauses nach einem Projekt des Kronstädter Ingenieurs Josef Sampek in Hallenform gebaut. Die Strebepfeiler befinden sich zwischen schlanken Seitenfenstern mit Farbglasscheiben. Der Altar wurde ebenfalls von einem Kronstädter, nämlich Peter Bartesch, errichtet. Seitlich standen einmal Statuen der Apostel Petrus und Paulus. Nachdem diese 1916 zerstört worden waren, ersetzte man sie 1928 durch zwei Gemälde von Eduard Morres. Im Jahre 1921 erhielt die Kirche eine Wegensteinorgel. Das Gebäude selbst ist nicht orientiert; der Chor der Kirche ist nach Norden ausgerichtet. Ihr Bau stürzte die Kirchenkassa der Gemeinde in eine Schuldenlast von 10.447 Fl. Auch der Bau einer Kirchen-Mühle wirkte sich negativ auf die Finanzen der Gemeinde aus – anstatt ihr, wie erhofft, Einnahmen zu bringen.

In Schirkanyen hat es im Zuge der Entwicklung des deutschen Schulwesens auch eine Bildungsanstalt gegeben. Während die Kronstädter Schule auf das Jahr 1388 zurückgeht, wurden weitere Bildungseinrichtungen erst nach 1429 gegründet. Erster Rektor der Schule in Schirkanyen, die insgesamt 137 Schüler fasste, war Franz Schneider. Georg Schneider und Johann Schorscher sind als weitere Lehrer überliefert. Das Landeskonsistorium legte 1885 auch die Pflichtfächer für deutsche Schulen fest. Am wichtigsten war natürlich das Lesen und Schreiben in der Muttersprache. Doch die Schule besaß nur wenig Anschauungsmaterialien: für Religion nur eines, für Rechnen und Geometrie elf, für Erdkunde und Geschichte acht, für Naturgeschichte drei und für Naturlehre wiederum elf.

Gegenwärtig gibt es in Schirkanyen keine deutsche Schule mehr. In der Gemeinde wurde vor rund 20 Jahren  das Canaan Rehabilitationszentrum für behinderte Kinder und Jugendliche gegründet, um diesen Schutz zu bieten und sie zu integrieren. Entstanden war die moderne Anstalt mit Hilfe aus Deutschland, u.a. durch den Verein agape e.V., vermittelt durch Diakonia, und die Evangelische Kirche A.B. aus Fogarasch.
Zählte Schirkanyen Ende des 20. Jahrhunderts noch 896 kirchliche Gemeindemitglieder, so waren es am Jahresende 2012 nur noch ganze 23 evangelische Glaubensangehörige. Als kirchliche Diasporagemeinde gehört Schirkanyen nun zu Fogarasch und wird von Pfarrer Dr. Johannes Klein betreut.

Heute werden in der Kirche keine Gottesdienste mehr gefeiert, sondern die Gemeindemitglieder mit einem Kleinbus zu den Gottesdiensten in die Kirche von Fogarasch, gelegentlich auch nach Seligstadt oder Bekokten, gebracht.

Dank ihrer zentralen Lage an der Nationalstraße DN 1 zwischen Kronstadt und Hermannstadt herrscht in der Gemeinde reges Treiben. Touristen kommen zu Besichtigungen, obwohl es dort keine bedeutende sächsische Kirchenburg gibt. Die Besucher werden im Mai von der Narzissenwiese und über das ganze Jahr hinweg von den Wandermöglichkeiten der Hügellandschaft und des Fogarascher Gebirge angelockt. Auch die  Kreisstraßen über Poiana Mărului nach Zărneşti, wo sich das Bärenreservat befindet, sind gut frequentiert. Nicht zu empfehlen ist wegen ihres schlechten Zustands die Straße über Hoghiz nach Reps.

Lohnenswert dagegen ist ein Abstecher in das Dorf Halmagen/Hălmeag. Dort gibt es eine Wehrkirche, die auf die Zisterzienser zurückgeht und 1979 restauriert wurde. Am Kirchhof befindet sich eine Büste der österreichischen Kaiserin Elisabeth („Sissi“), die sich zu einem Besuchermagneten entwickelt hat. In den Jahren des Kommunismus soll diese von Ortsbewohnern versteckt worden sein, um sie vor der Vernichtung zu retten.