Empfehlung für zweite Auffrischimpfung

Ein Rückblick auf die Corona-Pandemie mit Hausärztin Mihaela Bibu

Die Ärztin Mihaela Bibu in ihrer Praxis beim Kronstädter Forum.

Die Corona-Fallzahlen weisen auch hierzulande eine leicht steigende Tendenz auf. Eigentlich sollte erst im Herbst eine weitere, die sechste Corona-Welle, auftreten. Aber die Omikron-Variante BA.5 erweist sich als ansteckender als alle anderen und infiziert sogar Genesene und Geimpfte. Das ist zwar kein wörtlich „guter“ aber ein triftiger Grund mit der Hausärztin Mihaela Bibu über den Verlauf der Anticovid-Impfkampagne und Zukunftsperspektiven zu sprechen.

Die nun seit drei Jahrzehnten auch beim Kronstädter Deutschen Forum tätige Hausärztin hat sich, sobald dafür alle Voraussetzungen erfüllt waren, aktiv an der Impfkampagne beteiligt. Das will sie weiterhin in ihrer Arztpraxis in der Schwarzgasse/ str. N.Balcescu tun. Sie spricht sich entschieden, im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Zentrums für Vorbeugung und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), für eine zweite Auffrischimpfung („Booster“) aus, vor allem für ältere Personen und für jene mit Vorerkrankungen. Es sei keine Zeit zu verlieren, meint sie und widerspricht somit jenen (unter ihnen auch Gesundheitsminister Alexandru Rafila) die auf die in Aussicht gestellte an die Omikron-Varianten angepasste Impfung verweisen welche bis im Herbst auf dem Markt gelangen sollte. Frau Bibu hat eine zusätzliche Empfehlung: jene die mit dem Johnson&Johnson-Impfstoff oder mit den beiden anderen Impfstoffen (Moderna und Astra Zeneca) geimpft wurden, sollten nun als Booster Pfizer-BioNTech verabreicht bekommen, was mit einer verstärkten Immunität verbunden sein könnte. Sie selber werde weiter impfen, wobei bei Pfizer allerdings eine genaue Programmierung notwendig ist. Denn dieser Impfstoff benötigt eine besondere Aufbewahrung und die sechs Impfdosen in einer Ampulle müssen binnen drei Stunden verabreicht werden. Ansonsten müssen sie weggeworfen werden, was ihr selber, sehr selten aber trotzdem passiert sei und ihr dabei sehr aufs Gemüt geschlagen hat.

Im Januar des Vorjahres waren die Erwartungen an die zur Bekämpfung des Coronavirus entwickelten Impfstoffe hoch. Aber ein universelles Heilmittel sollten diese im Eiltempo entdeckten Stoffe nicht werden. Vorausgesetzt wurde allerdings, dass die große Mehrheit der Bevölkerung durch die Impfung immunisiert wird. Der Start in Rumänien schien zunächst vielversprechend zu sein. Aber letztendlich fiel die Bilanz enttäuschend aus – nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung ließ sich impfen. Was ist da schief gelaufen? Zu früh sind die ersten Auflockerungsmaßnahmen gekommen, meint die Ärztin Bibu und erinnert an die allgemeine Vorfreude auf einen sorgenlosen Sommerurlaub.

Die Impf-Botschaft wurde von den Behörden nicht konsequent weiter geführt. Und zu viele ließen sich nicht aus Überzeugung impfen, sondern weil sie nur geimpft ins Ausland reisen, in der Mall einkaufen gehen, wieder ein Restaurant oder ein Kino besuchen konnten. „Die Einschränkungen für nicht Geimpfte fielen schwerer ins Gewicht als wissenschaftliche Erklärungen und Empfehlungen“, sagt Frau Bibu. Hinzu kam eine paradoxe Entwicklung: Desto zugänglicher der Impfstoff für jeden wurde, umso geringer wurde das Interesse für diesen. Als die Bevölkerung noch in Kategorien eingeteilt wurde die vorrangig geimpft werden sollten, als der Impfstoff knapp war, herrschte großer Druck aufs ärztliche Personal um eine Impfung zu erhalten.  Die Hausärztin hat selber erlebt wie früh morgens die Wartenden sehr zahlreich und sehr ungeduldig sich anmeldeten, so dass ihre Erfassung und vorgesehene Befragung nur mit Mühe und Not zustande kam. Ein weiterer schwerer Schlag für den Erfolg der Impfkampagne war dann die Erkenntnis, dass auch Geimpfte mit Sars-Cov-2 infiziert wurden.

Für Mihaela Bibu war bereits von Anfang an klar, dass es auch feste Impfgegner geben wird, die nichts und niemand vom Nutzen einer Impfung überzeugen kann. Wenn solche Leute selbst die üblichen Impfungen für ihre Kinder ablehnen, dann sind jede weiteren Versuche sinnlos. Das Argument, sie hätten vielleicht selber nur durch Impfung überleben und Eltern werden können, erwies sich unweigerlich als ein Schlag ins Wasser. Verschwörungstheorien wie zum Beispiel Genmanipulation über den Impfstoff sind leider auch eine Erklärung fürs Impfverweigern. Dass solche Lügen auch über modernste Mittel (Internet) verbreitet werden, macht alles noch absurder.

Zu Beginn der Pandemie  (in Rumänien März 2020) herrschte noch die große Furcht vor dem Unbekannten. Allgemeiner Lockdown, unterbrochener Schulunterricht, Verkehrssperre und weitere drastische Verbote sind heute in einem Rechtsstaat undenkbar weil sie die gesamte Wirtschaft gefährden und einfach zu hohe Kosten voraussetzen. Wir werden wohl mit dem Coronavirus zusammenleben müssen, schlussfolgert die Ärztin Bibu. Bereits vor eineinhalb Jahren zog sie den Vergleich zur Grippe und zu den saisonalen Impfungen die der jeweiligen Virusmutation angepasst werden. Wie diese aussehen können und wann sie auftreten, bleibt weiterhin unvorsehbar. Gewarnt sind wir; besser vorbereitet müssten wir als Gesellschaft sein, vor allem was die Ausstattung und die Zahl der Intensivbetten betrifft. Denn das kann im schlimmsten Fall, bei gleichzeitiger Häufung schwerer Covid-19-Fälle trotz Impfungen und Hygienemaßnahmen, Leben retten.